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Mosel: Bridge over troubled Water

Animation: Kurt Becks im Bau befindliches Moselbrückenprojekt. Aber auch die Grünen sind dafür. Shame on them!
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Im Schutze der Nacht werden Bäume gefällt. Ministerpräsident Kurt Beck lässt wieder roden. Und die Moselbrücke scheint unvermeidbar. Deutschland zerstört sein Wein-Kulturerbe. Und einige Claqueure applaudieren etwas zu heftig.

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Irgendwann ist es immer so weit. Im Falle der Bauarbeiten zum umstrittenen Hochmoselübergang ist es jetzt wieder soweit. Es wird wieder gerodet. Für die Zubringerstrassen, für die Baufahrzeuge, für den Verkehr. Deutschland ist ein Entwicklungsland. Entwickelt für Autos und Beton. Das Heiligtum Infrastruktur. Industrie vor Romantik. Dabei liebt der Deutsche seine Romantik. Aber nicht an der Mosel.

Eine Brücke, die vor 40 Jahren geplant wurde; eine Straße, die verbinden soll, was anderwegs gut zu verbinden wäre; ein Flughafen (FFM-Hahn), dessen Zukunft von einer einzigen, hoch verschuldeten Fluglinie abhängt: All das legitimiert ein Bauprojekt, das eine Landschaft auf Jahrzehnte zerstört. Nicht für immer, denn sicher kann man den Dreck auch wieder wegsprengen, aber jetzt muss er erstmal gebaut werden. Infrastruktur, Arbeitsplätze: Die alten Argumente aus den Siebzigern.

Dabei muss Deutschland sparen. Sagt seine Regierung. Sagen die Länder. Da werden Infrastrukturprojekte auch in Frage gestellt. Aber erst, wenn sich ein paar hundert Bürger, wie in Stuttgart, vom Wasserwerfer wegschießen lassen. Die Bewegung gegen den Hochmoselübergang hat keinen solchen Schicksalstag, kann keinen Mann vorführen, der mit blutenden Augen von der Bühne geht. Es gibt keine Ikone. Das macht es für die Medien schwer. Noch ist kein Sozialforscher, kein Politologe in Ürzig vor Ort. Das Thema ist wohl zu klein, um ausreichend Aufmerksamkeit zu erregen.

Die mangelnde Solidarität

17.000 Unterschriften gegen die Brücke. Für ein Provinzprojekt ist das ganz ordentlich. Doch wie der Captain schon oft erwähnt hat: Es gibt keine einheitliche Front gegen die Moselbrücke. Und die Winzer der Region, eigentlich alle deutschen Winzer, kennen keinen Solidarbegriff. Ach was: Es interessiert sie einfach nicht, was da an der Mosel los ist. Zu weit weg.

Es hat ja auch wirklich keinen Einfluss auf den Alltag, auf das Tagesgeschäft. Und selbst wenn die Brücke mal steht, halten sich die Schäden für regionale Winzer wahrscheinlich in Grenzen. Damit ist kein Staat zu machen. Doch offenbar begreift niemand in Deutschlands Winzerschaft, dass es hier auch um Symbole geht, dass sich deutsche Winzer eine Kulturlandschaft, die seinesgleichen sucht, ruinieren lassen. Dass man in der Region nicht mit einer Zunge spricht. Dass es Weinbauern gibt, die den Brückenbau befürworten. Und auch Weinjournalisten, Weinblogger, die für die Brücke trommeln. Diese ebnen den Weg für die Baufahrzeuge.

Wie eben auch ein bekannter Hamburger Weinblogger, der sich enthusiastisch für die Brücke (wie auch für den Stuttgarter Bahnhof) engagiert, weil er offenbar immer noch in seiner kindlichen Modelleisenbahn-Welt lebt, mit dem Finger über Landkarten fährt und von europäischen Transitrouten träumt, die von Antwerpen bis an die Krim reichen. Räder müssen rollen. Diesmal für einen anderen Sieg, für den Sieg der Wirtschaft, nicht nur der deutschen; Räder für einen neuen Anschluss, für einen Lebensraum im Osten, der sich, so der Blogger, trunken vor Freude an Europa angeschlossen sehen will. Eine eigenartige Weltsicht.

Mal schauen, wer aller applaudiert

Natürlich würde es dieses Projekt in Frankreich oder Österreich nicht geben. Es wäre einfach nicht durchsetzbar. Keiner käme auf so eine Idee. In Deutschland aber ist es möglich, dass man eines der schönsten europäischen Weinbaugebiete ausgerechnet an einer seiner schönsten Stellen verschandelt. Und nur in Deutschland ist es möglich, dass führende Vertreter des Weinbaus, Weinjournalisten und Organisationen dazu entweder schweigen, matt protestieren (damit das auch getan ist), oder enthusiastisch applaudieren, wie eben jener Hamburger Weinblogger.

Nein, die Brücke wird wohl gebaut werden. Denn der Widerstand interessiert zwar viele, bewegt aber nur wenige. Ürzig ist eben keine Stadt, das Protestpotential braucht für die Anreise etwas länger. Und für eine Großdemonstration wird es nicht reichen.

Wenn wir in zehn Jahren bei einem Glas Auslese (hoffentlich immer noch restsüß und mit Botrytis, lieber Maat Mally) zusammensitzen, dann werden wir sehen, was jene machen, die damals für die Brücke waren. Und wo jene stehen, die sie verhindern wollten. Natürlich geht es hier auch um persönliche Ressentiments; man will erfolgreichen Protagonisten den Kopf waschen. Jenen, die die besseren Lagen haben, jenen, die in den Medien stehen. Als Deutschlands beste Winzer. Das ist der Neid, der die Deutschen seit Jahrzehnten zerfrisst. Und mit dem sich trefflich gegeneinander ausspielen lässt.

Die Schuld der Claqueure

Man wird sich merken müssen, dass eine ehemalige Weinkönigin die Zerstörung einer Weinlandschaft befürwortet; man wird sich merken müssen, dass ein enthusiastischer Weinblogger und Wettbewerbsausricher in Threads gegen die Brückengegner polemisiert; man wird sich merken müssen, dass „Freunde des deutschen Weins“ das größte Verschandelungswerk seit Jahrzehnten begrüßen. Und man wird sich jene merken müssen, die beflissen schweigen. Mal sehen, welche Meinung sie dann haben. Der Captain weiß, dass viele von denen eigentlich immer schon dagegen gewesen sein werden. In zehn Jahren.

Man wird sich auch jene merken müssen, die sich vehement gegen das Projekt stellen. Vor allem die Briten. Das alleine sagt schon mehr als genug.

Noch gäbe es Alternativen. Doch der Captain glaubt, dass diese keine Rolle spielen. An der Mosel wird eine neue Lage ausgepflanzt, die dem deutschen Weinbau noch lange bitter aufstoßen wird. Hier erntet man das Versagen. Schade. Aber gegessen.

 

Datum: 24.11.2010 (Update 26.11.2010)
 

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