X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Naturwein von freilaufenden Beeren

Weinprobe bei Meinklang.
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Unser Weintester Thomas C. Golenia berichtet von einem Demeter-Winzer, der Ungeheuerliches tut: nichts.
Anzeige

Manche Weine ziehen schon allein Aufmerksamkeit auf sich, weil sie unkonventionell hergestellt werden.

Und das ist gut so. Vielfalt und Pioniergeist gehören zur Weinwelt. Trotz aller Tendenzen zur Gleichmacherei, die auch hier (wie überall) um sich greift.

Werner Michlits (im Foto rechts), aus Pamhagen in der hintersten Ecke des österreichischen Seewinkels, ist so jemand, der stetig an Erneuerungen rund um seinen Demeter-Mischbetrieb Meinklang arbeitet.

Meinklang_3

Schon vor vielen Jahren trennte sich Michlits von seinen Holzfässern und baut seither Rotwein in großen Betoneiern aus. Damals war das ein Novum. Heute gibt es überall Winzer, die es ihm gleichtun. Das war kein Gag. Es war ernst gemeint.

Mischbetrieb, das heißt, es gibt neben Wein noch ein paar andere Wesen, die sich auf Meinklang tummeln. Zum Beispiel 500 Angus-Rinder. Auch das ist ungewöhnlich.

Ebenfalls recht eigen ist die Art, wie Michlits die Reben für seinen Grauburgunder namens Graupert behandelt. Er lässt sie nämlich Jahr für Jahr wachsen ohne sie zu beschneiden. Das ist mutig.

Normalerweise geht ein Winzer gleich mehrfach pro Jahr durch seine Zeilen und beschneidet seine Kinder nach bestimmter Technik, um den Wuchs in eine bestimmte Richtung zu lenken, die Anzahl der Triebe zu bestimmen und die Lüftung bzw. die Intensität der Sonneneinstrahlung zu beeinflussen.

Ein in Rebschnitt geübter Winzer schafft vielleicht 500 Rebstöcke pro Tag. Eine Zeit, die sich Werner Michlits bei seinem Grauburgunder spart.

Ist das plumpe Faulheit? Natürlich nicht. Natürliche Selbstregulierung der Pflanze heißt das Zauberwort.

Was im pädagogischen Betrieb der 70er-Jahre nicht wirklich von Erfolg gekrönt war, scheint bei Rebkulturen irgendwie zu funktionieren. Wenn auch mit langer Vorlaufzeit.

Denn zunächst, so Michlits, wachsen die Rebstöcke mit ihren Trieben ungestüm voran. In alle Himmelsrichtungen.

Spätestens hier würde der klassische Winzer eingreifen und dem ein Ende setzen. Michlits lässt sie aber weiter wachsen. Ähnlich einer Rangelei auf dem Schulhof, bei der ein Lehrer auch nicht eingreift – frei nach dem Motto „die regeln das schon selbst untereinander“.

Erstaunlicherweise tun das die Reben auch. Nach einigen Jahren bildet sich das Wachstum ganz von selbst zurück. Eine Art Selbstbeschneidung.

Zwar trägt der Rebstock nun sehr viele dickhäutige Trauben, die jedoch sehr kleinwüchsig und dicht wachsen, was eine gewollte und natürliche Aromenkonzentration innerhalb der Beere ergibt. Es ist paradox. Laut Michlits kommt so durch Nichtbeschneidung weniger Erntemenge heraus als mit Rebschnitt.

Vor 15 Jahren hat Michlits damit begonnen, seine Grauburgunderreben nicht mehr zu schneiden.

Anfangs noch ging er mit der Schere alle paar Jahre durch die Zeilen und machte das Nötigste. Selbst darauf verzichtet er heute. Sein „Nicht-Schnitt“, so wie er es selbst nennt, ist in dieser Radikalität einzigartig in der Weinwelt.

Michlits: „Wir agieren gegen die Natur der Pflanze, wenn wir sie schneiden.“

Nun gut. Das alles macht verdammt neugierig. Ich will trinken und schenke mir ein.

Der Graupert zeigt sich mit imposantem Gelb im Glas.

In der Nase reife aber nicht überreife Birne, das schneeweiße Zitroneneis von der Eisdiele, feine Maracuja, rote herbstliche Fallobstäpfel, ein bisschen Veilchen.

Dann im Mund dieser klassische Grauburgunder-Schmelz. Ohne cremiges Element. Viel saftige Frucht. Eher rustikal aber nicht kitschig. Dazu kommt silbrige Säure, die diesem Wein eine gewisse Eleganz verleiht. Schöne Bitternoten und im Abgang noch sehr viel reife Apfalaromatik.

Dieser Graupert aus Österreich ist nicht die Art vollmundiger Grauburgunder, wie er besonders in Deutschland beliebt ist, somdern das erdige Gegenstück. Ein Kerl von Wein.

Michlits Grauburgunderreben scheinen das pflanzliche Gegenstück zu freilaufenden, glücklichen Hühnern zu sein.

Die Frage ist, ob man das schmeckt.

Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ich kann diesen Grauburgunder nicht vergleichen. Unbeschnitten gegen beschnitten. Es gibt nur diesen einen Graupert von Meinklang. Und er hat mir geschmeckt.

 

Datum: 3.2.2018