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Mein Essen mit Frau Taittinger

Reich, schön und lustig: Vitalie Taittinger.
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Der Captain spielt GALA und ging mit der Tochter des Chefs von Champagne Taittinger essen. Das ganze wurde schnell ein bisschen verrückt.
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[Dieser Artikel erschien im November 2019.] Letzter Dienstagabend im Hotel Ritz in Berlin. Der Captain ist verabredet. Mit Vitalie Taittinger, der Tochter von Pierre-Emmanuel Taittinger, der das Champagnerhaus 2007 zurückkaufte, nachdem es wegen Erbstreitigkeiten an den US-Hotelkonzern Starwood gefallen war. Die Rückholaktion kostete 660 Mio. Euro.

Zur Begrüßung ließ sich das Management des neuen Ritz-Restaurants „Pots“ etwas Charmantes einfallen – eine Champagnerpyramide. Die hat der Captain gleich auf Instagram gepostet. Sharing is caring, heißt es ja.

Dann ging’s zur Sache. Es gab Matjesbällchen mit Gurkensoße, Tatar von irgendeinem Tier aus Schleswig-Holstein, Flammkuchen und natürlich den ganzen Stolz des Hauses satt, nämlich den Comte de Champagne Blanc de Blancs 2007: Bernsteinfarbener Schimmer. In der Nase das Innere von frischem Weißbrot, angebräuntes Brioche, dann Mandarine, ein Hauch Limette, Gänseblümchen. Im Mund umwerfend feine Perlage, straffe, dabei elegante Säure, große Klarheit und Frische. Nichts, das sich vordergründig aufspielt, eher altmodische Zurückhaltung. Ein frisch gerösteter Toast mit zerlaufener Butter, gelber Apfel, reife Birne, weißer Honig, frische Banane, etwas Anis. Ein großer Champagner ohne Schwerpunkt außer der Gesamtheit seiner Selbst und das ist gut so. Kostet im Laden um die 140 Euro. Vitalie grinst schelmisch und beseitigt alle Hemmungen. Der Captain fragt los und es enstpinnt sich ein lustiges Gespräch. Zunächst über Vitalies Kusine Virginie, die Deutsch spricht und – wie man hört – in Interviews gerne das Wort „Bumsen“ anwendet. Immer wieder. Möglicherweise nicht zum Amusement der Familie. Virginie ist die Tochter von Claude Taittinger, der das Familienerbe an die Amis verschacherte. Sie war bis 2006 Marketingchefin des Hauses. Inzwischen betreibt sie ein eigenes Champagnerlabel namens „Virginie T“. Der Captain war sich sicher, dass der Name ein guter Einstieg sei. Er lag wohl daneben.

Wie geht es Virginie, macht sie noch immer ihren eigenen Champagner? Ja, aber sie musste damit aufhören, unseren Namen zu nutzen. Das geht nicht, wenn man erst eine Firma verkauft und dann mit demselben Geschäft von vorne beginnt. [Pause] Sie sind schrecklich. Ich komme völlig übermüdet aus dem Flieger und Ihre erste Frage gilt meiner Kusine. Gibt es in Berlin auch Journalisten, die am Anfang netter sind? Keine Ahnung. Wie viel Liter Champagner trinken sie pro Woche? Ich versuche weniger zu trinken. In Litern ausgedrückt klingt das sicher ganz unpoetisch. Ich bevorzuge das Glas als Maßeinheit, kann Ihnen aber keine genaue Auskunft geben. Wir trinken immer irgendwas, meistens ist es Champagner. Bei Verkostungen am Morgen, zum Lunch mit Gästen und natürlich zum Dinner. Es ist nicht leicht zu widerstehen. Passen Sie in die Fußstapfen von Grace Kelly? Virginies Vater war ein schlauer Fuchs. Er nutzte für die Werbung die Zeichnung einer Frau, die aussah wie Grace Kelly und alle glaubten, dass sie für uns Reklame macht. Insofern erübrigt sich Ihre Frage. Wie ist das Leben, wenn man reich und berühmt ist? Wir wuchsen in einer Familie auf, in der man gewohnt ist zu arbeiten. Wir sind kunstsinnig. Es war immer wichtig offen zu sein und sich für andere Menschen zu interessieren. Reichtum war nie ein Thema. Deshalb kauften wir auch für viel Geld unsere Firma zurück. Sorry, das klingt alles so politisch korrekt. Ich merke schon, ich langweile Sie, mein Freund. Erzählen Sie mehr aus ihrer Jugend. Wie bekamen Sie als rich kid die Kurve und endeten nicht in bequemer Langeweile? Bitte verzeihen Sie, ich verstehe Ihre Frage nicht. Wie waren Ihre Eltern zu Ihnen? Sie waren sehr liberal, haben uns immer alles erzählt, auch Details aus ihrem ganz privaten Leben. Manchmal war das auch ein bisschen zu viel. Aber es war echt. Und es waren immer Freunde da. Manche waren arm, andere reich, einige krank. Das war das Leben. Es gab nie Fragen, ob einer was besitzt oder nicht. Mein Großvater war viele Jahre Bürgermeister von Reims. Während seiner Amtszeit fand das Versöhnungstreffen zwischen de Gaulle und Adenauer statt. Später wurde er Staatssekretär und Justizminister. Meine Kindheit und Jugend war reich an Erlebnissen und Erfahrungen. Insofern bin ich froh, dass ich reich bin, jawohl. Wie ist das, wenn man einen Namen trägt, den jeder kennt? Das war früher anders, als die Erinnerung an meinen Großvater noch lebendig war. Man verband mit dem Namen Taittinger auch Politik. Heute denken alle nur ans Trinken. Wir sind aber mehr. Sie müssen uns besuchen kommen, dann verstehen Sie unsere Familie besser. Klar, darf ich auch ein paar Leser mitbringen? Kein Problem. Wie geht man mit Ihnen als prominente Person um? Die Franzosen sind kritischer gegenüber ihrer Elite geworden. Sie haben das Gefühl, dass der Staat sich nicht mehr um sie kümmert. Sie fühlen sich allein gelassen. Und sie haben recht. Ich glaube, wir erleben gerade das Ende eines Systems. Das betrifft nicht nur Frankreich. Globale Ökologie wird immer bedeutender. Und Respekt gegenüber den Menschen. Erzählen Sie mir was über Ihre Kinder. Meine älteste Tochter ist 15. Ein Sohn ist 10 und die Jüngste ist fünfeinhalb. Und dann gibt es noch einen 13-jährigen Sohn, den mein Mann in die Ehe eingebracht hat. Er ist wie mein eigenes Kind, aber das versuche ich ihn nicht spüren zu lassen, denn er hat eine Mutter und ich respektiere sie sehr. Sorry, ich weiß gerade nicht mehr, was ich fragen soll. Der Champagner schmeckt übrigens toll. Ach ja, wie spricht man das aus: Taittinger oder Tättongschee? Ist mir egal, wie Sie wollen. In Reims Tättongschee. In den USA Taittingschör. Hier in Deutschland sagt man Taittinger. Es gibt keine Vorgabe. Alle sind frei. Wie wird Champagner in 20 Jahren schmecken? Ich glaube so wie heute. Der Klimawandel wird es uns jedoch nicht leicht machen. Vor ein paar Jahren war die Dosage noch 12 Gramm Zucker, heute sind es 9. Es ist immer aufwendiger, dieselbe Mineralität und Frische hinzubekommen. Aber wissen Sie, das sind alles unwichtige Fragen. Wir steuern auf große Veränderungen zu. Bald ist es unanständig über weite Strecken mit dem Benzinauto zu fahren. Oder wertvolles Wasser für die Landwirtschaft zu vergeuden. Schwere Weinflaschen Tausende Kilometer weit in die Welt verschicken wird irgendwann nicht mehr gehen. Vielleicht nur noch die Top-Gewächse zu gigantischen Aufpreisen. Es wird in unseren Läden keine Mangos, Avocados und Ananas mehr geben. Puh, das klingt alles so anstrengend. Erzählen Sie mir lieber, welche Weine Sie mögen. Ich gehöre keiner Weinreligion an und bin launisch. Momentan mag ich roten Sancerre. Wie ist es, wenn man sich jeden Luxus leisten kann? Sie immer mit Ihren Fragen. Da ist man endlich entspannt beim Erzählen und plötzlich kommt so etwas. Luxus ist langweilig. Bekommen Sie ein Gehalt? Ja natürlich. Wir alle in der Firma werden dafür bezahlt, guten Champagner zu verkaufen. Die Leute geben ihr Geld, wenn ihnen unser Zeug schmeckt. Das ist alles, was zählt. Lesen Sie die Besprechungen Ihrer Weine? Natürlich. Weil ich neugierig bin, wie unsere Produkte draußen ankommen. Letztendlich ist das alles subjektiv, aber trotzdem wichtig zu wissen. Haben Sie einen Privatsekretär? Nein, aber eine Babysitterin. Vielleicht schult sie für mich um. Gibt es ein gemeinsames Konto mit Ihrem Mann? Ja, aber jeder hat auch sein eigenes. Manchmal ist es besser zu verbergen, wofür man Geld raushaut. Interessiert sich die 15-jährige schon für Champagner? Sie fängt langsam damit an. Sie ist ein Scheidungskind und ich hatte mit dem Vater die Übereinkunft, dass ich sie von Alkohol fern halte, bis sie so weit ist. Aber es war gar nicht nötig, sie vor dem Trinken zu schützen. Sie wollte gar nicht. Das ändert sich aber gerade. Sie wird neugierig und ich versuche sie nicht zu behindern. Das geht sowieso nach hinten los.

 

Datum: 13.11.2019 (Update 28.3.2022)
 

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