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Der beste Chardonnay der Welt? Laut Expertenmeinung kommt der sicher aus dem Burgund. Montrachet oder die rundherum liegenden Weingärten. Die neuzeitlichen Genießer würden dann Napa Valley (oder USA generell) anführen. Die diffizileren Charaktere werden Südafrika nennen. Die Nationalpatrioten dann eben Deutschland (oder Österreich). Und ich sage: der beste Chardonnay stammt aus dem Aostatal! Aber ich bin ja kein Experte. Nur Genießer.
Wo liegt das genau? Nördlichstes Italien. Super Skigebiet. Eingerahmt vom Mont Blanc auf der einen Seite und dem Monte Rosa auf der anderen Seite. Höchster Berg Europas und so, das weiß dann hoffentlich jeder. Und auch der erste Nationalpark Italiens, Gran Paradiso, befindet sich dort. Es handelt sich hier um eine der reichsten Regionen Italiens. Was dann auch die Preise der guten Weine erklärt.
Reden wir kurz über die regionale Weinwirtschaft. Immerhin 635 Hektar Fläche. 40.000 Hektoliter Ertrag pro Jahr. Vornehmlich leichte, spritzige Weißweine zum schnellen Genuss. Und weil der Tourismus blüht, wird sofort alles vor Ort verkauft. Aber für diese Ware ist dann wohl besser unser Rettungslotse Balcerowiak zuständig.
Streifen wir noch die allgemeine Klimaerwärmung, erwähnen wir auch die begünstigten Einzellagen, aus denen man auch hier richtig guten Wein erzeugen kann. Leicht ist das nicht, aber Chardonnay (wo wird der nicht reif?) oder auch Gamay, ebenso wie Cabernet Franc und Syrah erzielen manchmal erstaunliche Ergebnisse. Und die haben dann auch ihren stolzen Preis, der einen glauben lässt, man hat mit der Flache auch gleich ein paar Quadratmeter Weinberg mitgekauft.
Jetzt aber zum konkreten Wein.
Da sitz ich während der Vinitaly 1996 bei einem Winzer namens Maurizio Zanella. Kleines Weingut Namens Ca del Bosco. Einer der Abende wird immer bei ihm am Weingut verbracht. In erster Linie, um seine Weine in aller Ruhe kennenzulernen. Insgesamt sehr beeindruckend, was im Franciacorta so alles passierte, damals. Grandiose Schaumweine à la Champagne als Vorbild. In der Lombardei liegend ist es nicht weit zum Aostatal. Ah, ich schweife schon wieder ab.
An diesem Abend gab es Chardonnay als Thema. Maurizio präsentierte mutig zehn geladenen Freunden 14 Chardonnays aus aller Herren Länder. Blind, eh klar. Alles vertreten damals, von Ramonet über Beringer zu Leeuwin-Estate.
Um es kurz zu sagen: Zwei Weine waren herausragend. Sein eigener 1994er. Und der, welcher die meisten Nennungen als Montrachet bekam (10), nämlich der Chardonnay Cuvée Bois 1994 von Les Crêtes aus dem Aostatal. Er war der Verkostungssieger.
Mein bester Chardonnay der Welt
Seither verfolge ich dieses Weingut regelmäßig, inklusive einiger Besuche vor Ort. Was mich dann zum einzig wichtigen Urteil führte: das ist mein bester Chardonnay der Welt.
Grundsätzlich ist das ja eine Sorte, die einfach zu handhaben ist und leicht reif wird. Sonst hätte das Burgund ja keine Chance. Oder andere Randgebiete mit Extremlagen, welche die Reife außergewöhnlicher Weine nur in langen Vegetationsperioden möglich machen. Wie eben hier – in einem Skigebiet. Und auch nicht in jedem Jahr. Die Familie Charrére begann bereits 1955 im Aostatal mit dem Weinbau. Heute schöpfen Sie aus einer der wichtigsten Quellen für großen Wein – alte Rebstöcke. Und in manchen Jahren gibt es dann wieder so einen unverkennbaren Chardonnay der Marke Überflieger.
45 Minuten und der Spaß war vorbei
Mein letzter Urlaub bescherte mir in einer Vinothek das Glück eine dieser Chardonnay Cuvée Bois 2008 von Les Crêtes zu erstehen. Letzte Woche musste/durfte/wollte/konnte ich diese Flasche knacken. Und ich habe es bereut! 45 Minuten und der Spaß war vorbei, weil keine zweite Flasche da war. Trotz einiger Üppigkeit strahlte der Wein Wärme aus, wie ein Stück Apfelkuchen frisch aus dem Backrohr. Dazu Ananas, Madagaskar-Vanille, Limettenschalen. Cremig im Abgang (Limonensorbet). Aber da blitzt dann diese lebendige Säure auf, die die ganzen Aromen am Leben erhält und jeden einzelnen Schluck zum Erlebnis werden lässt. Kein Millimeter des Weins verleugnet Chardonnay als Rebsorte und Stilistik. Solo getrunken gemahnt er mehr an Überseeweine. Der nachfolgend getrunkene Rebholz Chardonnay „R“ 2008 aber zeigte, dass der Crêtes Wein durch und durch auch mineralisch, knackig und frisch daherkommt und am Gaumen dann diesen Charme mitbringt, der ihn so einzigartig macht. Nicht Übersee, aber doch typisch Chardonnay.
Der Preis ist absolut gerechtfertigt. Ich bin da eher einer, der Wein trinkt, weil er schmeckt. Nicht, weil er nur 3,50 oder 5,99 Euro kostet. Da verzichte ich dann gerne auch auf die eine oder andere Flasche.
- Chardonnay Cuvée Bois 2008 von Les Crêtes für 39,50 Euro.