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Mein Abend mit dem Über-Toskaner

Im Keller von Mazzei.
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Per Zufall spektakulärer Wein im Glas - das  passiert manchmal. Und ist umso schöner, weil man nicht damit gerechnet hat.
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Manchmal spielt mir der Zufall die schönsten Weinerlebnisse ins Glas. Zum Beispiel gestern. Da stand ich vor meiner stundenlang geköchelten Bolognese und stellte fest: kein Wein zum Trinken da. Doof. Ich koche Bolognese immer auf Vorrat und friere dann ein. Sobald das feine Zeug fertig ist, gönne ich mir einen kleinen Teller davon mit cremigen Spaghetti von Martelli. Das ist eine ganz kleine Nudelfabrik bei Pisa, die im Jahr ca. 300 Tonnen Pasta produziert. Bei Barilla rauscht das in wenigen Stunden durch die Maschinen.

Also runter in den schummrigen Keller. Mal sehen, was da noch rumliegt bzw. steht. Ja steht. Denn ich lagere die meisten Flaschen aufrecht. Lest hierzu meinen Artikel:

Soll man Weinflaschen stehend oder liegend lagern?

Ich habe keinen typischen Weinkeller, in dem wohlsortierte und penibel verwaltete Schätze jahrelang vor sich hindämmern. Bei mir waltet eher das Rein-Raus-Prinzip. Es war spät und ich griff nach einem Roten, der irgendwie italienisch wirkt. Nicht lange nachgedacht und wieder rauf in die Wohnung. Die Flasche aufgemacht – plopp. Und hier die erste Überraschung. Was für ein langer Korken! Ein untrügliches Zeichen, für teuren und hochwertigen Wein. Dann erst schaute ich genauer aufs Etikett.

Schluck.

Ich hatte mir den legendären Supertoskaner Siepi der Winzerfamilie Mazzei herausgefischt, die im Chianti Classico das Weingut Castello di Fonterutoli bewirtschaftet. Das spektakuläre Barriquelager ist berühmt und erinnert ein bisschen an den Berliner Hauptbahnhof von Meinhard von Gerkan. Der Siepi ist eine Cuvée aus Sangiovese und Merlot im Verhältnis 50:50 und kann getrost mit der Bezeichnung Supertoskaner versehen werden. Aber wie kam dieser Brummer in meinen Keller? Keine Ahnung.

Meine Bolognese ist ohne Zweifel famos. Ein würziges Kunstwerk aus Samtigkeit, Pikanz, Säuerlichkeit und Frische. Ich fragte mich dennoch, ob so eine Speise der richtige Begleiter für diesen Nobelwein ist. Nun, ich vertrete ja den Standpunkt immer „über“ dem Essen zu trinken. Heißt, besser ein hochwertiger Wein zu einem normalen Essen als umgekehrt. Insofern war die Zufallswahl ok.

Bevor ich mir also mit meiner Pasta die Geschmackspapillen zuschmierte, verkostete ich den edlen Tropfen, der auf diese überraschende Weise in mein Glas gelangt war und schrieb alles fein säuberlich auf: In der Nase starke, konzentrierte Aromen von Sauerkirsche. Nochmal Sauerkirsche. Und nochmal Sauerkirsche. Was für eine schöne frischfruchtige Wucht! Dann Johannisbeergelee, Rauleder, Unterholz, Eichenlaub, Pilze und Gartenkräuter – vor allem würziger Liebstöckel. Ich konnte meine Nase gar nicht mehr aus dem Glas rausziehen. Dann der erste Schluck. Im Mund zunächst konzentrierte Frucht und stolze Säure. Gefolgt von feiner Süßlichkeit, enormer Frische und Beerigkeit. Zweiter Schluck. Der Wein wird immer süßer. Jetzt vollreife Schwarzkirsche. Am Gaumen Toffifee, ein starker Mokka, geröstete Mandeln, wunderschöne Tannine, die mit einer gouvernantenhaften Strenge zugange sind. Dritter Schluck. Jetzt etwas kräutrige Coca-Cola-Süß-Salzigkeit. Und schließlich ein enorm schöner und würziger Abgang voller Saft und Kraft. Hach!

Bleibt noch zu erwähnen, dass meine Bolognese wunderbar zum Wein gepasst hat. Es wurde ein sehr guter Abend.

 

Datum: 1.10.2020
 

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