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Materne & Schmitt: die Mutigen

Janina Schmitt (li.) und Rebecca Materne.
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Weinkenner Thomas C. Golenia hat sich ein bisschen verliebt. In das kleine Weingut zweier Frauen an der nördlichen Mosel.
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Der nördliche Teil der Mosel – im Volksmund auch Terrassenmosel genannt – ist kein Tummelplatz für junge Startup-Weingüter. Ganz im Gegenteil. Die Menschen hier klagen über aufgegebene Weingüter, die den Generationswechsel verpasst haben; über brachliegende Flächen, die kein Mensch mehr will. Selbst zu Schnäppchenpreisen nicht. Kein Wunder. Denn Steillagen und deren Kleinstparzellen, die wie Schwalbennester fast unerreichbar an den Hängen kleben, machen den Moselwinzern das Leben schwer. Der Zeitaufwand, um sie zu bewirtschaften ist immens und weitaus größer als der bei Lagen im Flachland. Schwierig da kostendeckend zu arbeiten. Und wenn, bedeutet das harte Maloche für wenig Geld. Das möchten sich nicht mehr viele antun.

Dennoch tut sich was in der Region. Junge und ehrgeizige Winzer krallen sich an den steilen Hängen fest und erschaffen Weine von erstaunlicher Brillanz. Oft sind es Zugezogene, die das schwere Erbe als Herausforderung betrachten. Rebecca Materne und Janina Schmitt gehören dazu. Sie fingen dort an, wo andere aufgaben. Sie gründeten ein Weingut an der Terrassenmosel. Dort, wo sich die beschwerliche Arbeit nach weitläufiger Meinung nicht mehr lohnt. Wo die Alten abtreten und die Jungen gar nicht erst wollen.

Aber Materne und Schmitt sind jung. Und wollen was. Nur eines schließen beide aus: Weine für das Ramschsegment zu produzieren. Riesling Spätlesen mit Goldener Kammerpreismünze für 5,95 Euro als Touristenmitbringsel wird es mit ihnen nicht geben. Der Konsument muss bereit sein, die aufwendige Arbeit im Hang und die Qualität in der Flasche angemessen zu entlohnen. Das bei ihren Weinen zu erreichen, ist ihre Mission. Was Rebecca Materne und Janina Schmitt an die verschlafene Terrassenmosel verschlug, ist schnell erzählt.

Beide lernten sich in der Fachhochschule Geisenheim kennen. Nach getrennten Zwischenstationen in ganz Europa bewarben sie sich als Kellermeisterinnen bei Reinhard Löwenstein, dem Platzhirschwinzer und Bücherschreiber aus Winningen. Rebecca Materne: Janina und mich gab es damals nur im Doppelpack.

Der gute Reinhard Löwenstein hat seit jeher ein Faible für weibliche Kellermeister und ließ sich darauf ein, teilte die Stelle und gab beiden den Job. Trotzdem ließ sie der Traum vom eigenen Weingut, vom eigenen Chefsein nicht mehr los. Von Tippgebern vor Ort geleitet suchten sie kleinere Lagenstücke bei Winningen wie Puzzleteilchen zusammen; teils aus aufgegeben Flächen, teils aus Parzellen, die ihr damaliger Arbeitgeber Heyman-Löwenstein nicht mehr wollte. 2012 fingen sie mit mickrigen 0,7 Hektar an. Aktuell stehen sie bei zwei Hektar. Verwilderte Steilhänge kamen hinzu, weitab der renomierten Winninger Lagen, beispielsweise im Lehmener Lay, den beide im Januar 2014 über Wochen hinweg aufwändig von Büschen und Sträuchern befreiten.

Momentan haben Materne & Schmitt 7 Weine im Programm. Von Trauben ihrer verstreuten Lagen aus Winningen oder Kobern. Mir hat besonders der Koberner Riesling gefallen. Ein Riesling, der für mich den modernen, kräftigen Moselstil widerspiegelt und sich nicht um die süßen Mosel-Old-School-Kabinette mit 7% Alk schert, die viele leider nicht mehr trinken wollen. Im Glas kräftige und strohgelbe Farbe. Ein leichter Ton von Spontanvergärungsnoten am Riecher. Dazu nasser, geriebener Grauschiefer, verhaltene Frucht, abgelutschter Pfirsichkern, pürierte Mango. Im Mund erstaunlich charmant. Feinwürzige Frucht, etwas Zimtstange, junge zartsäuerliche Ananas und gesüßter Pfefferminztee. Dazu deutlicher Schmelz ohne süß zu wirken, sehr gute Länge. Kann man im Keller reifen lassen, muss man aber nicht, weil er schon jetzt großen Spaß macht. Ein eigenständiger wie würdiger Vertreter der neuen Terrassenmosel.

Fragt man hier benachbarte Winzer, sind viele froh, dass überhaupt jemand die alten, brachliegenden Lagen bearbeitet, sie nutzt und pflegt und ihr Potenzial erkannte. Als ungeliebte Konkurrenz werden die beiden Neugründerinnen hier nicht gesehen. Eher wie eine willkommene Frischzellenkur. Gut für alle. Win-Win.

 

Datum: 30.10.2020 (Update 1.11.2020)
 

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