Der nördliche Teil der Mosel – im Volksmund auch Terrassenmosel genannt – ist kein Tummelplatz für junge Startup-Weingüter. Ganz im Gegenteil. Die Menschen hier klagen über aufgegebene Weingüter, die den Generationswechsel verpasst haben; über brachliegende Flächen, die kein Mensch mehr will. Selbst zu Schnäppchenpreisen nicht. Kein Wunder. Denn Steillagen und deren Kleinstparzellen, die wie Schwalbennester fast unerreichbar an den Hängen kleben, machen den Moselwinzern das Leben schwer. Der Zeitaufwand, um sie zu bewirtschaften ist immens und weitaus größer als der bei Lagen im Flachland. Schwierig da kostendeckend zu arbeiten. Und wenn, bedeutet das harte Maloche für wenig Geld. Das möchten sich nicht mehr viele antun.
Dennoch tut sich was in der Region. Junge und ehrgeizige Winzer krallen sich an den steilen Hängen fest und erschaffen Weine von erstaunlicher Brillanz. Oft sind es Zugezogene, die das schwere Erbe als Herausforderung betrachten. Rebecca Materne und Janina Schmitt gehören dazu. Sie fingen dort an, wo andere aufgaben. Sie gründeten ein Weingut an der Terrassenmosel. Dort, wo sich die beschwerliche Arbeit nach weitläufiger Meinung nicht mehr lohnt. Wo die Alten abtreten und die Jungen gar nicht erst wollen.
Aber Materne und Schmitt sind jung. Und wollen was. Nur eines schließen beide aus: Weine für das Ramschsegment zu produzieren. Riesling Spätlesen mit Goldener Kammerpreismünze für 5,95 Euro als Touristenmitbringsel wird es mit ihnen nicht geben. Der Konsument muss bereit sein, die aufwendige Arbeit im Hang und die Qualität in der Flasche angemessen zu entlohnen. Das bei ihren Weinen zu erreichen, ist ihre Mission. Was Rebecca Materne und Janina Schmitt an die verschlafene Terrassenmosel verschlug, ist schnell erzählt.
Beide lernten sich in der Fachhochschule Geisenheim kennen. Nach getrennten Zwischenstationen in ganz Europa bewarben sie sich als Kellermeisterinnen bei Reinhard Löwenstein, dem Platzhirschwinzer und Bücherschreiber aus Winningen. Rebecca Materne: Janina und mich gab es damals nur im Doppelpack.
Der gute Reinhard Löwenstein hat seit jeher ein Faible für weibliche Kellermeister und ließ sich darauf ein, teilte die Stelle und gab beiden den Job. Trotzdem ließ sie der Traum vom eigenen Weingut, vom eigenen Chefsein nicht mehr los. Von Tippgebern vor Ort geleitet suchten sie kleinere Lagenstücke bei Winningen wie Puzzleteilchen zusammen; teils aus aufgegeben Flächen, teils aus Parzellen, die ihr damaliger Arbeitgeber Heyman-Löwenstein nicht mehr wollte. 2012 fingen sie mit mickrigen 0,7 Hektar an. Aktuell stehen sie bei zwei Hektar. Verwilderte Steilhänge kamen hinzu, weitab der renomierten Winninger Lagen, beispielsweise im Lehmener Lay, den beide im Januar 2014 über Wochen hinweg aufwändig von Büschen und Sträuchern befreiten.
Momentan haben Materne & Schmitt 7 Weine im Programm. Von Trauben ihrer verstreuten Lagen aus Winningen oder Kobern. Mir hat besonders der Koberner Riesling gefallen. Ein Riesling, der für mich den modernen, kräftigen Moselstil widerspiegelt und sich nicht um die süßen Mosel-Old-School-Kabinette mit 7% Alk schert, die viele leider nicht mehr trinken wollen. Im Glas kräftige und strohgelbe Farbe. Ein leichter Ton von Spontanvergärungsnoten am Riecher. Dazu nasser, geriebener Grauschiefer, verhaltene Frucht, abgelutschter Pfirsichkern, pürierte Mango. Im Mund erstaunlich charmant. Feinwürzige Frucht, etwas Zimtstange, junge zartsäuerliche Ananas und gesüßter Pfefferminztee. Dazu deutlicher Schmelz ohne süß zu wirken, sehr gute Länge. Kann man im Keller reifen lassen, muss man aber nicht, weil er schon jetzt großen Spaß macht. Ein eigenständiger wie würdiger Vertreter der neuen Terrassenmosel.
Fragt man hier benachbarte Winzer, sind viele froh, dass überhaupt jemand die alten, brachliegenden Lagen bearbeitet, sie nutzt und pflegt und ihr Potenzial erkannte. Als ungeliebte Konkurrenz werden die beiden Neugründerinnen hier nicht gesehen. Eher wie eine willkommene Frischzellenkur. Gut für alle. Win-Win.
ICH will mosel old school kabinette trinken. materne und schmitt mag ich aber auch; zb mittags im hochgeschaetzten koblenzer bistro filip, zum wachbleiben nach dem gabelfruehstueck
Sprudelmaat Maskow!
Sie sind ja auch Freak & Nerd und daher eine verschwindend kleine Käufergruppe und für den Händler unwichtig. Glauben Sie mir, das Old-School-Kabinettzeugs interessiert im klassischen Einzelhandel kaum noch. Völlige Nische, wenn überhaupt. Und ich sehe noch nicht mal einen hippen Retrotrend am Horizont.
Ich liebe den Weinstil aus der Mädchenschule, (sorry, Janina und Becci, der Ausdruck ist nicht von mir!) aber ich wiederspreche aufs schärfte der Aussage, dass der „old school Kabinett“ mit 7 oder 8 Volt ausgedient hat! Bei mir auf dem Weingut ist das immer noch das wichtigste Produkt im Sortiment und das aus gutem Grund! Es gibt gar keinen modernern Wein als das „Kabinettzeugs“! Die Leute liegen leichte Weine und sie passen hervorragend zur hippen crossover-Küche. Wer das übersieht ist ein Banause oder sollte vielleicht mal sein Schiff nicht nur auf der Spree gondeln lassen, sondern die Weltmeere besegeln!
Winzermatrose Vollenweider,
mit Verlaub, aber ich glaube, sie haben da etwas falsch verstanden.
Was den Kabinett betrifft, ist des doch so, dass die Moselwinzer doch immer häufiger auf Prädikate verzichten, und wenn, aktivieren sie die eher für Spät- und Auslesen, bzw TBAs.
Das er total ausgedient hat, habe ich nicht geschrieben.
Nur sehe ich die Sache mehr aus Sicht des Handels und des klassischen Weintrinkers. Und da interessiert deutsche Kabinette wirklich nur eine verschwindend kleine Käuferschicht. Und selbst die rechne ich noch stark zu den Kennern, den Freaks. Also genau Ihre Zielgruppe (und das möchte ich nicht abwertend verstanden wissen)! Sie, Herr Vollenweider, genießen ja in der Szene einen hervorragenden Ruf. Ihre Weine stehen der alten Traditionen der Mosel nahe. Und die werden durch Ihre Weine weiterhin kultiviert, was ich begrüße. Das bei Ihnen dann solche old-school-7%-Kabinette noch stark nachgefragt werden, wundert mich nicht.
Ich habe es allerdings extrem Selten hinter der Theke erlebt, dass Kunden zielgerichtet Kabinett mit 7, 8 Volt im Laden verlangen. Auch nicht im Sommer. Dieser Kelch geht, wenn Wein leicht und frisch sein soll, an den Rosé. Der Kunde unterscheidet in der Mehrheit zwischen trocken und süß, zwischen wenig Säure und viel Säure. Lecker schmecken soll er oder zum Essen passen. Prädikate? Kabinett? Hä? Was ist das denn? Spätlesen sind doch alle süß, oder?
Kann natürlich alles anders sein, aber das sind meine Beobachtungen zum Thema Kabinette von der Mosel und im Handel.
Sollen wir auf den Kabinett verzichten, weil es in diesem Land einige ignorante Pfeifen gibt, die das simple Prädikatssystem nicht verstehen? Ich finde, diese Leute sollten schleunigst aus dem menschlichen Genpool entfernt werden.
werner, es geht nur um wein.
Ich empfehle dringend, Goleniasche Aussagen zum Einzelhandel ernst zu nehmen. Ich kann es beurteilen, er hat mich – vor Äonen – eingearbeitet.
Werner, wer redet denn von verstehen? Es INTERESSIERT 98% der Kunden im Laden nicht.
Obwohl, verstehen ist auch wieder so eine Sache. Prädikate sind für Kunden kaum vermittelbar. Weil sie geschmacklich für alles und nichts stehen. Kabinett beispielsweise kann alles sein. Trocken, süß, ganz leicht, bis normal im Alk. Sorry, das verstehen viele nicht oder wollen es nicht verstehen, weil sie einfach nur Wein trinken wollen. Und das kann ich gut verstehen.
Wenn sie einfach nur Wein trinken wollen, Thomas, dann sammelt doch die Reste von unseren Proben einfach in einen großen Behälter und füllt die „Cuvée“ in eine Pferdetränke.
Werner, Du kannst auch deutsche Weine genussvoll trinken, ohne die Prädikate auseinander halten zu können. Genau so wie man spannend Schach spielen kann, ohne alle Eröffnungen im Kopf zu haben.
Möglichweise sprechen wir tatsächlich etwas an einander vorbei. Das Forum hier richtet sich doch in erster Linie an Leute, die sich Gedanken darüber machen, was sie trinken. Der Adressat für den sehr guten Materne & Schmitt Bericht ist ja auch nicht der 08/15 Weintrinker. Also nach meiner Einschätzung weiss der interessierte Weintrinker durchaus was mit dem Begriff Kabinett anzufangen. Nicht um sonst verkaufen Weingüter wie Immich-Batterieberg ihrem Basiswein CAI als Kabinett oder Clemens Busch hat bei allen trockenen Weinen das Prädikat abgeschafft, aber nicht beim Kabinett! Und auf dem internationalen Parkett ist der Kabinett super eingeführt. Als leichter, nicht angereicherter Wein. Das einige Weingüter Kabinette mit 13% Alkohol füllen ist missbrach und der Begriffdefinition natürlich nicht förderlich. Aber es gibt überall schwarze Schafe.
Aber eigentlich ging es mir bei meiner Kritik um den Verriss des leichten süssen Mosel-Riesling, der tatsächlich auf dem Deutschen Markt kaum mehr Bedeutung hat. Dafür um so mehr im Ausland. Es ist nach meiner Einschätzung eine Spielart der Mosel, für die es sich auf jeden Fall lohnt eine Stange zu brechen! Die Weine sind hervorragend zum Aperitiv und zu sehr vielen Speisen, die kräftig gewürzt sind. Eigentlich kann eine moderne Küche mit Einflüssen aus der ganze Welt gar nicht ohne diesen Weinstil auskommen. Restsüsser Kabinett von der Mosel ist ein sehr moderner Wein und dass der Wein im Deutschen Fachhandel keine Bedeutung mehr hat, liegt nicht an der Qualität des Produktes, sondern an der mangelden Beratungskompetenz der Verkäufer! Es gibt einige Beispiele von Händlern, die durchaus beweisen, dass der Wein funktioniert.
Es scheint wirklich einige Unterschiede in der Wahrnehmung zu geben zwischen Old-School-Kabinett im Ausland und im Inland. Ein interessantes Thema, zu dem ich mich hier mal näher beschäftigen möchte. Ich werde dazu einmal Statistiken hinzuziehen, was Kabinette von der Mosel angeht.
„Intension“? „Intension wie Extension, nur umgekehrt?