Der Captain musste eine Pause einlegen. Jetzt ist er wieder frisch. Ein schrecklicher Traum hat ihn stark beschäftigt, sodass an kreatives Schreiben nicht zu denken war. Es ging um einen Sommelier des Teufels: Adolf Hitler, und der Captain ist mit seiner Geschichte verstrickt. Er ist immer noch viel zu aufgewühlt, um von diesem Nachtmahr zu berichten. Vielleicht in einem der nächsten Newsletter.
Zur Beruhigung trägt ein köstlich-frischer Abendwein bei. Es ist der vollmundige und für seine Rebsorte (bzw. was gemeinhin daraus gemacht wird) ziemlich untypische → Albariño Atlántico Rias Baixas von den Bodegas Mar de Frades im nordwestspanischen Galizien.
Albariño wird gelegentlich mit Riesling verwechselt. Lange Zeit hieß es sogar, dass es eine genetische Verwandtschaft zwischen Riesling und der iberischen Traube gebe. Diese Vermutung drängt sich zudem etymologisch (Etymologie = Herkunft der Wörter) auf. Alba Riño = Weißer vom Rhein. Ist aber komplett falsch. Keine Verwandtschaft. Das ist bewiesen.
Vielmehr ist der Albariño (in Portugal Alvarinho) eher mit den Sorten Sauvignon Blanc, Weißburgunder und Petit Manseng verwandt. So viel zur Geschichte.
Eine Parallele jedoch zum Riesling ist nicht von der Hand zu weisen: Dort, wo der Albariño herkommt, ist es oft feucht. Denn das Mutterland dieser Rebsorte (die in Portugal eine Stütze des Anbaugebiets Vinho Verde ist) liegt in den Rías Baixas im saftig-grünen Galizien. Das ist jene Ecke Spaniens nördlich von Portugal, wo tiefe Fjorde ins Land schneiden und die Winde nasse, salzige Luft über die Reben fächeln. Sonne ist hier kein großes Thema, aber das hält der Albariño aus. Geologisch dominiert Granitboden, der ein mineralisches Mundgefühl erzeugt.
Mein köstlicher Premium-Albariño kommt von einer ziemlich großen Weingutsgruppe, der 150 Weinbauern Trauben zuliefern. Man experimentiert auch mit modernen Ausbaumethoden rum, zum Beispiel der gerade sehr hippen Reifung in Granit (siehe Bild oben), die erstaunliche Ergebnisse liefert. Hat der Captain schon probiert.
Dieser substanzvolle Wein ist allerdings modern-traditionell im Stahlfass gereift. Er sieht aus wie Riesling, riecht wie Riesling. Und ist Albariño: Im Glas sattes Gelb. In der Nase enorm würzig, reif und gelbfruchtig. Intensive Noten von gelbem Apfel, Kerngehäuse und sonnenwarmer Grapefruit. Im Mund konzentriert, zartbitter und sinnlich-schön nach Mandarine, Grapefruit, Zuckermelone und zarten Mandelnoten. Ein außergewöhnlich intensiver Sommerdrink.
Hier winkt die Chefin des Weinguts:
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Das Etikett des Albariño Atlántico Rias Baixas ist übrigens eine High-Tech-Entwicklung, die angeblich dabei hilft, den Wein bei der richtigen Temperatur zu genießen. Es wurde nämlich mit wärmeempfindlicher Tinte bedruckt, sodass ein blaues Schiff auf den Wellen des Logos erscheint, wenn das Getränk unter 11°C kalt ist. Dann soll er am besten schmecken. Keine Ahnung, ob der Trick funktioniert. Der Captain erfuhr von diesem Gag erst, als die Flasche längst im Altglas lag. Und außerdem – am besten testet man Weißwein, wenn man ihn warm werden lässt. Wenn er dann noch immer angenehm schmeckt, ist er gut. Denn mit der Wärme treten die Schwächen zutage. Zum Beispiel schlecht eingebundener Alkohol, der dann brandig schmeckt. Tut der Albariño Atlántico Rias Baixas nicht. Ich habe ihn stundenlang bei Zimmertemperatur stehen gelassen und er wirkte beim Nachverkosten immer noch frisch.