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Mahlzeit! Was die Tester bewegt.

Manche Kreation der Spitzengastonomie kommt gar nicht so abgehoben daher.
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Der Captain nagt noch an einem Rebhuhnbein, da schickt sein Kollege Wolfgang Faßbender einen Text über Michelin und Millau auf das Schiff. Was gibt es wirklich Neues?

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Wir müssen uns die Cheftester von Michelin und GaultMillau als vor sich hinzweifelnde und unablässig grübelnde Menschen vorstellen. Gute Kreationen hin, tapsige Oberkellner her – aber die entscheidende Frage lautet ja doch: Wo ist der Trend?

Stunden- und tagelang wird er grübeln, der Verantwortliche hier oder dort, und dann entscheiden, wem er eine Aufwertung gönnt und wer noch mal vor der Abwertung bewahrt bleibt.

Der Tester in charge hat es nicht leicht. Weshalb ein bisschen Mitleid angebracht ist. Eine allzu mutig getroffene Entscheidung wird womöglich in zwei, drei Jahren von der Realität ad absurdum geführt. Nicht auszuschließen, dass die Kür von Daniel Achilles zum GaultMillau-Koch des Jahres irgendwann als ebenso albern angesehen werden könnte wie die einst im molekularen Rausch vorgenommene Ernennung von Juan Amador zum Drei Sterne-Chef. Ich würde mich wundern, wenn die Leute vom Guide Michelin nicht längst überlegen würden, wie sie aus letztbeschriebener Nummer wieder rauskommen, ohne das Gesicht zu verlieren.

Als neuester Trend scheint bei den beiden „großen Guides“ zu gelten, dass Köche, die Jahrhunderte lang vergeblich auf die angemessene Auszeichnungen warteten, nun doch noch eine erhalten. Jörg Sackmann in Baiersbronn wurde soeben mit dem zweiten Stern ausgezeichnet – und an diese Überraschung hat doch wohl niemand mehr geglaubt, der halbwegs bei Trost ist.

Rustikales unerwünscht.

Eine richtige Entscheidung übrigens, aber warum kommt sie so spät? Gerüchteweise, weil die Michelin-Teppichetage bislang sauer war auf die eher rustikalen Speisen, die halt auch aus der Sackmann-Küche kamen. Wenn das stimmte, wäre es Blödsinn. Und ob es stimmt, prüfen wir nächstes Jahr nach. Falls dann der andere lange missachtete Koch Baden-Württembergs, Josef Bauer aus Rosenberg, nicht seinen zweiten Stern erhält, was außer den Michelinmännchen praktisch alle übrigen Fachleute erhoffen, pfeffern wir die „rote Bibel“ ungelesen in die Ecke. Aber wahrscheinlich probiert man beim Michelin nächstes Jahr doch wieder einen anderen Trend aus.

Apropos. Der GaultMillau probiert diesmal neben dem Trend zur eigenständigen Küche (den ich, was zum Beispiel Achilles betrifft, sehr richtig finde) auch die Mode aus, Fernsehköchen wie Henssler einen reinzuwürgen. Dagegen ist nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Aber es wäre noch logischer, wenn man die Herren nicht früher unnötigerweise über den Klee gelobt hätte.

Locker drei Sterne? Der Captain zweifelt…

So, wie man es nach wie vor noch mit ein paar älteren Koch-Stars tut, egal, ob sie im TV auftreten oder nicht. Nein, die Rede ist nicht vom bescheidenen Grandseigneur in der Traube Tonbach, der meiner Meinung nach immer noch locker drei Sterne und die beinah 20 Punkte verdient hat, sondern eher von der Herxheimer Krone (wirklich besser als Kollege Neugebauer aus dem Schwarzen Hahn?) oder von Heinz Winkler (tatsächlich 19 – also spannender als das Falco in Leipzig?). Und ist die Küche bei Tim Raue wirklich komplexer als im Essigbrätlein? Oder nur cooler? Nicht dass man jeden und alle abkanzeln müsste, nicht dass es in dieser Hinsicht in anderen Ländern (Frankreich, Schweiz) nicht noch schlimmer wäre – aber wenn sich im nächsten Jahr da und dort der Trend zum Entfernen verwelkter Lorbeeren abzeichnen würde, hätte ich nichts dagegen.

Andere Trends dürfen ersatzlos entfallen. Jener zur Prämierung alberner Speisentitel etwa. „5716 Kilometer bis nach Timbuktu“ (im Düsseldorfer Victorian) sind dem GaultMillau tatsächlich eine sprachlich bedenkliche Jubelei („genüssliche Mondäne“) und die Ehrung als Aufsteiger des Jahres wert.

Sexy scheint man beim GaultMillau offenbar immer noch zu finden, dass die Kritiken in sehr unterschiedlichem Maße nachvollziehbar sind – je nach Region. Man spürt schnell, in welcher Gegend gute Tester seriöse Arbeit verrichten und wo sich schlemmende Veteranen, von Gastronomen bisweilen als alte Bekannte angezwinkert, nach eigener Laune austoben.

Aufräumen steht aus.

Und wo sich was geändert hat, wird auch klar. In Bonn hat Halbedel endlich einen auf die Kochmütze bekommen – was schon vor Ewigkeiten fällig gewesen wäre und nur durch ignorante Leidenschaft fürs In-Watte-Packen verhindert wurde. Anderswo steht das Aufräumen noch aus. Aber weil Cheftester nicht nur zweifeln, sondern auch gut schlafen wollen und weil deren Stellenausschreibungen nie die Anforderung „geborener Revolutionär“ enthalten, dürfen wir da bei realistischer Betrachtung keine Wunderdinge erwarten.

Der Captain vertritt meist eine andere Meinung (vor allem bei Wohlfahrt und Amador). Und stimmt zu (vor allem bei Bauer in Rosenberg). Doch auf dem Schiff zählt die Vielfalt der Meinungen.

 

Datum: 14.11.2013
 

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