Zuerst: Ein großartiger Wein. Ein Erlebnis. Der Grüne Veltliner „M“ von F.X. Pichler aus der Wachau in Niederösterreich. Der alte Grantler Pichler.
Pichler ist „der“ Star der Wachau, wiewohl andere Winzer, wie Namensvetter Rudi Pichler, Knoll, Altmann (Jamek), Prager, oder Hirtzberger gleichwertig gute Weine keltern (und auch alle verkaufen), ist Franz Xaver Pichler aus heute nicht mehr näher nachvollziehbaren Gründen zum prominentesten Weinmacher der Wachau geworden. Mittlerweile ist er fast 70. Und immer noch ein fesches Mannsbild.
Grüner Veltliner – Ausnahmewein
Im Glas ein öliger Wein mit deutlichen Schlieren. In der Nase dann Kälte und Mineralik, deutliche Zitrustöne, Wiesenhonig, ein Raumspray nach Tannen duftend, etwas Rauke, geräucherter Speck, kalter gewaschener Aschenbecher in einem Lokal das gleich schließt, etwas nasses Wischtuch, Löwenzahn, Kamille und Kleenex Tissue (das aus der Box), nachfolgend auch Minze.
Im Mund Zitronendrops, Eibisch (auch in der Nase), Diamant, Kristall, Kiesel, Schiefer. Später ein Hauch einer sehr guten Räuchersuppe. Am Anfang ein langer Nachhall, ein direkter, gewaltiger Wein, der den nebenbei dazugestellten Chassagne Montrachet 1996 von Bernhard Morey auf die Plätze verweist, ein eindeutiger Sieger, eine Granate, „das“ pure Trinkvergnügen, ein Hammer, eine Wucht, Größe, Traum, Kotau.
Und nach zwei Stunden war er tot. Aber egal, weil ausgetrunken. Der Chassagne hielt im Glas. Auch egal, weil auch ausgetrunken.
Grüner Veltliner und Österreich: Eine Ehe, die hält
Dieser enorm vergnügliche Wein aus einem mittelmäßigen Weinjahr lässt Fragen aufkommen, die den Captain schon lange bewegen.
1.) Wer braucht österreichischen Riesling, wenn er so einen tollen, sortentypischen, perfekten und derart im Land geerdeten Sensationswein wie diesen Veltliner haben kann? Kein österreichischer Riesling, auch die besten, machen dem Captain solch ein Vergnügen, wie die fantastischen Veltliner des Landes. Vor allem dieser „M“.
2.) Soll man mächtige Weine aus (nicht nur) mittelmäßigen Jahren nicht einfach in den Keller legen und in einen anderen Zustand kommen lassen? Ist das Gerede, einen schlechten Jahrgang schnell wegtrinken zu müssen, grundfalsch (wir reden hier nur von Premiumweinen). Dieser „M“ war im Jahre 2002 ein fader Saft, der kein Vergnügen bereitete. Freilich halten Weine aus fragwürdigen Jahren nicht lange im Glas. Doch diese Stunde Vergnügen wiegt alles wieder auf.
3.) Sollten die österreichischen Winzer nicht mehr noch von diesen Premiumweinen produzieren? Die gegenwärtige Menge reicht ja nicht mal für den Inlandsmarkt aus. Richtige Premiumveltliner wie dieser „M“. Und nicht etwas In-Between. Wird hier wieder versäumt und vergeben, wie es in Österreich so oft der Fall ist?
Also…?
ad 1.: Zustimmung bis auf eine Ausnahme – Emmerich Knolls Rieslinge schlagen für meinen Geschmack seine fabelhaften Grünen Veltliner und sind derart eigenständig, wie sonst kein anderer österr. Riesling.
ad 2.: Jein, ich habe schon grandiose deutsche Rieslinge (restsüße!) aus 1991 und 1992 getrunken, aber deutlich weniger gute als schlechte. Dito 1996, 2004.
ad 3.: Nein! „Premium“ bedeutet immer auch mehr Alkohol und genau das braucht weder Grüner Veltliner noch Riesling oder Silvaner. Alle drei Sorten gefallen mir im trockenen Bereich mit 12 – 13 % vol. deutlich besser als die Dickschiffe. Zwar verträgt insbesondere GV eine gute Portion Alkohol viel besser als der Riesling, aber notwendig ist das nicht. Bestes Beispiel der 07er Lamm von Schloss Gobelsburg, den es am WE zum Essen gab. Ein Prachtkerl, aber deutlich zu viel Alkohol.
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tolle wein beschreibung (degu notiz). alle achtung.
Wie schmeckt eigentlich Diamant?
Weinbeschreibungen wie ein Tom Waits Song…