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Kreisch!!! Der Primeur ist wieder da!

Kreisch! Wieder der Primeur! (Foto: Wikipedia)
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Die letzten Rülpser der Federweißer-Community sind kaum verklungen, da naht bereits die nächste Katastrophe. Ab dem dritten Novemberwochenende werden frankophil gestylte Plakate und Tischkärtchen ankündigen: „Voilà, Le Beaujolais Primeur est arrivé“. Und bereits jetzt sind die Trittbrettfahrer dieses Geschmacksverbrechens unterwegs. Selbst seriöse Weinhändler kapitulieren vor dem schlechten Geschmack ihrer Kunden und bieten allerlei „Primeurs“ und unter „Novello“, „Nuevo“ oder „Early“ firmierende Trittbrettfahrer aus Italien, Spanien, Südafrika und inzwischen auch Deutschland an.

Das Zeug schmeckt bestenfalls nach nichts, aber in den meisten Fällen ziemlich eklig. Durch Vergärung im Schnellgang (vier Tage) nebst reichlich Kohlensäurezufuhr und Erhitzung enthalten diese „Rotweine“ weder typische Aromen noch Tannine, dafür aber oft jede Menge scharfer Zitrusnoten und Bitterstoffe. Oft schmecken Primeurs vordergründig nach unreifer Banane und Schwefel, und schon nach wenigen Wochen Lagerung kommt ein furchtbarer Essigstich dazu. Nach dem Verzehr sind die Kopfschmerzen fast so schlimm, wie beim Federweißen.

Franzosen änderten sogar das Weinrecht für Primeur

Seit 1951 gibt es diesen Unfug. Dafür änderten die ansonsten in Genussfragen recht traditionsbewussten Gallier 1951 sogar ihr Weinrecht und erlaubten den Winzern des Beaujolais, ihren neuen Wein schon ab dem dritten Novemberdonnerstag des Lesejahres in den Handel zu bringen. Dass damit der Ruf dieser Weinregion nachhaltig ruiniert wurde, hat man offenbar in Kauf genommen. Zur Kompensation des Imageverlustes gab es ja immerhin Millionen bekloppter Japaner, Deutscher, US-Amerikaner, Briten und Skandinavier (so die Reihenfolge der Hauptabnahmeländer), die Jahr für Jahr bis zu 50 Millionen Liter dieser Plörre in sich reingossen.

Primeur zieht beim Deutschen nicht mehr

Doch allmählich scheint der Lack ab zu sein. Erstaunlicherweise wollen ausgerechnet die Deutschen, denen man anscheinend ja fast alles schmackhaft machen kann, dieses Zeug nicht mehr trinken. Wurden 1998 hierzulande noch über 11 Millionen Flaschen abgesetzt, was fast 20 Prozent der gesamten Exportmenge entsprach, waren es zehn Jahre später nur noch 1,7 Millionen. Selbst Weinmarktführer Aldi ist mittlerweile aus der Primeurvermarktung ausgestiegen.

Das ist vielleicht ein kleiner Hoffnungsschimmer. Denn im Beaujolaisgebiet werden durchaus anständige bis sehr gute Weine fabriziert, fast ausschließlich aus der Rebsorte Gamay. Und das zu – dank des ruinierten Rufes – äußerst verträglichen Preisen Zehn Lagen sind als „Crus“ definiert. Es gibt jede Menge zu entdecken. Z.B.den 009 Morgon AC „Grand Cras“ vom Château de Pizay. Trotz Stahltankausbau nicht nur vordergründig beerenfruchtig, sondern durchaus komplex mit satten Tanninen, erdigen und steinigen Noten. Entwickelt sowohl leicht gekühlt als auch wohl temperiert seinen eigenen Charme.

Kalte Muschi: Dornfelder findet eine neue Bestimmung

Eingefleischten Primeur-Trinkern ist in der Regel weder mit diesem empfohlenen noch mit anderen Weinen zu helfen. Im Vergleich zur Teilnahme an Angriffskriegen, dem Handel mit Derivaten oder dem Bau von Atomkraftwerken ist ihr Vergehen allerdings vergleichsweise gering. Aber sie sollten konsequent sein.

Allen Freunden turbovergorener Pseudoweine mit Bananengeschmack sei hiermit ein Supergetränk empfohlen: Eine Firma namens TSAG OHG bietet seit Jahren erfolgreich eine Mischung aus Dornfelder und Cola namens „Kalte Muschi“ an. Dabei soll es sich laut Lebensmittelzeitung um „das offizielle Kaltgetränk des FC St.Pauli“ handeln. Immerhin findet Dornfelder auf diesem Weg zu einer angemessenen Verwertung. Und wenn man sich in die „Kalte Muschi“ auch noch einen anständigen Schluck Primeur kippt, hat man das definitive Mega-Kultgetränk.

  • 2009 Morgon AC „Grand Cras“ vom Château de Pizay für 9,95 Euro.
 

Datum: 17.11.2011 (Update 18.9.2014)
 

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