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Jungwein? Nie! Mit einer Ausnahme

Nicht Kalifornien, sondern Österreich, 30 km südlich von Wien.
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Heute kommt der "Buscholäh Nuwoo". Die Gamay-Plörre kann dem Captain gestohlen bleiben. Wie der Jungwein generell. Mit einer Ausnahme. Ein Rotwein. Ausgerechnet aus Niederösterreich.
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Es ist November. Und schon stehen die Konsumenten im Laden und verlangen Weine aus dem aktuellen Jahrgang. Die Ernte, so hört man, ist ja schon abgeschlossen, die Trauben gepresst. Auch die Gärung sollte eigentlich fertig sein. Warum ist der Wein noch nicht im Handel?

Ist er doch. Es gibt schon seit einigen Tagen diverse Jungweine zu kaufen. Und demnächst, am dritten Donnerstag im November, kommt auch der Beaujolais Nouveau auf den Markt, dieses schreckliche Gesöff aus Gamay-Trauben, eine Sorte, die vor allem durch ihren billigen Bonbon-Geschmack auffällt – wie Coca-Cola.

Ganz grotesk wird es aber, wenn im Juli südafrikanischer Sauvignon aus dem aktuellen Jahrgang angeboten wird. Findige Weinhändler haben vor Jahren entdeckt, dass die Weine vom Kap den Jungweinwahn der Deutschen noch vor Ablauf der Ernte befriedigen können. Als wäre die Jugend des Weins ein Kriterium für seine Qualität. Ist sie nicht!

Jungwein: Da ist man auf der sicheren Seite

Früher war es das Alter. Ein Wein war besser, je älter er war. Das war eine Regel, die jeder kannte. Sie galt auch für viele Weißweine, etwa für Montrachets aus Burgund oder Rieslinge aus dem Elsass. Und sie war Schwachsinn, denn nicht jede Traube produziert Weine, die lange lagerfähig sind. Und nicht jede Produktionsmethode ist für eine Verweildauer in dunklen Kellern angelegt. So kam es zu mancher Enttäuschung, etwa als der zehn Jahre alte Lemberger aus Württemberg zu Essig verkommen war. Oder auch der einfache Riesling von der Mosel. Das machte die Konsumenten misstrauisch. Sie trinken nur mehr junge Weine. Und sind so auf der sicheren Seite.

Der Captain trinkt kaum junge Weine. Und wenn, dann nur zum Verkosten, zum Einschätzen, was der Wein kann. Und was er können wird. Selbst einfache Gutsrieslinge lässt der Captain 2-3 Jahre liegen. Das tut den Weinen gut.

Und so holt der Captain auch schnell seine Ohropax raus, wenn wieder wer von Jungwein plärrt. Doch halt! Nicht lügen! Einen Wein trinkt der Captain nur jung. Die einzige Ausnahme, die er gelten lässt. Und die kommt ausgerechnet aus Niederösterreich.

Das Weingut Johanneshof der Familie Reinisch will ein kleiner Mondavi sein, hier keltert man anspruchsvolle und dennoch allgemein verständliche Weine. Wenig Experimente und ein klarer Hang zu Fülle, Wärme und sattem Geschmack. Das mag zwar im Augenblick nicht unbedingt mit der Avantgarde des Weinbaus kombinieren, ist aber auf längere Sicht der bessere Weg, das Image zu festigen. Und Reinisch hat ein gutes Image, viele Weine laufen von selbst. Nicht nur in Österreich.

Thermenregion – immer noch unentdeckt

Der Johanneshof steht im völlig uninteressanten Tattendorf, südlich von Wien. Selten ist es wo langweiliger, doch selten gibt es in Österreich einen so guten Boden, wie hier in der so genannte Thermenregion. Der Grund: Heiße Quellen wärmen den Boden, im Winter friert selten nur die Erde, die Trauben reifen schneller, die Rotweine werden mediterraner. Die Thermenregion ist ein kleines, immer noch unentdecktes, internatonal vergleichbares Spitzenweinbaugebiet.

Reinisch gibt seinem Jungwein keinen Fantasienamen, sonder nennt ihn schlicht „Premiere“. Der Saft wird aus Portugieser (Säure) und Zweigelt (Kraft) gekeltert, die Cuvée wird merklich vom Zweigelt dominiert.

Frucht, Frucht, Frucht

In der Nase eine jugendliche Frucht, Kirsche, reife Weichsel, Himbeere, Kakao, Zuckerschote, etwas Radieschen (der Portugieser), dann gleich wieder die Weichsel und letztlich dominant: eine Mischung zwischen Himbeere und Walderdbeere. Dahinter nasse Erde, etwas Gemüse, vor allem Kohlrabi. Ein Schnüffelwein.

Im Mund – das haben wir dem Jahr zu verdanken – viel Kraft, sogar eine hochwertige elegante Note. Eindeutig dominiert die zupackende und fordernde Frucht des Zweigelt. Diese Kraft hält auch am Gaumen an, dort stechen aber Alkohol und Säure: Man sollte den Wein tatsächlich dekantieren.

Wie jedes Jahr schafft es Reinisch seinen Jungwein höherwertig erscheinen zu lassen, als Idee und Preis es vermitteln können. Der Captain hat manche Premiere auch eine Zeit lang liegen gelassen und kann garantieren: Dieser Wein hält Jahre. Was man von anderen Jungweinen kaum behaupten kann. Eine Ausnahme also. Die Einzige.

  • Premiere 2011 von Johanneshof Reinisch gibt es für € 5,99.
 

Datum: 17.11.2011 (Update 18.9.2014)
 

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