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Junge Winzer auf alten Böden

Fesch issa, Rotwein machen kann er auch. Der Andi Knauß aus Württemberg...
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Jahrelang war Winzer ein banaler landwirtschaftlicher Beruf. Doch der Weinboom hat das Ansehen gehoben. Das lässt den Nachwuchs auf den Höfen bleiben. Der Captain hat ein paar besonders gute junge Weinmacher gefunden.
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Was für Bedingungen: unwirtliche Steilhänge, mühsame Handarbeit, hinaus bei jeder Art Wind und Wetter. Und für all die Mühe auch noch kaum ausreichend Lohn. Winzer, das war noch vor wenigen Jahren kein erstrebenswerter Beruf.

An den Bedingungen hat sich nicht viel geändert: immer noch Steilhänge (vor allem an Mosel, Saar. Ruwer und im Rheingau). Immer noch Handarbeit (bei jenen Winzern, die nicht industriell ernten). Immer noch raus bei jeder Art von Wind und Wetter.

Was sich jedoch geändert hat, ist der Lohn der Mühen. Die Konsumenten geben heute für eine gute Flasche Wein gerne ein paar Euro mehr aus. Und geändert hat sich auch das Prestige der Winzer. Mussten sie früher vor allem ehrliche und bodenständige Landwirte sein, so sollen sie heute in schicken Designeranzügen Weinverkostungen kommentieren. Kein anderer landwirtschaftlicher Beruf hat sich derart verändert, wie der des Winzers.

Gilt aber nur für eine kleine Elite

Freilich gilt das vorerst nur für eine elitäre Schicht junger Önologen. Jene, die experimentierfreudig sind und eine eigene handwerklich-technische Moderne definieren. Sie sind Leitfiguren eines Weinenthusiasmus, der in Deutschland Platz greift, wie in allen großen Weinnationen.

Der Unterschied: In Deutschland bestimmen vor allem junge Winzer, wie es mit dem deutschen Weinbau weitergeht. Und diese selbstbewusste Schar aus Töchtern und Söhnen wächst; sie konkurriert in Idee und Tat. Das gibt dem deutschen Weinbau einen enormen Schub, den Verbände und Institutionen lange verschlafen haben.

Parfum der Erde

Es sind Winzer, wie der Remstaler Andreas Knauß (30), der vor ein paar Jahren begann in der Garage eines Einfamilienhauses nahe Stuttgart die Weine für sein Projekt „Parfum der Erde“ auszubauen.

Knauß ging es vor allem um die Wiederbelebung vergessener oder verpönter Rebsorten wie Regent. Im elterlichen Weingut – Knauß Vater ist Quereinsteiger und gab für das Weinmachen seinen Job bei Mercedes auf – widmet er sich vor allem den Rotweinen, die in Württemberg schon aufgrund der Klimaveränderung immer fruchtiger und kräftiger werden. Knauß ist folglich davon überzeugt, dass er schon jetzt das Potential hat, mit Lemberger, Spätburgunder (Pinot Noir) und Merlot drei Sorten von Weltrang auf Weltniveau zu keltern.

Braunewell: gegen den Zeitgeist

Mit Merlot kommen auch die Brüder Braunewell gut zurecht. Stefan (29) und Christian (25) keltern im rheinhessischen Essenheim mehrere Premiumweine aus traditionell französischen Sorten, also aus Merlot, Cabernet-Sauvignon, Cabernet-Franc und Chardonnay.

Bezeichnenderweise heißt die Kollektion auch „Francois“ und die Braunewells wollen damit nichts geringeres, als international konkurrenzfähige Spitzenweine in kleiner Auflage auf den Markt bringen. Das mag zwar gegen den Zeitgeist stehen, der im Augenblick authentische regionale Weine aus autochthonen Sorten bevorzugt, doch die Braunewells lassen sich nicht von Moden irritieren.

Ihr Merlot „Blume“ aus 2007 jedenfalls zeigt eine ungeheure Würze und eine delikate Säure; das Holz ist gut eingebunden, die Handschrift zeigt Mut, jene Weine auf die Flasche zu bringen, die Jahre brauchen, bis sie ihre optimale Trinkreife erreichen.

Bleibt am Acker: Dreissigacker

In Rheinhessen lebt und arbeitet auch Jochen Dreissigacker (31), einer der Lieblingswinzer der Berliner Adlon-Holding. Der Verkostungsraum im Weingut wurde noch von den Eltern eingerichtet und bleibt erfreulicherweise von jedem Design-Schnickschnack verschont.

Hier schenkt der Junior vorbeikommenden Einkäufern zuerst den erfolgreichsten Wein des Hauses ein, den ganz einfachen Gutsriesling, auf den Dreissigacker genauso viel Wert legt, wie auf seine großen, mineralischen Rieslinge der Lagen Kirchspiel, Morstein, Aulerde und Hasensprung. Dreissigacker gehört der Generation Terroir an, die mit Massenweinen und zwanghafter Restsüße gebrochen hat. Schon alleine aus der Erkenntnis, dass ein verändertes Klima auch einen völlig neuen Weinstil bedingt. Und dass es besser ist, diese Stilistik zur Perfektion zu bringen, als sich alten Konsumgewohnheiten bis zur Unerkenntlichkeit eines eigenen Stils zu beugen.

So trocken, dass man noch ein Glas Wasser braucht

Noch radikalere Rieslinge findet man nur bei Daniel Aßmuth (31) in Bad Dürkheim. Der asketisch auftretende Pfälzer keltert Ausnahmeweine von einer mineralischen Radikalität, die ihresgleichen sucht. Sein Riesling Fuchsmantel aus 2011 ist von einer Trockenheit, dass man meint, erst der nachfolgende Schluck Wasser bringt Flüssigkeit in den Mund.

Genauer ausgerichtetes Keltern geht kaum. Dass Aßmuth damit nicht unbedingt ein breites Publikum anspricht, bleibt angesichts der geringen Flaschenmenge egal. Der Fuchsmantel ist ein Wein für Liebhaber stringent verfolgter Konzepte. Assmuth jedoch kann auch süße Säfte, das beweist seine elegante Beerenauslese vom Rieslaner. Hier tritt er in die Fußstapfen des Weinguts Müller-Catoir, das mit der Trockenbeerenauslese „Eselshaut“ den bislang besten Rieslaner Deutschlands auf die Flasche brachte. Bis Assmuth kam.

Lukas Krauß (24) ist der Winzer mit Hut. Der ist sein Markenzeichen und er nimmt ihn wahrscheinlich erst ab, wenn er spätnachts ins Bett steigt. Krauß gibt gerne den lustigen Sonderling, doch seine Weine müssen ernst genommen werden. Denn keiner kann aus augenscheinlich uninteressanten Weinlagen mehr herausholen, als dieses Talent.

Krauß werkt in Lambsheim, hier stößt die Pfalz auf Mannheim, hier sind die Weinberge eher Felder, die Böden gelten bei Traditionalisten wenig. Krauß weiß wohl selber gut genug, dass er seine Weine nicht ins schwergewichtig mineralische bugsieren kann und deswegen keltert er die vergnüglichsten Weine der Region, etwa seine einfache Cuvée „Chapeau Krauß“, die mit wenig Alkohol und einer schönen Dosis Restzucker absolute Trinkfreude bereitet.

Schlichtweg genial ist der Graue Burgunder von Krauß, ein sonst banaler Wein, den der Mann mit Hut in gebrauchtes Holz gezwängt hat, was ihm eine Eleganz auferlegt, die man sonst nur in Weinen der nächst höheren Kategorie findet. Krauß nenn seinen Grauburgunder einen Gentleman, einen mit Eleganz und Sex, wie George Clooney.

Ach ja, die Frauen…

Frauen sind im deutschen Weinbau selten, da können auch keine Initiativen darüber hinwegtäuschen. Die Winzerei ist ein von Männern dominierter Beruf. Auffällig aber ist, dass einige der besten deutschen Weine von Frauen auf die Flasche gebracht werden, etwa von Katharina Wechsler (33), die ihren Beruf bei einem Berliner Fernsehsender an den Nagel hängte und zurück aufs elterliche Weingut nach Westhofen ging.

Oder Melanie Stumpf-Kröger (33), die nach einer erfolgreichen PR-Tätigkeit nach Franken zog und dort seit letztem Jahr gemeinsam mit ihrem Bruder Matthias (29) im Weingut Bickel-Stumpf Weine kreiert – etwa den großartigen Silvaner Mönchshof 2011, ein weiterer Wein der mineralisch hochwertigen Kategorie, den man durchaus mit einem teuren Viognier von der Rhone vergleichen kann. Das hat Klasse.

Thul und Thul aus Thörnich

Bei den Thuls kommt man leicht durcheinander. Karl-Jürgen Thul ist der Vater, Karl-Josef Thul (27) der Sohn. Und der darf ran, darf sich technischer Leiter des Betriebs nennen, die Technik hat er in Geisenheim studiert. Bei Thuls in Thörnich an der Mosel füllt man ein paar außergewöhnliche Weine ab, etwa den Riesling „Alte Reben“ aus der Lage Thörnicher Ritsch.

Die Stöcke sind wurzelecht, über 70 Jahre alt und holen ordentlich Extrakt aus dem Schieferboden. Wie bei vielen Weinen der jungen Winzergeneration schaukeln sich hier die Extreme zu einer Komposition auf, die man noch vor Jahren als verwegen gebrandmarkt hätte. Jetzt sind diese Weine Teil des terroirbewussten Mainstreams, der keine Angst vor Zucker und Mineralität kennt.

Twittern, bloggen, feesbuken – alles sehr sozial

Von Knauß über Krauß bis Thul. Das sind nur einige junge Winzer, die dieser Kulturlandwirtschaft eine neue Richtung geben. Selbstredend beherrschen die jungen deutschen Winzer alle sozialen Medien. Sie twittern ihre Ernteerträge, sie übertragen ihre Kellerarbeit mittels Webcam und in ihren Blogs kann es mitunter politisch zugehen. Inklusive anschließender Diskussion auf facebook.

Mit dem alten Bild des Weinbauern im Blaumann hat das nichts mehr zu tun. Und dass es so bleibt, dafür sorgen andere Töchter und Söhne, die in den nächsten Jahren nach den Hochschulen ihre Ausbildung bei namhaften Betrieben antreten. Wenn diese Kinder in die elterlichen Betriebe zurückkehren, wird dort kein Stein auf dem anderen bleiben. Zur Freude der Eltern, denn deren früher Rückzug in die zweite Reihe garantiert die anhaltende önologsche Moderne, die durchaus auf traditionelle Werte zurückgreift. Frei nach Giuseppe di Lampedusa: „Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist.“

 

Datum: 28.10.2012 (Update 9.1.2015)
 

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