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Johannes Jülg: Chateau!

Joahnnes Jülg. Oder doch lieber [schong-schülg]? Foto: Weingut
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Linkslotse Balcerowiak, sonst eher geizig mit Superlativen, rühmt einen Spätburgunder, der irgendwie genau zwischen Deutschland und Frankreich hergestellt wird. Chateau - äh, Chapeau!
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Ja wo sind wir denn, warum zum Teufel halten es immer mehr deutsche Winzer für angebracht, ihre Weine mit frankophilen Bezeichnungen zu schmücken?

Ein Spätburgunder ist ein Spätburgunder und kein Pinot noir. Fehlt nur noch, dass sich irgendwann jedes zweite Weingut „Chateau soundso“ nennt. Basta!

Natürlich habe ich mit meinem Geschimpfe im Prinzip Recht – wie eigentlich fast immer. Denn die Franzosentümelei auf dem Weinetikett zeugt entweder von Minderwertigkomplexen oder ist der verbale Versuch, mehr oder weniger misslungene Weine verbal ein wenig aufzuhübschen.

Aber bei Johannes Jülg aus Schweigen in der Südpfalz ist das ein bisschen anders. Er hat drei höherwertige Spätburgunder im Angebot, den „R“, den „Sonnenberg“ und an der Spitze halt den „Pinot Noir“. Blendwerk?

Keineswegs. Schweigen liegt unmittelbar an der Grenze, und ein Teil seiner Weinberge bewirtschaftet Jülg auf der französischen Seite. Aus seiner besten Parzelle in diesen Lagen wird der Pinot Noir gewonnen, außerdem werden dort die für das Burgund typischen kleinbeerigen Klone verwendet.

Irgendwie dann doch französisch.

Weinrechtlich ist die Herkunft im Übrigen irrelevant, durch den Ort der Traubenverarbeitung gilt er als deutscher Wein. Doch Jülg, der auch einige Jahre im Burgund gearbeitet hat, versteht die Benennung ohnehin als Statement. Er liebt den eleganten, mineralischen Stil, der die dortigen Weine auszeichnet.

Von nichts kommt nichts. Mehrfach wird im Weinberg per Hand selektiert, entsprechend niedrig ist der Ertrag. Spontanvergärung auf der Maische und Ausbau in zu 80 Prozent neuen französischen Barrique-Fässern gehören ebenfalls zum Programm. In suboptimalen Jahrgängen würde Jülg diese Abfüllung ausfallen lassen.

2011 ist jedenfalls ein fast schon undeutscher Spätburgunder herausgekommen. Ein Pinot noir eben, der mit deutlich unter 14 Prozent Alkohol auskommt.

Viel zu schnell alle.

Die Irritation geht mit dem Auge weiter. Im Glas haben wir einen recht hellen, ziegelroten Wein. Und auch die Nase muss sich nicht mit der vielen modernen pfälzischen Wuchtbrummen eigenen Kirsch- und Brombeerexplosion beschäftigen.

Natürlich ist beides erkennbar, aber ganz subtil, wie mit einem kühlen Lufthauch begleitet. Frisch und unaufdringlich wirken die Tannine, im Mund machen sich ein wenig Bittermandel und getrocknete Kräuter breit. Keine erkennbaren Röstnoten, stattdessen eine perfekte Balance zwischen Säure, Frucht, dezenter Süße und Holz. Kein bisschen schwer und sättigend, sondern animierend und schließlich ein langer, sahniger Abgang. Der beste deutsche Spätburgunder, den ich seit langer Zeit getrunken habe. Vielleicht auch deswegen, weil es eigentlich ein „Pinot Noir“ ist.

Jedenfalls war die Flasche wieder mal viel zu schnell alle. Und keine weitere vorrötig. Dumm gelaufen, aber immerhin konnte Jülgs Pinot noir noch beweisen, dass er hervorragend zu Medaillons vom Brandenburger Hirsch mit Burgunder-Rotkraut und Kartoffel-Steinpilz-Kroketten passt. Denn vernünftigen Wein können sie in Brandenburg nicht produzieren, dafür sind sie bei Kartoffeln, Pilzen und vor allem Wild ganz weit vorne. Und so wächst dann zusammen, was zusammengehört.

  • Den Pinot Noir 2011 vom Weingut Jülg gibt es für 36,00 Euro.
 

Datum: 9.2.2014 (Update 4.2.2015)
 

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