Um einen Wein zu verstehen, muss man manchmal in seine Vergangenheit blicken. Wie war das Wetter zu jener Zeit, als die Beeren reiften? Hat der Winzer vor ein paar Jahren die Idee gehabt, andere Fässer im Keller zu benutzen? Schmeckt deshalb der Wein etwas anders? Manchmal muss man sogar mehr als 500 Jahre zurückblicken.
Im Jahr 1500 gründen Mönche im pfälzischen Dirmstein ein Kloster, das bald darauf die Jesuiten übernehmen. Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs gegen Ende des 17. Jahrhunderts brennen französische Soldaten Dirmstein nieder, das Kloster wird schwer beschädigt.
Die nächsten 200 Jahre hat keiner Lust und Geld, die Gebäude zu reparieren. Irgendwann kommen wieder französische Soldaten vorbei und klauen die Glocken. Es sollen Kanonen daraus gegossen werden. Ein Kloster ohne Glocken? Hat keine Zukunft. Und schon ein paar Jahre später entweihen, enteignen und verkaufen die Franzosen das Ding. Seitdem gehört es immer derselben Familie. Bis heute.
Warum erzähle ich das Ganze? Der Jesuitenhof hat einen Klostergarten, der die ganze Geschichte überdauerte. In diesem Garten stehen Reben. Es sind die besten, die Andrea und Klaus Schneider besitzen.
Das Winzerehepaar führt das Weingut seit fast 30 Jahren. Als es losging, gehörten 6,5 Hektar Weinberge zum Betrieb, heute sind es mehr als 20. Eine bessere Lage als ihren alten Klostergarten fanden die beiden aber nirgends.
Klar, der Boden ist dort tiptop: Ton im Untergrund und obendrauf fruchtbarer Löss sind eine gute Grundlage. Das Besondere aber sind die hohen Mauern, die den Garten umgeben. Sie speichern Wärme und geben sie an die Reben weiter. So reifen die Trauben in dieser Lage immer optimal.
Vor Jahren schreib ich in einem anderen Artikel:
Im Burgund nennt man einen ummauerten Weingarten clos. Und nicht selten gelten diese oft vor Jahrhunderten begründeten Anlagen als besonders wertvolles Rebland. Es verwundert folglich nicht, dass das Weingut Jesuitenhof in einem solch burgundischen clos Spätburgunder anbaut. Und daraus einen Wein keltert, der sich nicht vor den Gewächsen des renommierten und benachbarten Weinguts Knipser zu verstecken braucht.
Ich öffne eine Flasche mit dem sperrigen Namen Dirmstein Jesuitenhofgarten Spätburgunder Kleiner Garten.
Wer seinen Wein so nennt, will entweder verhindern, dass andere Leute ihn wegtrinken oder braucht dringend Beratung. Ich bin gespannt.
Rubinrot fließt der Wein ins Glas. Jawoll, schon an der Nase merke ich, dass die Beeren für diesen Wein sehr reif waren. Eingelegte Pflaume, dazu reife Kirsche. Etwas Nelke und Lakritz kommen hinzu. Noten von frisch gebrühtem Filterkaffee runden das Duftbild ab. Sofort ist klar, dass der Wein im Barrique war.
Jetzt ein großer Schluck.
Mann, der „tapeziert eim’s Maul aus“ wie die Pfälzer sagen. Als erstes füllen vollreife Pflaumen und Kirschen meinen Mund. Dann Gewürze: Nelke und Zimt. Es schmeckt gemütlich, sehr heimelig. Pfeifentabak, ein altes Ledersofa, ein wenig Haselnuss und auch etwas Lakritze.
Seine Barriquenoten und die prägnante Säure verleihen dem Wein trotz seiner Üppigkeit eine tolle Spannung. Die 14 Volumenprozent Alkohol sind gar nicht zu spüren.
Wow, ein wirklich wunderbarer Wein, der vollmundig und filigran zugleich ist. Schade nur, dass man sich diesen Namen überhaupt nicht merken kann. Der Wein hat es eigentlich verdient, dass er sich rumspricht. Vielleicht kann ich ein wenig dazu beitragen.
Ich würde dazu ein Wildgulasch mit Polenta anrichten. Oder einen gebratenen Rehrücken.