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Von diesen Lokalen erfährt man meistens durch Mundpropaganda. Und wenn man von einem dieser Lokale erfährt, dann zählt man zu einer kleinen Schar Geheimnisträger. Diese Restaurants sucht man nicht der Küche wegen auf. Die Küche dort muss nur die Weine begleiten. Das macht sie manchmal gut. Und manchmal besser.
All diesen Lokalen ist eines gemein. Eine dicke und ausführliche Weinkarte, mit vielen alten Weinen und Raritäten, die man selbst in der Spitzengastronomie nicht so schnell finden wird.
Der Wirt ist zum Beispiel Wein-Narr und will von jedem Riesling seiner Region eine Flasche im Keller haben. Aus jedem Jahrgang versteht sich. Bis zurück in die Siebziger. Und weil der Wirt nett ist, hat er die Preise der alten Flaschen vor zehn Jahren von der Mark penibel in den Euro umgerechnet. Und die Preise seitdem nicht mehr erhöht. Gut, dass er nicht weiß (oder gar nicht wissen will), was diese Raritäten heute wert sind.
Wirte als Wein-Narren
Kann auch sein, dass der Wirt einmal Wein-Narr war. Vor zwanzig Jahren. Doch niemand wollte diese Hochkaräter trinken, die er eingekauft hatte. Die Klientel fehlte. Und so verlor der Wirt die Lust, weitere wertvolle Weine einzukaufen. Die alten Weine blieben im Keller. Vergessen. Keiner da, der sie rausholt.
Der Captain kennt ein paar Lokale, die einige alte Schätze im Keller liegen haben. Wohlgemerkt handelt es sich hier nicht um Gourmettempel von Spitzenköchen. Aber doch um gute und bodenständige Häuser, die zu seltenen und oft überraschend günstigen Flasche eine angemessene Mahlzeit anbieten können. Darüber freut man sich manchmal mehr, als über ein Sechs-Gänge-Menü beim angesagtesten Koch der Stadt.
Worms: ZUM SCHIFF und ROTISSERIE DUBS
Wolfgang Dubs zählt zu den ersten großen Köchen Deutschlands. Mittlerweile sind der Koch und seine beiden Lokale (Zum Schiff und Rotisserie Dubs) etwas in die Jahre gekommen. Dubs ist aber immer noch ein Meister der französischen Küche, ein paar asiatische Einschläge sollen Moderne beweisen. Ungeschlagen: Tagliatelle mit Hummer. Dubs beherrscht die alte Schule der geschmacksintensiven aber schwerelosen Saucen wie kein Zweiter in der Region.
Wolfgang Dubs ist ein leidenschaftlicher Weintrinker. Die Klientel in Worms scheint aber mehr an einfachen Schoppenweinen interessiert zu sein. Und so blieben viele Flaschen im Keller. Etwa ein kraftvoller und in Würde gealterter Weißburgunder 1982 von Trimbach aus dem Elsass. Bei Dubs kann man sich überzeugen, wie gut große Mersaults altern, wenn man sie im Keller nicht bewegt. Und ein sensationelles Schnäppchen ist die Sassicaia 2001. Die Magnum für 199,00 Euro!
Bonn: KINKEL-STUBEN
In dieser Weinstube besprachen Spitzenpolitiker der alten Bundesrepublik ihre Winkelzüge bei einem Schoppen Wein. Doch nur wenige Leute wissen die gigantische Weinauswahl zu schätzen, die Lothar Schrempp in seinen Kinkel-Stuben (nach dem Dichter Gottfried Kinkel) zusammengetragen hat. In der Karte liest man auch von interessanten Weingütern der zweiten Reihe.
Vor allem aber schenkt Schrempp eine Menge alter Weine auch glasweise aus, etwa einen Riesling Spätlese 1986 von Kloster Erbach aus der Lage Hochheimer Domdechaney (0,1 Liter-Glas für 5,90 Euro). Der 1955er Riesling Spätlese Wehlener Sonnenuhr von Zach-Bergweiler kostet 85,00 Euro, der 1964er Riesling Spätlese Sandgub der Gräflich Eltz´schen Güterverwaltung 75,00 Euro. Und solch seltene Flaschen gibt es dutzendweise. Dazu isst man eine gehoben bürgerliche Küche.
Königswinter: WEINHAUS GUT SÜLZ
Nur wenige hundert Meter von den Kinkel-Stuben wartet am Rhein das nächste Weinparadies auf Einkehrende, das Weinhaus Gut Sülz in Königswinter. Fachwerk pur, Holzböden, ein gemütlicher Innenhof und Weinberge hinterm Haus. Deutsche Romantik. Für erbitterte Feinde der Holztäfelung der reinste Horror.
Auf Gut Sülz findet man viele Rieslinge aus den letzten zwanzig Jahren, etwa den Riesling Auslese 1997 Herrenberg von Maximin Grünhäuser (für 33,50 Euro), den Riesling Spätlese 1999 Brauneberger Juffer Sonnenuhr von Fritz Haag (für 29,50 Euro), oder den Riesling Kabinett 1998 Scharzhofberger vom Star der Saar Egon Müller (für wohlfeile 36,50 Euro). Die Küche ist einfach und verzichtet auf jeden Schnickschnack. Am besten: Roastbeef mit Bratkartoffel oder der hausgemachte Matjessalat.
Es ist eigentlich ein Wunder, wie viele alte Rieslinge in deutschen Restaurantkellern lagern. Und oft dort, wo man sie am wenigsten erwartet: in relativ einfachen Häusern, die sich allesamt einer bodenständigen und saisonalen Küche widmen.
Oestrich Winkel: WEINBISTRO ALTES RATHAUS
So ein Haus ist auch das Weinbistro Altes Rathaus in Oestrich Winkel am Rhein. In dem alten Haus wartet ein modern renoviertes Lokal mit alter, schöner Schank. Im Keller warten hunderte seltene Weine, darunter viele Rieslinge, die man kaum mehr bekommt.
Etwa den leichten und immer noch sehr säurebetonten Riesling Charta 1994 von Künstler aus Hochheim (für 23,00 Euro), den Riesling Auslese 1967 Johannisberger Schwarzenstein vom Weingut Mumm in Johannisberg (für 68,00 Euro), oder den Riesling Spätlese 1976 Kiedricher Gräfenberg von Robert Weil aus Kiedrich. Das Essen folgt dem Wein, Linsensalat mit Entenbrust, Rindsrouladen mit Kartoffelpüree und Broccoli und ein so genanntes „Schokoladegedöns“. Was immer das sein mag.
Hattenheim: WEINHAUS ZUM KRUG
„Was – du gehst zum Krug? Gratuliere!“ So tönen deutsche Spitzenwinzer, wenn man sie auf das Hotel und Restaurant Zum Krug von Josef Laufer in Hattenheim anspricht. Denn hier liegen wohl wahre Schätze auf Lager. Der Krug gilt als Gesamtkunstwerk, hier werden moderne und klassische Küche verknüpft. Die Weinverrücktheit des Patrons ist Legende.
Im Keller dann tatsächlich tausende Weine aus allen nur erdenklichen Jahrgängen. Etwa der Riesling Spätlese 1989 Erbacher Marcobrunn von Langwerth von Simmern (für 46,00 Euro). Oder der Riesling Erstes Gewächs 1992 Rüdesheimer Berg Schlossberg von Geheimrat Wegeler Erben (für 48,00 Euro). Sensationell auch der Riesling Spätlese 1976 Hattenheimer Schützenhaus von hauseigenen Weingut.
Josef Laufer kocht dazu einen Käsekuchen mit Senfkornkirschen (als Vorspeise) und einen Sauerbraten vom Kalbstafelspitz mit einer Marmelade aus Rosinen und Schalotten. Wer voll und glücklich ist, fällt einen Stock höher ins Hotelbett.
Bietigheim: FRIEDRICH VON SCHILLER
Wieder ein Haus, das alles kann. Hotel, Restaurant, Weinoase. Im Hotelrestaurant Friedrich von Schiller in Bietigheim nahe Stuttgart sammelt man seit vier Generationen Weine. Deswegen liegt auch ein Chateau Lafite 1926 im Natursteinkeller. Allerdings für 6.800,00 Euro. Das kann sich vielleicht der Porsche-Chef zu Gemüte führen, denn dessen Fahrzeuge verkaufen sich auch in Zeiten der Krise hervorragend.
Für etwas weniger Geld gibt es hervorragende Weine, etwa den Riesling Hengst 1981 Grand Cru von der Domaine Josmeyer aus Wintzenheim im Elsaß (für 115,00 Euro). Etwas mehr muss man für den exzellenten Riesling Spätlese 1953 Hattenheimer Mannberg der Langwerth von Simmer´schen Schlosskellerei hinlegen (250,00 Euro).
Bernhard Schork ist nicht nur Küchenchef, sondern auch Metzgermeister. Das Fleisch kommt also aus dem hauseigenen Betrieb. Die Essenz vom Liebstöckel verfeinert Schork mit einem Spanferkelbries, die Rinds-Nierenzapfen mit Kloße vom Mark. Gebackene Schweinsohren gibt es auch.
Trier: EURENER HOF
Hier ist man in einen der Zentren des deutschen Weinbaus. Hier trifft sich jeder, der in den Regionen Mosel, Saar und Ruwer Wein macht, oder mit Wein handelt. Der Eurener Hof ist ein alter Edelstein frankophil verankerter Gastronomie, alles läuft nach den Regeln störungsfreier Gemütlichkeit.
Logisch, dass man hier hunderte alte Rieslinge der Region aufbewahrt. Ein Rieslingmuseum sozusagen. Doch im Eurener Hof sammelt man auch viele französische Weine. Kreszenzen aus dem Burgund, von der Rhone und aus dem Bordelais. Von dort kommt auch der gigantisch gute Chateau Pavie aus dem vielfach unterschätzten Jahr 1989 (für 108,50 Euro). Oder der Chateau Talbot aus dem gleichen Jahr (für 86,00 Euro). Großartig auch der schlichte Gutswein der Domain Comte Georges de Vogué aus dem Jahr 1990 (für 127,00 Euro).
Dazu isst man Zander mit Krautgemüse, Medaillons vom Rinderfilet mit Kartoffelgratin und nachher einen Coupe Dänemark. Ein alter Riesling mit Restsüße sollte sich zum Ausklang finden lassen.
Und jetzt noch ´nen Ösi:
BERGHOTEL TULBINGERKOGEL
Nur wenige Kilometer von Wien entfernt liegt das Berghotel Tulbingerkogel. Hier, inmitten des Wienerwalds, herrscht absolute Ruhe. Hier liegen auch die Flaschen ruhig, die der Besitzer Frank Bläuel seit Jahrzehnten im Keller aufbewahrt.
Bläuel ist ein absoluter Weinnarr. Er sammelt rare Weine wie Briefmarken. Und manchmal schreibt er die Unikate auch in seine gigantische Weinkarte, die regelmäßig für ihre Vielfalt Auszeichnungen einfährt.
Im Bereich zwischen 100,00 und 200,00 Euro kann man viele Bordeaux aus den 70er und 80er-Jahren trinken. Aber auch einen hervorragenden Pinot-Noir 1977 von Robert Mondavi (den Cabernet aus dem gleichen Jahr hat Bläuel selbstredend auch im Keller). Oder einen Pommard Premier Cru 1979 Clos de la Comaraine von Jaboulet-Vecherre. Teurer dann der 1959er La Conseillante aus dem Pomerol.
Bläuels Küche zählt zur gossen Klassik, die sich niemals von Moden verbiegen ließ. Gefüllter Rostbraten, Hirschrücken rosa mit Steinpilzen und Kastanien-Blaukraut, oder glasierte Kalbsleber mit getrüffeltem Erdäpfelpüree. Eine Zeitreise in schönem, klassischem Ambiente.
Danke für diesen wirklich hilfreichen Artikel. Zum Krug wollte ich schon immer und der Eurener Hof ist jetzt leider kein Geheimtipp mehr. Ich sollte schnell nochmal hin und dort ein paar alte Le Gallais-Rieslinge wegschlürfen.
Klasse Artikel. Das wird wieder ein teures Jahr….
Das Foto zeigt einen Lagerort mit zu hoher Luftfeuchtigkeit und extrem starken Schimmelbefall der nicht nur das Holzregal sondern auch das Mauerwerk in dicker Schicht überzogen hat. Eigenartiger weise sind zu sehende Flaschenkorken davon ganz und gar unbefallen. Entweder wurden die Flaschen frisch verkorkt oder das Bild wurde
nachbearbeitet. So wie hier gezeigt wäre es in der Gastronomie Anlass für Maßnahmen der Gewerbeaufsicht.
Ich war letzten Sommer in Freiburg und hab ein einfaches, bürgerliches Lokal, den Schwarzwälder Hof, entdeckt. Das Essen war in Ordnung, aber die Weinkarte ist der Hammer!!! Vor allem die Preise. Schaut selber mal rein, hier der Link:
http://www.shof.de/files/weinkarte.pdf
Ungefähr so siehts im Keller des Kellerschlössl der Domäne Wachau aus. Was die unbefallenen Flaschen betrifft: Nachdem die Flaschen in den anderen Fächern die Rotweißrote Kapsel noch drauf haben, wurden diese wohl neu verkorkt. Es muss nicht immer alles nachbearbeitet sein…
Diese Geschichte ist wie Butter aufs Brot. Dafür würde ich sogar zahlen.
Schöne Geschichte! Vielen Dank dafür!
@El Toro: die Karte ist echt der Hammer! Super Tipp! Da gehe ich am Wochenende hin und trinke Cheval Blanc 1982 🙂
Wirklich sehr verführend, wobei ich mir leider neben dem Hobby „Wein“ nicht noch das Hobby „Essen gehen“ leisten kann. Ähnlich wie die Preisdiskussionen beim Wein, sind die meines Erachtens bei 30+ Euro für ein Hauptgericht auch angebracht. Ich kann das alles nachvollziehen, aber wer soll sich das letztendlich noch „regelmäßig“ leisten können?
Durchaus nachvollziehbarer Einwand..
Ein toller Artikel, vielen Dank!