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Der Captain auf Dienstreise in Österreich: Vier Schnapsbrenner, viel Obst und ein paar Quadratmeter Dunkelkammer für den Destillator. Wenn die Früchtchen reifen, machen sie die Kessel heiß.
„Ein Schnaps reinigt Magen und Kopf“, sagt Karl Holzapfel und schaut in die Runde seiner drei Kollegen, die an diesem Abend, am Ende der Brennsaison bei ihm im Restaurant zusammensitzen. Alle nicken. Doch dazu später.
„Ein Schnaps ist eine gewisse Menge Branntwein, die man auf einmal schnappen kann“, So steht es in Grimms Wörterbuch – die Grimms hatten nicht nur Märchen, sondern auch einen eigenen Duden. Doch der Schnaps war in dieser Zeit schon nicht bloß nur Versprechen der schnellen Berauschung. Den Gemäßigten galt er als Lebensquell, auch als Medizin. Ein Gläschen Schnaps gegen einen verdorbenen Magen – ein bis heute verbreiteter Volksmund Doch: Es gab wenig Gemäßigte, die Maßlosen waren in der Überzahl.
„Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort“. So sang die deutsche Seele. Und zwar noch vor wenigen Jahren. Damals, Mitte der Achtziger, in der Peter-Frankenfeld-Show „Musik ist Trumpf“. Zugegeben, die Sendung kam in diesem Fall aus Namibia, wo unsereiner ohne Schnaps gar nicht zur Ruhe kommt, angesichts der vielen völkischen Deutschen vor Ort. Aber man sang diese Strophe auch im Ruhrgebiet, im Bayrischen Wald und auf Sylt. „Und jetzt alle gemeinsam…“
Der kleine Tod nach einem freudlosen Arbeitstag
Schnaps, das war ein Versprechen eines seligen kleinen Todes nach einem malochenden freudlosen Arbeitstag. Schnaps, das war der schnelle Befreier von der Mühsal des Lebens. Einen Rausch lang. Oder für immer.
Dagegen anzutreten ist schwer. Dagegen angetreten sind die vier Schnapsbrenner der österreichischen Vereinigung Quinta Essentia (Alois Gölles, Karl Holzapfel, Valentin Latschen und Hans Reisetbauer), der Club der besten Obstbrandproduzenten der Welt. Zugegeben, eine subjektive Wertung des Autors, manch anderer Brenner wird glauben, hier Paroli bieten zu müssen. Doch Österreich ist unbestritten die führende Nation der Destillateure. Und die vier von der Quinta sind der führenden Nation schillerndste Vertreter. Die Vier Musketiere sozusagen. Im Dienste der Königinnen Birne, Marille, Zwetschke. Und des Königs Apfel.
Obstbrand also: Wir reden nicht vom Tresterbrand, modisch und autochthon Grappa genannt, der aus der Maische der Weinerzeugung gewonnen wird. Wir reden hier nicht von groß gehypten Abfallprodukt, das selbstredend exzellent schmecken kann. Wir reden vom Fruchtbrand, aus Obst, das eigens für die Erzeugung dieser Säfte großgezogen wird.
„Schnapsbrenner“, das darf man zu den Männern der Quinta erst wieder seit geraumer Zeit sagen. Lange Jahre nannte man sie „Edelbranderzeuger“. Und es gab zuhauf noch andere geschwollene Umschreibungen. Denn „Schnapsbrenner“, das war früher der Bauer, der aus den schlechteren Früchten seines Hofes etwas Hochprozentiges kochte. Und dann der Familie und den Nachbarn vorsetzte. Mitunter mit dem Effekt der Erblindung. Ein Schnapsbrenner war ein Fuselfabrikant.
Genuss statt saufen
Doch mit der Qualität kam das Bewusstsein. Das Bewusstsein, dass ein Schnapsbrenner auch hochwertig Hochprozentiges brennen kann. Und mit dem Bewusstsein kam die Erkenntnis, dass man mit zwei Gläschen auch ein Auslangen findet. Genuss, statt saufen. Ein guter Fruchtbrand schmeckt vor allem nach der Frucht, die er transportiert. Und nicht nach Alkohol, Methanol, Metall, Holz oder anderen Kontaktmitteln. Um das zu vermeiden, muss der Brenner vor allem sauber brennen. Und das ist nicht so einfach, wie es klingt.
Schnapsbrennen kann man lange und ausführlich erklären. Wir tun dies verkürzt und fragen den Quinta Essentia Brenner Hans Reisetbauer.
Hans, wie geht das?
„Du nimmst die Maische von da Frucht, haust das in an Kessel, mochst eam (den Kessel) haaß, tuast das guad (gut) vermischen (die Maische mittels Rührstab), damit´s gleichmäßig erhitzt wird. Dann tuast das guad trennen, den Vurlauf (Vorlauf) losst ausse (lässt du hinaus), das Herzstück kummt in den Tank und den Nochlauf (Nachlauf) tuast auch weg.“ Kapiert?
Und wie ist das mit dem Alkohol?
„Der kummt aus der Geistblase do obn (hier oben) und wird vom Wasser getrennt. Oba (Aber), des is ma jetzt zu kompliziert, das I da des erklär (dass ich dir das erkläre)“.
Und was heißt „doppelt gebrannt“?
„Des is die Trennung von Vor- Mittel- und Nachlauf. Wir machen des oba (aber) eh gleich in einem Aufwosch (Aufwasch = Arbeitsgang). Doppelt brennen tuast vor allem für das Aroma.“
Was macht einen guten Schnapsbrenner aus?
„Geh loss mi in Ruah mid de bledn Frogn.“
Um Hans Reisetbauer zu erklären, eignet sich folgende Anekdote: Der Autor kommt spätabends in das Berliner Restaurant VAU am Gendarmenmarkt. Dort wird er vom Sommelier mit einem Freudenschrei empfangen, denn es sind noch zwei andere Österreicher im Raum, weit hinten bei der Küche sitzend, wo sie nicht weiter auffallen sollen. Das ist aber schwer möglich, denn man hört das sonore Gebrumme von Reisetbauer durch das ganze lange Zimmer.
Reisetbauer ist ein beleibter Mann in seinen Vierzigern, der gerade viele Kilo abgenommen hat. Er sitzt mit dem immer noch beleibten österreichischen Winzer Bernhard Ott beim Glas Wein. Und beginnt dem Autor Schnaps einzuschenken. Selbstverständlich aus eigener Produktion. Reisetbauer selber trinkt aber nichts von seinem Willamsbrand. Eigenartig, denkt sich der Autor. Aber bitte.
Gegen Mitternacht macht Reisetbauer Anstalten langsam aufzubrechen. Er sagt zu Ott: „Kumm, foama (fahren wir)!“ . Der Autor fragt Reisetbauer und Ott in welchem Hotel sie hier in Berlin wohnen würden. Darauf Reisetbauer: „Hotel. Wos füa a Hotel?“
Ja, aber irgendwo müssen sie doch schlafen? Reisetbauer: „Jo daham (Ja, zu Hause). Sprachs, sprang um Null Uhr Vierzehn in seinen BMW und fuhr den Weg nach Oberösterreich zurück. Um sechs Uhr früh erhielt der Autor eine SMS. In ihr stand: „Bin zu Hause, habe den Ott vorher noch heimgebracht.“ Der Ott wohnt in Niederösterreich, etwa 80 km von Reisetbauers Domizil entfernt. Von Berlin zu Reisetbauer sind es 700 Kilometer.
Reisetbauer ist das, was man in Bayern ein „Viech“ nennt.
Anrührende Heimatliebe
Valentin Latschen ist das Gegenteil von einem Viech. Er ist ein schlanker, feingliedriger Mann. Gerade hat er zum zweiten Mal geheiratet und macht einen glücklichen Eindruck. Latschen lebt und brennt in Klagenfurt. In Kärnten, diesem seltsamen österreichischen Bundesland, das der Welt vor allem durch die Beherbergung von Jörg Haider bekannt ist.
Latschen ist Kärntner, wie er im Buche steht. Mit all den Widersprüchen dieses Grenzlandes, die man nicht in einem Satz erklären kann. Die unbedingte Landesverbundenheit, die Heimatliebe, die einem richtig anrührt, wenn man für den Begriff Heimat noch eine Empfänglichkeit besitzt.
Latschen brennt vor allem Äpfel. Kärntner Äpfel, die vollmundiger und säurebetonter sind. Er brennt in einer alten Brauerei nahe der Stadt. Latschen sammelt seine Äpfel von vielen Kleinbauern, die er unter Vertrag hat. So trifft er dauernd auf bäuerliches Idyll, wie man es in Deutschland kaum noch kennt. Familienbetriebe, die aus ihren Äpfeln wunderbare Säfte pressen. Oder sie bei Latschen für den Schnaps abgeben. Neben dem Geld fällt die eine oder andere Flasche Brand ab. Die wird dann abends in der Stube langsam geleert. So kommt das Besondere auch zu den einfachen Menschen zurück. An den Ursprung des Produkts. Das gefällt Latschen. Gefällt ihm besonders.
Alois Gölles wiederum ist das Gegenteil von Valentin Latschen. Denn Alois Gölles ist groß. Nicht von Statur, aber von Umsatz und Stellung. Gölles fabriziert neben seinen Schnäpsen auch noch teuere Gourmet-Essige, ein Geschäft, das weltweit boomt. Er hat einen Vorzeigebetrieb in das oststeirische Riegersburg gestellt. Gölles ist bekannt für seine fassgereiften Zwetschgenbrände (Zwetschge = Pflaume). Die Früchte kommen aus eigenen Garten; Gölles ist – wie Reisetbauer – ein richtiger Großgrundbesitzer.
Und er ist die Nase.
Mit Gölles riechen ist ein Vergnügen. Er nimmt das Glas an die Wange, in diesem Fall ein Glas Hirschbirne, und schnuppert einen ganzen Fächer Aromen. Er taucht die Spitze seines Zinkens in die Flüssigkeit und zieht den Geruch wie eine Strasse Koks in sein Hirn. Ahhh…
„ Honig, Wabe.“ Dann: „Wabe, Wachs, ein Buch, das mit Wachs gebunden ist.“ Weiter: „Baumrinde in der Sonne, Kartoffel, Kümmel, dunkles Brot“. Was in einer Birne eben so alles drinnen ist.
Der vierte Brenner der Quinta heißt Karl Holzapfel. Er wohnt in der Wachau. Und er macht Wein. Viel Wein, guten Wein. Die Wachau, an der Donau gelegen, ist landschaftlich mit dem Rheingau vergleichbar. Oder mit der Mosel. Die Wachau ist Österreichs prominentestes Weinbaugebiet. Keiner hier gibt sich mit Schnaps ab. Außer Karl Holzapfel.
Die dominante Frucht der Wachau ist die Marille (Marille = Aprikose). Holzapfel hat eigene Gärten aber auch Lieferanten. Sein Hauptlieferant ist ein Freizeit-Intellektueller, der in den deutschen Feuilletons blättert. Holzapfel ist auch kein Dummer, verbindet seine Universalbildung aber vor allem mit einem extrem trockenen Humor. So geschieht es jedes Frühjahr, dass Holzapfel mit seinem Lieferanten im Garten steht und Marillen von den kleinen Bäumen holt. Während der Arbeit wird aber über Wichtigeres gesprochen. Über die etwas komplizierte politische Lage im Land. Dieses Jahr wohl auch über den Euro und seine Krise. Und über das Wetter, das dieses Jahr besonders mies ist. Zuletzt landen alle Gespräche beim Wetter.
Starke Männer gehen sich aus dem Weg
Die vier Brenner der Quinta Essentia gehen sich meist aus dem Weg. Starke Persönlichkeiten tun dies schon im eigenen Interesse. Am Ende der Ernte trifft man sich zur Besprechung. Diesmal bei Karl Holzapfel in der Wachau. Da wird gegessen und getrunken (Holzapfel hat als einziger ein Restaurant im Betrieb). Und nachgedacht, wie es weiter gehen soll. Gerade die strengen Alkoholbestimmungen haben den Schnapsproduzenten zugesetzt. Und Alkoholgenuss wird immer strengeren Regeln und Bestimmungen unterworfen. Alkopos und anderer Dreck haben junge Konsumenten von Genuss und Qualität weggeführt. Die vier Brenner sitzen an einem Tisch und besprechen Gegenstrategien. Ein neues Getränk soll auf den Markt kommen. Mit 25 % statt 43 % Alkohol. Leichter und jünger soll alles werden.
Nach ein paar Stunden klappen sie die Bücher zu und trinken vom Mitgebrachten. Die herrliche Hirschbirne ist dabei. Und eine alte Zwetschge. Und ein Apfelbrand von Latschen, der seine Herkunft aus dem Lavanttal nicht verleugnen kann, so fruchtig und frisch, wie er gerade ist. Und Hans Reisetbauer öffnet je eine Magnumflasche Williams, Wildkirsche und Vogelbeere. Wie immer muss er der größte sein.
Da sitzen sie, die vier. Und trotz aller Umbrüche, Pläne und Erwartungen, trotzdem ist und bleibt der einfache Obstbrand das Produkt ihrer Herzen. Das Herzstück, wie der Mittellauf heißt, das reine Destillat. Nicht ohne Grund.
- Der Betrieb Reisetbauer
- Der Betrieb Holzapfel
- Der Betrieb Gölles
- Der Betrieb Latschen (Pfau)
Nett!
Statt eines Süßweins nehme ich auch immer mal gern einen guten, Fuselalkohol bzw. Begleitalkohol armen Obstbrand!
Guter Beitrag!
das ist einer dieser tiefgründigen Artikel, die mich doch immer wieder zur korkigsten Seite des www zurücktreiben. Sehr fein!
Ein spitzenmäßiger Bericht das meine ich nicht nur als Fan von Reisetbauers und Gölles edlen Tropfen.
Ein wahrer Lesegenuss!
Bitte net Schnaps sagen. Schnaps gibt’s beim Hofer für 5,90 den Liter.
Aber falls noch jemand einen richtig geilen Edelbrand sucht, der wird beim Jesche in Treffen bei Villach (Kärnten, Österreich, für alle Nordländer) fündig. Der kann das wirklich!
http://www.destillerie-jesche.at
Schöner Beitrag. Am Ende des Tages ist mein Favorit der alte Apfel vom Gölles. Oder der Grappa vom Subida. Aber das ist eine ganz andere Gschicht’…
Ich halte die 25 Delights auch für eine unnötige Anbiederung an die Barszene.
hehe .. goar ned gwußt, dass mei oberösterreichischa laundsmau reisetbauer a weanerisch redt. bei meim letzten besuch im summa, hoat a in astreinem hochdeutsch über gärmethoden parliert 😉