Es ist nicht immer leicht, wenn du den Familienbetrieb weiterführen sollst.
Vor allem wenn es eine Fabrik für Dichtungsringe ist. Oder ein Modellbauladen in einem Außenbezirk.
Glück also für Charles Dufour, dass seine Vater zumindest ein Champagnergut besaß. Dies allerdings nicht gerade in der feinsten Lage der Champagne, sondern in Côte des Bar an der Aube.
Benasrümpfte Lage.
Traditionell blicken die großen Champagnererzeuger im Marnetal auf die Anbaugebiete an der Aube herab. Kein Champagnermaterial, rümpften sie die Nase.
Als Aube 1911 zweite Zone der AOC Champagne (Appellation d´Origine Contrôlée) werden sollte, rasteten die nördlichen Weinbauern aus. Als Protest gegen die „ausländischen Trauben“ fackelten Sie Reben ab und plünderten Häuser – eine Art Schaumwein-PEGIDA war das. Es half aber alles nichts. Aube wurde Teil der Appellation.
Neukölln der Champagne.
Heute ist Aube ein bisschen das Neukölln der Champagne. Obwohl die Gegend Jahrzehnte unter seinem Zweiter-Sieger-Image litt, ist sie in den letzten Jahren für eine neue Generation junger Schampuswinzer bekannt geworden, die eigenwillige und hippe Schaumweine kreiren. Champagner mit Vollbart sozusagen.
Glück für Charles Dufour also, der mit seinen 5 Hektar des Herrn Papa in Landreville auch sein eigenes Ding machen will. Die gerade mal dritte Edition seiner „Bulles de Comptoir“(=Tresenchampagner), die wir heute kosten, heißt folgerichtig auch „Nouveau Souffle“ (frische Brise).
Der ist anders.
Aber was genau soll an diesem Champagner jetzt so frisch sein? Erstmal fällt natürlich das Etikett auf – ohne staubige Schnörkelschrift, dafür mit geschmackvoller, handgezeichneter Grafik.
Ungewöhnlich ist auch die Mischung der Rebsorten: 55% Pinot Noir, 35% Chardonnay und 10% Pinot Blanc. Alles bio natürlich. Was ist daran komisch?
Seltene Mischung.
Richtig: der Pinot Blanc. Neben dem Petit Meslier und Arbanne, ist der Weiße Pinot eine der seltenen Sorten in der Region, die zwar für Champagner verwendet werden dürfen, aber nur in einem Promillebereich der Anbaufläche stehen.
Machen wir ihn doch einfach mal auf.
Apfelsaft, Apfelmost, Backapfel, Mineralik.
In die Nase steigt uns erst einmal ein dominanter Duft von Apfelmost. Oder doch naturtrüber Apfelsaft? Auf jeden Fall aufgeschnittene, extrem reife Äpfel. Dann etwas Kamille und noch weitere florale Noten. Etwas Limonade, dann Backapfel. Es apfelt also gewaltig. Im Hintergrund Sherry und Nusstöne. Wow!
Wir nehmen einen Schluck und stellen fest, dass Charles Dufour hier einen knochentrockenen Champagner gemacht hat – mit feiner Perlage, (wieder) ganz viel reifem Apfel und einer vornehmen Mineralik.
Anders als das übliche Tralala.
Typisch Biowein, werden jetzt einige stöhnen. Aber wir denken, dass die dritte Edition der „Bulles“ ein Champagner wurde, der durchaus nicht nur für Vin Naturel-Anhägner spannend ist, sondern generell für solche, die mal was anderes als spritzig-frisch-tralala ausprobieren wollen.
Als Aperitif ist der mostige „Bulles de Comptoir“ vielleicht nicht ideal. Deswegen: ruhig was dazu essen – zum Beispiel ein südostasiatisches mildes Curry mit Garnelen.