„Manchmal im Winter, wenn es eiskalt ist und frisch geschneit hat, stehe ich am Fenster und schaue raus in den Park. Dann schenke ich mir ein Glas guten Portwein ein und denke bei mir: So kann der Tag gut beginnen.“
Das hat vor ein paar Jahren ein sehr angenehmer Weinmensch aus Dresden zu mir gesagt. Und seit dieser Zeit mag ich Portwein. Guten Portwein.
Ebenfalls vor ein paar Jahren hatten Markus Schneider aus Ellerstadt und Thomas Hensel aus Bad Dürkheim ihr Portwein-Coming-out. In Düsseldorf, zur Weinmesse ProWein, lernten sie Dirk Niepoort kennen, einen der fünf nicht mehr ganz so jugendlichen Douro Boys-Kultwinzer und King des Vintage Port.
Im Sommer 2016 machte die Meldung die Runde, dass Niepoort das Porthaus seiner Familie im Dourotal verlässt, um an der Mosel ein ganz neues Weingutsprojekt zu verwirklichen.
Niepoort ist unkonventionell und denkt anders, denkt neu. Ein Riesling im Douro Tal geht nicht? Doch geht! Niepoort hat es einfach gemacht und Zweifler vom Gegenteil überzeugt.
Es wurde eine zeitlang heftigst gerätselt, was der Mann nun an der Mosel macht. Etwa Portwein?
Nein, es wurde hauptsächlich Riesling und ein bisschen Rotwein. Die Weinserie heißt Fio. Zusmmen mit Moselwinzer Philipp Kettern und Dirks Sohn Daniel.
Also nix mit Portwein in Deutschland?
Doch. Denn Niepoort hat Schneider und Hensel so scharf auf Vintage Port gemacht, dass sie das Ding einfach durchgezogen haben. Dieses süße, mächtig fette, geile Zeug mit jeder Menge Alkohol drin hat die beiden begeistert, so etwas wollten sie auch machen. Unbedingt. Zu Hause in der Pfalz.
Natürlich hat die Gegend nichts mit der Douro-Region gemein, weder das Klima noch den Boden. Natürlich nicht. Also musste alles neu gedacht werden. Alles auf Anfang. Aber das konnte Markus Schneider bei seinen Weinen ja schon immer.
Das Projekt unter dem Arbeitstitel „Sex Machine“ begann seinen Lauf zu nehmen. Niepoort war begeistert und unterstützte es mit Rat und Tat.
Herausgekommen ist keine Maschine und auch der Name wurde geändert. Das Produkt war wohl Provokation genug, der Name „Sex Machine“ verschwand. Jetzt heißt der Tropfen ganz brav: Hensel & Gretel Süß und Rot.
Da dieser Port aus Deutschland kommt, darf er natürlich nicht offiziell als Portwein in den Handel kommen. Likörwein müssen wir da sagen, so will es das Gesetz.
Bei den Trauben haben sich die beiden für Cabernet Cubin entschieden. Ein Exot, aber ein kräftiger, voller Exot. Und die Traube mag Holzfässer, ideal für einen Port. Erleichternd dazu kam, dass Thomas Hensel mit dem Cubin für seinen Rotwein Ikarus schon Erfahrungen sammeln konnte.
Gelesen wird bei Hensel über Bad Dürkheim im Steinberg oder Hochbenn. Per Hand natürlich. Dann kreuzen wir wieder die Traditionen der klassischen Portweinherstellung. Die Maischegärung erfolgt in offenen Behältern und dann wird wie in Portugal gestampft. Mit den Füßen der weiblichen Lesemannschaft. Junge Mädchenfüße sollen es sein und das wollen wir nur zu gerne glauben. Dass auch einmal ein paar knorrige Winzerfüße dabei sind, wird sich wohl nicht vermeiden lassen.
Wenn die Füße lange heraus sind, wird dann mit Traubenbrand gespritet. Damit der Zucker nicht über den Berg geht.
In Familien kommt es ja schon vor, dass die kleineren Geschwister die abgetragenen Klamotten des großen Bruders auftragen. Vielleicht ist es auch hier so, dass man die die alten Fässern von Dirk Niepoort genommen hat, wenn man den Likörwein 30 Monate lang in alten Portweinfässern einlagert.
Und dann steht er endlich vor mir. In der kleinen, 0,5er-Flasche. An Deck, bei untergehender Sonne und eisiger Kälte freue ich mich auf die 18,0 Volumenprozent Alkohol.
Sobald der Korken runter ist, erwischt mich der tödliche Atem von Claudia Bertani.
Ihr erinnert auch noch an die elegante Trickbetrügerin von Ferrero, die uns das Lügenmärchen von der Piemontkirsche auftischte?
Hauch! Ich rieche Mon Chérie en masse. Nach einer Zeit an der Luft hat sich das zum Glück erledigt. Es bleibt Frucht, viel Frucht und dunkle, warme Schokolade. Über die Zunge rinnt öliger Balsam. Zum Glück kein Rumtopf.
Alles ist süß, schokoladensüß, warm, voll und wunderbar cremig. Nicht wie diese banale Billigschokolade vom Discounter; es ist Edel-Schokolade belgischer Chocolatiers, die im warmen Mund schmilzt. Dazu spüre ich noch einen Hauch von Mandeln und Pflaumen.
So stelle ich mir vor, einen eiskalten Tag ausklingen zu lassen. So und nicht anders.