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Guter Rosé für 5 Euro?

Michael Schmitt, Chef der Weingärtner Markelsheim.
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Es gibt Tage, da erreicht die Frage nach einem genau in diesem Moment passenden Wein eine nahezu existenzielle Dimension. Neulich war genau so ein Freitag. Bei mir um die Ecke in Moabit wurde am hellichten Mittag in einem kleinen Park ein Mann erschossen. Was unter anderem einen fulminanten Hubschrauber-Großeinsatz auslöste.

Aber einkaufen musste ich trotzdem. Im örtlichen Bioladen sah ich als erstes einen Stand mit veganem Klopapier. Und während über mir noch die Hubschrauber auf der Suche nach dem Mörder kreisten, sah ich nach dem Rückweg am Hauseingang Werbezettel für „Achtsamkeits-Workshops“ im Stadtteilzentrum.

Die Kombination aus Mord, veganem Klopapier und Achtsamkeitsworkshop, verbunden mit unziemlicher Hitze, bewegte mich dann zur schnellen Flucht in die ehemalige DDR, also auf meinen Landsitz in Wandlitz (Brandenburg). Auch da war es an diesem Tag nicht einfach, denn es herrschte Wahlkampf im Endstadium. Geistig erniedrigt von Losungen wie „frei und fair – ein Forstmann für Brandenburg“ oder „Hallo Grunz – tschüss Quälerei“ (mit Schweinebildchen gegen Massentierhaltung) erreichte ich schließlich den rettenden Landsitz mit einem dann doch positiven Gefühl: DURST!

Hitze und Wahnsinn wollen bewältigt werden, leicht, locker, unkompliziert. Binnen Sekunden war der Tisch auf der Veranda gerichtet, das Glas aufgestellt und die gut gekühlte Flasche nicht entkorkt, sondern aufgeschraubt. Es war genau die Zeit für einen jener seltenen Rosé-Weine, die nicht penetrant nach Erdbeere, Himbeere, Brausepulver oder Fruchtdrops schmecken, sondern jung, frisch, klar, trocken mit dezenter Frucht und gutem Säurekick nach Rosé, wie er eigentlich sein sollte. Und zwar aus der fast vergessenen Sorte Tauberschwarz, bei der es sich wohl nicht lohnt, sinnlose Rosé-Panschweine als Resteverwertung der Rotweinproduktion herzustellen. Der konsequent trockene Tauberschwarz Rosé der Weingärtner Markelsheim beginnt in der Nase mit verhaltenem, kühlen Kirschduft. Am Gaumen dann ein wenig rote Johannisbeere, alles wunderbar eingebettet in straffe, animierende Säure. Kein langer Nachhall, eher die dezente Aufforderung noch ein Glas zu trinken. Im Sommer auf der Terrasse und sonst als Apéritiv.

Ein Glas gab das nächste, bald war die Flasche leer. Leider war es die letzte. Aber bis zur Nachbestellung werde ich nicht auf den nächsten Mord in meinem Kiez, den nächsten Achtsamkeitsworkshop oder den nächsten Wahlkampf warten.

 

Datum: 4.10.2019 (Update 11.9.2020)