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Gut Oggau: bitte keine Weintester!

Winzerin Stephanie Tscheppe-Eselböck.
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Sie wollen keine Punkte von Parker, Falstaff und allen anderen Wein-Oberlehrern! Die Winzer vom Weingut Oggau am Neusiedlersee verweigern sich dem System der Weinführer.
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[Dieser Artikel erschien im Mai 2020] „Wir haben die Schule hinter uns. Weinmachen ist unser Leben und ich lasse mir für dieses Leben keine Noten geben!“

Winzerin Stephanie Tscheppe-Eselböck kommt im Gespräch mit dem Captain ziemlich schnell zum Punkt. Das geschieht in Österreich eher selten. An der klaren Kante will man sich nicht ins eigene Fleisch schneiden. Die Kunst der höflichen Ausrede gehört zum Inventar des Alltags.

Aber die Steffi (wie sie sich auch nennen lässt) vom Weingut Oggau am Neusiedlersee ist eben Medienprofi und weiß, dass man mit schwurbeligen Statements keine Reichweite bekommt.

Sie und ihr Mann Eduard gehören zur Dauerbesetzung der österreichischen People-Medien, die in diesem kleinen Land eine viel wichtigere Rolle spielen als beim deutschen Nachbarn und auch Winzern Raum bieten. Über das Paar wird ständig berichtet.

Im Exportmarkt Deutschland hingegen sind die Demeter-Weine aus Oggau nur bei Insidern bekannt. Dabei ist das Markenkonzept genial. Jede Flasche des Betriebs ziert das gezeichnete Porträt eines echten Menschen, der dem betreffenden Wein auch seinen Namen leiht.

Auf diese Weise kommt es zu Weinen mit Kultstatus wie zum Beispiel dem konzentrierten Blaufränkisch Joschuari, der im Betonfass reifte und mit gut 50 Euro zu Buche schlägt.

Oggau-Weine sind in der europäischen wine crowd schon so lange hipp, dass man sich manchmal fragt, wann der Kult verblasst. Aber nein, die Steffi und der Edi lassen sich immer wieder was Neues einfallen. Zum Beipiel das Weintrio „Maskerade“, das in diese Zeit passt wie die Faust aufs Auge.

Das Konzept existierte schon vor Corona, aber jetzt sind die Etiketten mit den halbwegs Gesichtsvermummten hochaktuell. Die Masken im Eyes-Wide-Shut-Style halten zwar keinen Virus ab, aber sie verwirren ihn vielleicht.

Steffis Eltern gründeten ein legendäres Gourmet-Restaurant in der Burgenland-Pampa, in das die genussfreudige Prominenz des Landes bis heute einkehrt. Sie war 25, als sie mit dem Wirtschaftsstudenten und Winzersohn Eduard aus der Südsteiermark ihr eigenes Weingut startete. Im Tank ein 1,5 Mio. Euro-Kredit und sehr klare Vorstellungen vom modernen, ökologischen Weinbau. Das war im Jahr 2007. Den Testern der diversen Weinführer verweigerten sie sich von Anfang an. Natürlich schrieben die dann erst recht. Sicher war es gar nicht so trickreich geplant, aber die Masche zog. Das auf die gelungenen Oggau-Weine genial abgestimmte Marketing dürfte das Seine zum Erfolg beigetragen haben.

Wie ist das eigentlich, wenn man nicht bewertet werden will, kann man das einfach so verhindern? „Natürlich nicht, es geht uns um das Statement. Wir verschicken keine Weine an Tester und nehmen aus eigenem Antrieb an keinem Wettbewerb teil. Selbstverständlich kann sich jeder Verkoster die Weine selbst besorgen.“

Was ist das Problem? Dienen Bewertungssysteme wie Punkte, Sterne oder Gläser nicht auch zur Orientierung der Konsumenten? „Unsere Weine sind Persönlichkeiten und wir sind Menschen, die keine anderen Menschen benoten. Wer unsere Weine benotet, bewertet auch uns und das wollen wir nicht.“

Der Captain ist nun mal ein Weintester und will auch nicht von seiner Mission lassen. Wie auch immer besorgte er sich das maskierte Oggau-Trio und berichtet nun über den 1-Liter-Rotwein der Linie, auf dem ein männlicher Wuschelkopf haftet. Genauso wie der Kopf bleibt auch der ganze Wein maskiert. Man erfährt nämlich nichts über Rebsorte(n), genaue Herkunft und Bereitung. Nur dass die Trauben von jüngeren Anlagen stammen, wird verraten.

Nun denn: Im Glas trüb (weil ungefiltert) mit rubinrotem Schimmer und hellem Rand. In der Nase viel Schwarzkirsche, ein Hauch Marzipan, dunkle Schokolade und etwas Sellerieknolle. Im Mund glockenklar und frisch (Zweigelt?), enorm würzig (Blaufränkisch?) und saftig. Die Tannine sind deutlich spürbar, kratzen aber nicht. Die Säure rasselt, beißt aber nicht. Ich schmecke Kirsche und Rote-Beete-Saft, dann helle Zwetschke, ein bisschen Blutorange und immer Frische. Die manchmal etwas anstrengende Wucht des roten Burgenlandes wurde hier kühn umsegelt: 12% Vol. Alkohol. Das geht in den Wirtshäusern der Gegend schon als Traubensaft durch. Wer den Oggau-Stil kennt, wird sagen: netter Seitenschritt, Kaiserwalzer geht anders. Der Captain sagt: schöner Einstiegswein in das kultige Universum dieses Weinguts. Und an die deutschen Spartrinker: Das ist eine 1-Liter-Flasche!

Einen Satz noch, den mir Steffi Tscheppe-Eselböck mitgab, will ich nicht unterschlagen. Er fehlt oben, weil er nirgendwo richtig reinpasst: „Wenn Geld der Antrieb für ein großes Projekt ist, wird es nicht aufgehen.“

Das lässt der Captain einfach mal so stehen.

 

Datum: 9.5.2020 (Update 17.8.2022)
 

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