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Gut Esterhazy: Ende der Auferstehung

Elisabeth Kamper mit dem Chef der Weinabteilung vom KADEWE. In der Mitte der Ösi-Botschafter...
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Das Weingut der Fürstin Esterhazy fand lange keinen Anschluss an die önologische Moderne Österreichs. Doch dann ging alles sehr schnell. Der Captain machte einen Besuch am Ende einer langen Phase der Auferstehung.
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Ausfahrt Eisenstadt Süd. Der Bau ragt links neben der Bundesstraße, die nach Rust führt. Zuerst sieht man nichts, keine Wand, keine Tür, kein Fenster. Hecken, Windschutz für die Felder, verstellen den Blick. Dann, plötzlich, steht er wie ein Schiff im Gras, der Bau. Wie ein Flugzeugträger, auf dem man noch keine Aufbauten errichtet hat und auch die Maschinen noch nicht auf Deck gebracht wurde.

In dem Schiff wohnt eines der modernsten Weingüter des Burgenlands. Und es macht wundern, wie schnell man den Bau durchschritten hat; wie klein er wirkt, für all das, was er beherbergt: Eingang, Verkaufsraum, Büro, einsehbarer Fasskeller, Seminarraum, Terrasse, Technikraum, Nasszellen, Tankraum, Verarbeitungsraum, Füllanlage, Waage, Lager. Läuft man rundum, braucht man drei Minuten. Im langsamen Lauf.

Es gibt viele Umbauten, Neubauten, großartige Neubauten. Die Wirtschaftsmacht Wein erlebte in den letzten zehn Jahren einen ungeahnten Aufschwung, der jetzt das erste Mal etwas an Fahrt verliert. Viele Weingüter holten sich in der Sonnendekade Geld vom Staat und der Europäischen Union, um ihre alten Anlagen aufzupeppen. Oder völlig neu zu bauen. So wie Esterhazy.

Chateau der Architekten

Viele Weingüter haben junge Architekten planen lassen, etwa Fred Loimer, der sich von Andreas Burghardt einen famos schmucklosen und unglaublich wohnlichen Betonklotz in die Landschaft bei Langenlois stellen ließ. Esterhazy wurde von Mayerhofer, Pichler und Trautmann geplant und gebaut, Anton Mayerhofer hat Erfahrung im Errichten von Weingütern (Gager, Kollwentz etc.). Esterhazy ist aber sein bestes Werk.

Kurze Wege, alles ist verbunden, die Funktionszusammenhänge wurden perfekt analysiert. Einzigartig: der Blick vom Kostraum in den Fasskeller. Noch besser: der Blick vom Seminarraum aus dem ersten Stock. Die Fässer werden von roten Wänden begrenzt, ein massiver Block Farbe in dem sonst eher von Lehmfarben und Blech dominierten Bau.

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Hier macht Arbeit Freude, konstatiert auch Elisabeth Kamper, die das Weingut für die Esterhazy-Stiftung leitet. Kamper, die zwei Drittel des Monats in der ganzen Welt (gerade eben Shanghai, dann Hamburg, dann London) unterwegs ist, hat für das Gebäude unweit von Eisenstadt heimatliche Gefühle entwickelt. Ihr Büro am äußersten Rand mit Blick auf den Eingang, den Parkplatz und die Rebstöcke vor dem Haus, ist eine Art Kommandozentrale. Die Admiralität, in der die Fäden gezogen werden. Ihr Raum ist der letzte begehbare in dieser Richtung, nach ihr kommt nichts mehr. Auch das hat Plan.

Die Weine bei Esterhazy keltert der Önologe und Kellermeister Josef Pusch, der zudem von einem Team französischer Önologen unterstützt wird. Esterhazy produziert jährlich etwa 600.000 Flaschen Wein, vom einfachen, extrem trinkfreudigen Welschriesling oder Weißburgunder bis hin zu elaborierten Lagenweinen, die in jeder internationalen Verkostung bestehen. Etwa der Weißburgunder der Lage „Tatschler“, der 2010 zum dritten Mal in Serie die Burgunder-Throphy des Fallstaff-Weinführers gewonnen hat. Das gleiche Organ kürte auch den Lagen-Merlot „Schneiderteil“ aus dem Jahrgang 2006 zum Sieger einer Verkostung.

esterhazyb.jpg
Die Kisten bitte gleich hinten raus zum Auto. Danke.

Kamper und Pusch gehen den schweren, aber stets gewinnenden Weg, in einem großen Weingut zwei Betriebe zu vereinen. Einerseits also geradlinige und perfekte Weine für den Massenmarkt zu produzieren, andererseits hingegen Weine zu planen, zu keltern und zu cuveétieren, die man derart auch von einem ehrgeizigen Garagen- oder Boutiquenweingut erwarten könnte.

Der Vorteil eines großen Betriebes wie Esterhazy ist, dass sich die gut kalkulierte Infrastruktur des großen Weinguts auch gut für einen kleinen Prestigebetrieb verwenden lässt, ohne gleich in die Miesen zu rutschen. Anders gesagt: ein kleiner Betrieb muss für Flaschen gleicher Qualität mehr Geld verlangen.

In den Export stürzen

Und obwohl der Österreicher seine Weine liebt, wie selten ein Bürger einer Weinnation, obwohl das Heimspiel für Esterhazy eine „gmahte Wiesn“ wäre, stürzt sich Esterhazy in den Export, wie kaum ein zweiter Betrieb der Region. Die Weine sollen Botschafter des Namens und des Landes werden.

Das neue Weingut Esterhazy ist Teil der Runderneuerung dieses burgenländisch-ungarischen Wirtschaftsimperiums, das die politischen Wirren des zwanzigsten Jahrhunderts relativ unbeschadet überstanden hat. Und sich, bescheiden auftretend, zum wesentlichsten aller burgenländischen Betriebe entwickelt. Und nicht nur in Sachen Wein. Wenngleich dieser Saft (mit den gemeinsamen kulturellen und gastronomischen Aktivitäten im Eisenstädter Schloss) stark in der Öffentlichkeit steht. Wahrscheinlich weil es neuer Saft aus neuen Schläuchen ist.

Drei Tipps vom Captain

  • Tatschler Pinot Blanc 2007 (13% Alkohol). Ein perfekt trinkreifer und schön gealterter Weißwein, den man in diesem grandios trinkreifen Zustand nur noch selten am Markt findet. Für 14,49 Euro.
  • Merlot Schneiderteil 2007 (14% Alkohol). Ein umstrittener, weil betont international ausgebauter (in ordentlich neuen Barriques) Wein, der keiner autochthonen Rebgemeinschaft zugehört. Doch das ist dem Captain völlig gleichgültig, er freut sich über eine Flasche österreichischen Rotweins, den man gleich gut trinken kann. Und der in dieser Phase seiner Existenz auch ein Franzose sein könnte. Für 24,95 Euro.
  • Blaufränkisch Eiswein 2008. Ein Hammer. Kaum Botrytis, knackig, fruchtig, duftig. Besseres hat der Captain selten getrunken.
 

Datum: 15.5.2011 (Update 1.9.2014)
 

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