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Guide Michelin, die Österreich-Operette geht weiter

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Österreichs eingestellter Guide Michelin soll 2010 wieder erscheinen, wenn genügend Bücher verkauft werden können, sagt sein Direktor Jean-Luc Naret in Paris. Kaufen soll diese Bücher der Staat. Die Mitbewerber und auch der Captain können das nicht glauben.

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Es sind wohl einzigartige Verhandlungen und sie wären eventuell gar nicht aufgefallen, hätte die Wirtschaftskrise nicht jede Art Subvention in das Licht der Aufmerksamkeit gerückt. Die Österreich-Ausgabe des international gewichtigsten Gourmet-Führers Guide Michelin wurde im Mai dieses Jahres eingestellt. Grund: Schlechte Verkäufe. Informanten des Captains sprechen von etwa 3.400 verkauften Exemplaren im dritten Jahr des Erscheinens – ein verlegerisches Fiasko.

Nach dem Finanzfiasko trat Paris voll auf die Bremse

Nach der Notbremse des Verlages, der dem gleichnamigen, ebenfalls unter den Folgen der Wirtschaftskrise leidenden Reifenkonzern gehört, rumorte es unter Österreichs Spitzengastronomen. Grund: Der Guide Michelin hatte noch keinem österreichischen Koch die begehrte Höchstnote von drei Sternen verliehen. Und nun sollte dieses gerade begonnene Rennen nach der wichtigsten Weihe auch schon wieder zu Ende sein.

Zwar brachte der Michelin auch zusätzliche Gäste in die Spitzengastronomie, diese konnten aber schon die Jahre vor dem Erscheinen des nationalen Guides ebenso im „Michelin Main Cities“ nachschlagen, in dem immerhin etwa 70% der österreichischen Spitzengastronomie aufgeführt war. Man kann das laute Aufheulen der Köche folglich nicht alleine auf den bevorstehenden Gästeverlust reduzieren, sagt der Captain, denn mit dem Aussetzen des Michelin wurde die Szene eher der wichtigen Aufmerksamkeit der Medien beraubt, welche bei komplexen Sachverhalten (Essen gehört dazu) zum Abschreiben aus anerkannten Premiumquellen neigen.

Also wurde die Aufmerksamkeit wiederhergestellt und eine Petition verfasst, die sogar Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner veranlasste, mit dem Guide Michelin in Paris Verhandlungen über ein Wiedererscheinen der österreichischen Ausgabe des Fressführers aufzunehmen. Diese Gespräche muss Michelin-Direktor Naret wohl als Abnahmegarantie gewertet haben, denn er sprach danach sehr zuversichtlich von der Möglichkeit einer baldigen Neuauflage seines missglückten österreichischen Abenteuers. Ein Michelin-Führer auf Kosten der Steuerzahler?

Der Minister lässt reden. Worüber weiß man nicht, doch es ist ergebnisoffen

Nun, das Ministerium dementiert zwar nicht die Gespräche, sehr wohl aber irgendwelche Ergebnisse. Minister Reinhold Mitterlehner hat die Angelegenheit an die „Österreich-Werbung“ übergeben, dem staatlichen Helferlein des österreichischen Tourismus. Hier wird ergebnisoffen gesprochen, heißt es. Die Franzosen meinen aber, schon ein Ergebnis in der Tasche zu haben.

Ein Insider bei Michelin bestätigt dem Captain, dass wohl über die Abnahme von 3.000 bis 5.000 Büchern gesprochen wird, die dann über die Gastronomie und ausgewählte Stellen verkauft oder weitergegeben werden sollen.

Dass sich die Rechnung trotzdem nicht ausgeht, glaubt Christian Grünwald, Herausgeber des österreichischen Gastronomieführers A la Carte in einem Gespräch mit dem Nachrichtenportal Zib21. Grünwald verweist auf die Kosten für Reisen und Tester, die ungefähr 200.000 Euro ausmachen. Von Druck und Vertrieb mal abgesehen. Grünwald kommt zu dem einfachen Schluss, dass die österreichische Gastronomie einen Guide-Michelin einfach nicht trägt.

Ähnlich sieht es auch Martina Hohenlohe vom größten Mitbewerber Gault-Millau. Sie zeigt sich einigermaßen empört, dass solche Gespräche überhaupt geführt werden. Weder A la Carte noch Gault-Millau bekommen öffentliche Gelder.

Christian Grünwald hält die Angelegenheit folglich auch für einen Sturm im Wasserglas, Österreichs Gastronomen sollten sich mit dem Verlust des Michelin abfinden, meint er.

Diese aber frohlocken ob der guten Botschaft aus Paris, dass man bei Michelin wieder an eine Weiterführung denkt. Doch abwarten, ob da nicht ein simples Missverständnis vorliegt, ob die Franzosen das typisch österreichische „Da machen wir schon was“ nicht vorschnell als Zusage gewertet haben.

Der Captain wird weiter beobachten. Wird der Michelin nur mit einem Cent Steuergeld subventioniert (und es sei mal dahingestellt, ob das sinnvoll ist, oder nicht), so tritt der einzigartige Fall ein, dass ausländische Fresstester vom Staat/ Steuerzahler finanziert werden. Das werden die Mitbewerber nicht kommentarlos geschehen lassen. Und es gibt ihnen die Möglichkeit, selbst die Hand aufzuhalten.

 

Datum: 9.7.2009 (Update 25.3.2011)
 

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