Vor einigen Wochen lud der Verband Deutscher Prädikatswinzer (VDP) zur alljährlichen Verkostung der so genannten Großen Gewächse nach Wiesbaden. Ziel dieser Veranstaltung ist es, Händlern und Journallisten einen Überblick über die Qualität des Jahrgangs zu bieten.
Das geschieht wenige Tage bevor diese Weine auf den Markt kommen. Nach dieser überaus anstrengenden Verkostung weiß man, wie etwa 60 % der besten deutschen Weine schmecken. Der Termin ist also Pflicht.
Was soll ich sagen? Ich war nicht dort. Ich habe auch keine Entschuldigung für mein Fehlen. Noch mal laden die mich sicher nicht ein. Um hier wieder Boden gutzumachen, habe ich mir ein paar Weine schicken lassen und kann nur das Beste berichten. 2011 hat ein paar der eindrucksvollen Großen Gewächse hervorgebracht, die ich je in meinem Leben getrunken habe.
Dabei wurde der Jahrgang von einigen Händlern als durchschnittliches Jahr kleingeredet. Und tatsächlich sah es nach der Probe einiger Gutsweine so aus, als wäre 2011 ein eher säurearmes Jahr, das zwar für vergnügliche Weine verantwortlich zeichnet, aber wenig zu bieten hat, was eine lange Lagerung überleben könnte.
Rheingau schwächelt, Rheingau kommt
Doch schon die ersten Proben aus 2011 zeigen mir, dass es auch in diesem Jahr einige Rieslinge gibt. Mächtige Weine zudem, die viele Jahre im Keller lagern sollen. Einen dieser Weine vor 2015 zu trinken gleicht einer unzulässigen Verschwendung nicht wiederholbaren Trinkgenusses.
An der Mosel hat Van Volxem die beste Kollektion hingestellt; im Rheingau überzeugen mich Schloss Johannisberg und Balthasar Ress; an der Nahe das alte und verlässliche Schlossgut Diel und in Rheinhessen ist Philipp Wittmann einer der Winzer des Jahres.
Tja, fast immer die gleichen Namen
Ja, es sind immer die gleichen Kandidaten, die für vorzüglichen Stoff sorgen, wiewohl ich kein verlässlicher Auskunftspartner bin, da mein unentschuldbares Fehlen mich zu keinerlei Gesamtbewertung des Jahrgangs berechtigt. Und sicher gibt es noch einige Winzer mehr, die Großartiges auf die Flasche gebracht haben.
Die besten Rieslinge, die ich aus 2011 getrunken habe, sind der Schwarze Herrgott vom Weingut Battenfeld-Spanier und der Riesling Pettenthal des Weinguts Kühling-Gillot.
Eingeweihte werden jetzt wissend mit dem Kopf nicken. Battenfeld-Spanier und Kühling-Gillot kann man getrost in eine Tasche werfen, denn Carolin Gillot ist mit Oliver Spanier verheiratet. Und beide verfolgen ein klar erkennbares Ziel: die besten trockenen Rieslinge Deutschlands zu machen. 2011 haben sie – nach meiner Meinung – dieses Ziel
Stein vom Rhein – Weltklasse!
Genauso grandios ist der Pettenthal von Kühling-Gillot, die reine Freude für Liebhaber trockener und wuchtiger deutscher Rieslinge. Auch hier dominiert die kompromisslose mineralische Handschrift.
Die Lage Pettenthal wird vom so genannten Rotliegenden beherrscht, ein direkt am Rhein liegendes Konglomerat aus Schiefer,Ton und Sand. In der Nase Tabak, Birne, dann Zitronenschalen, Aprikosenkerne, etwas Mandel, nasse Kürbiskerne und die kompakte Mineralität: Stein pur. Weltklasse.
Zugreifen und für mindestens drei Jahre in den Keller legen. Und wer keine Flasche mehr ergattern kann, dem sind die anderen Großen Gewächse des Riesling-Traumpaares Gillot-Spanier nahegelegt. Denn auch Ölberg, Rothenberg oder Kirchenstück sind ganz fantastische Weine aus dem überraschend gehaltvollen Jahr 2011.
Da haben wir ja einige Übereinstimmungen, Pettenthal & Herrgott, Wittmanns Morstein, Diels Schloßberg, Ress Nicht GG Rottland, vV Scharzhofberger & Gottesfuß dazu m.M. nach noch Heymann-Löwenstein sind – wie schon gestern in Facebook vermeldet – meine Favoriten des Jahres 2011.
Heymann-Löwenstein ist für mich dieses Jahr Klassen besser als van Volxem. Bei Löwenstein findet sich in jedem Riesling eine trinkanimierende Spannung, die die vV-Weine nur beim Gottesfuß haben. Volxem bleibt Riesling, für Leute, die keinen Riesling mögen 😉
Sonst: den Schwarzen Herrgott fand ich auch großartig. Die Kupfergrube des Gut Hermannsberg würde ich noch in die Topp-5 mitnehmen.
Kleiner Bezugstipp:
2011 Pettenthal GG einfach direkt bei Kühling-Gillot:
http://www.shop.kuehling-gillot.de/product_info.php?info=p38_pettenthal-riesling-2010-grosses-gewaechs.html
Ab 3 Fl. versandkostenfrei. Aber leider 10 Cent teurer als bei Belvini 😉
P.S.: Hab’s ausprobiert. Wein in affenartiger Geschwindigkeit bereits eingetroffen.
P.P.S.: Bin kein Repräsentant des Weinguts. Erhalte daher für diesen Eintrag auch kein Honorar (z.B. 10 Cent / Fl. …)
Jedem den seinen Geschmack, aber ich weiß nicht, was ihr immer mit den Weinen dieser Güter Gillot/Spanier habt. Ja, erstmal eindrucksvoll und vielschichtig, aber IMMER fett, schwer, alkoholisch. Ich habe selten große Lust aufs zweite Glas. Neulich auch bei einem 2008er das gleiche…
Wittmann habe ich da auch lieber.
Insgesamt war 2011 mir zu schwer und säurearm. Ich habe darüber hinaus den Eindruck, dass sich stilistisch die Winzer auch unterschiedlicher Regionen annähern. Fand die letzten Jahre differenzierter. Vielleicht liegt’s ja an mir.
@Stylevorlage: Komisch, schwer und alkoholisch fand ich 11 jetzt grade nicht. Sogar der Kühling-Gillot war erstaunlich spannungsvoll und trinkanimierend. Auch Wittmann, dessen Morstein ja gerne mal in die Breite geht, hat in 11 erstaunlich schlanke Weine auf die Flasche gebracht.
Das mit dem „annähern“ kann ich bestätigen..
Ich hab über dieses „Annähern“ jetzt länger nachgedacht.
1. Könnte sein weil Lagen mit ähnlichem Boden und Klima auch gebietsübergreifend ähnlich schmecken können. Die Hochheimer Hölle und das Forster Freundstück sind geologisch nicht so weit voneinander weg. Schiefer gibt auch einen besondere Charakteristik.
Es gibt natürlich auch Trends, Strömungen die verstärkt werden fernab von Lagen. Z.B. scheint dieser von Winning/Attmann/Holzgefrickel-Stil bei einigen gut anzukommen. Ich würde ein paar Flaschen Wein wetten, dass wir in ein, zwei Jahren noch ein paar Klone dieses Stils finden.
Dann gibt es ja diese Schule der „Gemäßigten Sponti/Bio/Gärnoten“-Bastler. Schäfer-Fröhlich, Battenfeld-Spanier-Kühling-Gillot, Emrich-Schönleber etc. könnte man dazu zählen.
Dann gibt es sicher noch 3-4 mehr Geschmacks-Cluster.
Bis jetzt klingt das nach dem Gegenteil einer Annäherung. Ich denke aber, dass es insofern zu einer Annäherung dieser Cluster kommt, weil die alle nach dem „perfekten Wein“ schielen und evtl. Elemente, die bei anderen gut gelingen zu integrieren versuchen um dem Ideal näher zu kommen. Wahrscheinlich passiert das ziemlich unbewusst.
(Total spekulative These, aber mir ist grade danach.)
2. Finde ich das gut? Teilweise. Ich hab da Vertrauen in den evolutiven Prozess der in seinem Fortschreiten das passende/schmeckende weiterentwickelt und einige Irrwege verwirft (erinnert sich noch jemand an das Ende der 80er, als plötzlich alles auf Teufel komm raus trocken sein musste? Das hat sich mittlerweile auch abgeschliffen).
Ich sehe auch mit freude, dass sich mit der Zeit in der Mitte der GGs anscheinend ein Stil rausgebildet hat, der eher durch Ausgewogenheit als durch extreme Winzerdarstellung geprägt ist. Exemplarisch dafür ist vielleicht dafür die fast überall gute Bewertung der Diel Kollektion, die vielleicht an der Spitze dieser Bewegung steht. Ich würde mehr Diel und weniger von Winning/vanVolxem im Trend begrüßen.
Disclaimer: Ja, ich weiß, die Diel Sachen sind nicht weniger „erzeugt“ bzw. „gewollt“ als die extremeren Kandidaten, die oben schon genannt wurden.
„Annäherung“ wäre das Kathastrophalste, das den „großen Gewächsen“ passieren könnte. Das wäre die Parkerisierung der trockenen Rieslinge. Meiner Ansicht nach haben „große Gewächse“ das Terroir der jeweiligen Lagen abzubilden. Der „Stil“ des jeweiligen Weingutes kommt natürlich auch zum Tragen. (War zumindestens in der Pfalz für die 2010er deutlicher zu erkennen als für 2011). Spannend wird es, wenn mensch wie bei der Verkostung der großen Gewächse der Deidesheimer und Forster Weingüter „Lagenwanderungen“ an den Ständen machen kann.
P.S.: Halte die Von Winning-Gewächse für eine enorme Bereicherung und bin jetzt schon gespannt, wie die Weine in einigen Jahren schmecken werden. An der runden Ausgewogenheit dieser Weine werden sich wohl etliche „Nachahmer“ die Zähne ausbeißen.
Es gibt ja immer auch einen „Hausstil“ jenseits des Terroirs. Die Idee, dass lediglich das Terroir den Geschmack des Weins bestimmt ist meiner Meinung nach grob falsch.
Ich denke dagegen, dass viele ambitionierte GG-Erzeuger dagegen kellertechnisch immer näher zusammenrücken werden. Dadurch sollte das Terroir aber eher noch stärker in den Vordergrund treten. In sofern finde ich die Entwicklung grad ganz spannend.
at Stylevorlage:
Ja, die GGs sind sehr gewöhnungsbedürftig, abder das sollen sie auch sein. Individualisten eben (punkt).
Meine Weine sind das auch nicht.
Als „Flagphip“ sind die super.
at master at arms:
Die GGs sind kaum trinkanimierend, das sind eher die Orts- und Lagenweine der Güter. So soll es ja auch sein.
„Gemäßigten Sponti/Bio/Gärnoten“
dummes Zeug. Entschuldigung, dafür, aber diese Güter haben die „Spontangärung“ verstanden und nicht mehr.
Diese kenne „Hygiene“ oder das deutsche Pendant Sauberkeit und lassen die schmutzigen „Bösen“ nicht den Keller regieren.
Die guten Winzer sind nie Ferkel.
N8
Eldron
Da mitunter sehr verschiedene Einschätzungen von den Winzern und Händlern im Internet herumschwirren bräuchte ich eine Auskunft, um eine Kaufentscheidung treffen zu können.
Es ist für mich klar, dass Große Gewächse nicht in den nächsten drei Jahren, wenn man Freude damit haben will, degustiert werden sollten.
Da der Preis recht hoch ist zugleich aber außerordentliches versprochen wird, möchte ich die Großen Gewäche immer am Höhepunkt öffnen oder immer bei maximaler Komplexitätsausbeute, dh ich ordne mich in genusstechnischer Hinsicht völlig dem Wein unter. In wie vielen Jahren wird schätzungsgemäß der Höhepunkt erreicht werden.
Erheben die Großen Gewächse einen Anspruch auf ein Lagerpotenzial von 12-18 Jahren oder 18 bis 26 Jahren, oder gar mehr.
Gibt es eine andere Möglichkeit als eine Kauf um in den Genuss der 2011er Großen Gewächse in 20 Jahren zu kommen? Oder bieten die Große Gewächse nach Jahren 20 nicht viel mehr Freude als nach 10 Jahren.
Was hat es auf sich mit den Modifaktionen der Klassifikation ab Jahrgang 2012.
Werden damit die GG aus 2012 mehr wert haben oder verlieren die 2011er an Wert, oder werden die 2012 noch konzentrierter- größer, oder bleibt bei denjenigen Winzern, die als die besten der Welt bezeichnet alles beim Alten.
Sind das Fragen?
@Gast: Die notwendige Lagerdauer hängt extrem vom Winzer ab. Mehr als 10 Jahre Lagerung „braucht“ IMHO kein GG. Die meisten sind nach 4-5 Jahren sehr schön.
Ja.
Habe leider die Fragezeichen vergessen.
Ich habe diese Fragen auch an den VDP geschickt. Dieser hat bis jetzt noch nicht geantwortet. Das ist bedenklich.
@master
Vielen Dank für diese Einschätzung.
Es gibt aber auch einen Zeitpunkt ab dem ein GG ganz sicher nicht mehr schön ist. Wann wäre der?