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Wissenschafter kritisieren den Hype um die Authentizität der Spontanvergärung und stellen der in wichtigen Kreisen verpönten Reinzuchthefe gute Noten aus. Ist der Weinbau in der Biofalle?
Da ist ein großer Spalt. Zwischen dem Captain. Und vielen seiner Matrosen. Der Captain ist kein bedingungsloser Befürworter des biodynamischen Weinbaus. Und wenn der Captain das sagt, hat er schon verloren. Denn jetzt muss der Captain nachlegen und relativieren, muss sagen, dass er selbstredend (!) dafür ist, dass man so wenig wie möglich mit Herbiziden, Funghiziden und schon gar nicht mit Pestiziden arbeiten soll. Und er sagt seinen Matrosen auch, dass ein schöner Weingarten ohne ein bisschen Kraut zwischen den Stöcken sicher eine verdammt vergiftete Unterlage hat. So toll das auch aussieht: Es ist Mist!
Nein der Captain mag die Winzer, verehrt jene, die individuell und rücksichtsvoll arbeiten. Und das sind in Deutschland und Österreich inzwischen mehr als viele. Aber er hat halt seine Bedenken gegen jene, die vorschnell einer esoterischen Mode hinterherrennen. Oder selbst von dem Virus der Naturnähe befallen sind. Zu viel Naturnähe, meint der Captain, ist für den Wein mitunter ungesund.
Zu viel Naturnähe ist mitunter ungesund
Die unterschiedliche Auffassung des Captains hat bei einigen Matrosen schon in der Frage der Amphoren zu heftigen Reaktionen geführt; der Captain meint, dass Weine, die in Amphoren ausgebaut werden, den Leuten nicht schmecken. Und dass es irgendwie absurd ist, diese alte Kulturtechnik derart in den Himmel zu heben.
Und gleiches hat der Captain auch immer bei spontan vergorenen Weinen empfunden, Weine, deren Gärung von selber beginnt. Und meist auch endet. Solche Weine sind gerade in Mode. Ganz aus der Mode ist hingegen die Reinzuchthefe. Sie gilt als Machwerk der Industrie. Doch stammt ihr Ursprung auch aus den Weinbergen: Reinzuchthefen sind kein generelles Kunstprodukt.
Reinzuchthefen können den Wein manipulieren. Was heißt können? Sie tun es
Doch was die Winzer und auch die Konsumenten an den Reinzuchthefen stört, ist, dass diese den eigentlichen Geschmack des Weins manipulieren können. Das ist wahr. Genauso aber manipuliert man den Tee, wenn man Milch und Zucker in ihn leert. Vielleicht hinkt dieser Vergleich weniger, als es im ersten Moment den Anschein hat.
Aber natürlich wird der Captain spontan vergorenen Weinen immer den Vorzug geben. Wenn sie gut sind. Das hängt vom Winzer ab. Wenn aber (auch gute) Winzer immer vom speziellen Terroircharakter erzählen, der durch die Spontanvergärung entsteht, dann hat der Captain auch früher schon immer den Kopf geschüttelt. Spezieller und individueller Geschmack kam für ihn meist aus dem Weinkeller. Von den Bakterien dort.
Und gerade diese Vermutung bestätigt nun ausgerechnet die Forschungsanstalt für Weinbau in Geisenheim (Rheingau). Der dortige Mikrobiologe Manfred Großmann hält den Einfluss der Hefe für begrenzt. Nicht die Weinberghefen sind für den Geschmack eines Weins verantwortlich, sondern vor allem die Kellerhefen. Die Geisenheimer haben Weinbergflora und Kellerflora getrennt. Und haben so bewiesen, dass der Keller die Geschichte schreibt. Und der Weingarten einen Schritt zurücktreten muss (was nicht heißt, dass dem Winzer das korrekte Arbeiten im Garten erspart bleibt).
Bestimmt der Keller das Aroma?
Der Captain hat einen schlüssigen Beweis für seine Annahme, die jetzt in Geisenheim bestätigt wurde, einen Beweiswinzer, den Weinmacher Emmerich Knoll. Dessen Weine galten in der Wachau immer als sehr speziell, hatten immer eine eigene, sehr individuelle Note, die man als Knoll-Note festmachen konnte. Als Knoll senior an seinen Sohn übergab, verschwand diese Note und ein Raunen ging durch die Weinwelt. Knolls Weine schmeckten auf einmal klinischer, sauberer, korrekter. Und auch uninteressanter. Was war da geschehen?
Der Captain recherchierte. Und kam drauf, dass Knoll junior den alten Keller endlich mal gesäubert hatte. Doch als der Kärcher kam, ging die Kellerflora flöten. Und mit jener auch der spezielle Geschmack. Jetzt, nach beinahe 10 Jahren, schmecken Knoll-Weine fast wie früher. Die Bakterie darf wieder ran.
Ähnlich ist es bei vielen Weinbauern, besonders in Frankreich. Der Keller spielt eine gewichtige Rolle, die Hefe im Keller bringt individuellen Geschmack. Geisenheim hat daran nichts zu kritisieren, spricht jedoch den Winzern ab, dass spontan vergorene Weine authentische Weinbergsweine sind. Große Weine, die ihren Charakter ausschließlich aus der Erde ziehen.
Spontan vergoren heißt nicht authentisch vom Weinberg
Und Geisenheim legt nach. Weine, die mit den vielfach gescholtenen Reinzuchthefen zum Gären gebracht wurden, schnitten bei Geschmackstests deutlich besser ab, als rein spontan vergorene Weine. Kein Wunder: Längst ist die Möglichkeit bekannt, manch durchschnittlichen Wein mit guten Reinzuchthefen aufzupeppen. Neuseeländischer Sauvignon lässt grüßen. Doch der Geisenheimer Sudienleiter Ulrich Fischer meint: „Sollte das Lagen-Terroir im Vordergrund eines Weines stehen, kann es vorteilhaft sein, ganz auf die Spontanvergärung zu verzichten“. Ein Tabubruch.
Klar ist aber auch, dass spontan vergorene Weine mehr Zucker, mehr Glycerin und meist auch mehr Aromastoffe aufweisen. Für das Aroma eines Weins ist die Saccaromyces-Hefe verantwortlich, die bei einem Alkoholgehalt zwischen fünf und sieben Prozent ihre Tätigkeit aufnimmt. Spontan vergorener Wein verfügt also über ein beachtliches Aromapotential. Weine, die mit Reinzuchthefen vergoren wurden, stehen dem aber nicht nach. Es ist also vor allem eine Art Glaubensfrage, meint der Captain. Und für die Qualität des Weins von relativ geringer Bedeutung.
Spontan oder nicht: Eine Glaubensfrage
Doch die Glaubensfrage sieht man in Geisenheim offenbar weniger gering, hier zählt die Wissenschaft, das Resultat und die Deutung. „Was nützt es dem Winzer, wenn der spontan vergorene Wein zwar anders, dafür aber Kunden nicht besser schmeckt“, sagt der Mikrobiologe Manfred Großmann in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. „Das Geschmacksgefüge eines Weines hängt zudem von zahlreichen anderen Faktoren ab wie etwa der Traubensorte oder davon, wie stark und bei welchen Temperaturen ein Most geklärt und vergoren wird.“
Und dann weist Großmann auch noch auf ein weiteres Risiko bei der Spontanvergärung hin: „Schließlich ist die Mikroben-Diversität im Traubensaft so groß, dass sich auch unerwünschte Mitspieler durchsetzen können.“ Das kann der Captain bestätigen, manch spontan vergorener Wein glänzt vor allem mit Fehltönen. Doch muss der Captain wieder anmerken, dass Winzer, die ihre Arbeit verstehen oder schlicht sauber und aufmerksam arbeiten, kaum unter Fehltönen zu leiden haben. Die sehr guten eigentlich gar nicht.
Wer aufmerksam arbeitet, hat keine Fehltöne
Viele Tester und Trinker zollen das mit Anerkennung. Die Winzer haben ihr Werk im Griff. Doch andere wiederum fragen, warum man sich das Theater mit der Spontanvergärung überhaupt antut, wenn die Reinzuchthefe doch nur aus interessanten Merkmalen spontan vergorener Weine selektiert wurde. Also im gewissen Grad ein natürliches Produkt ist.
Ein Freund des Captain, Winzer und Spontanvergärer, gibt hierfür einen guten Grund an. Die Hefeindustrie sei eben eine dubiose Industrie, wie viele industrielle Zweige in der Nahrungsmittelherstellung. Und er hält sich da gerne fern. Doch ohne Umschweife gibt er zu, dass seine spontan vergorenen Weine auch argumentativ gut dastehen. Als ökologisches Produkt. Dabei, so scherzt er, handelt es sich bei spontan vergorenen Weine eher um antiindustrielle und antikapitalistische Produkte (denn die Industrie bleibt außen vor). Und nicht um ökologisch überlegene.
Nachsatz: Wer aber davon nichts versteht, der sollte vom spontanen Vergären die Finger lassen.
Da kann der Captain nur beipflichten.
Ich lese mit Interesse „Große Weine, die ihren Charakter ausschließlich aus der Erde ziehen“.
Das sollen wohl Terroir-Weine sein, aber diese Definition ist so extrem verkürzend, dass sie zum Popanz wird, bei dem sich das „Für“ wie das „Wider“ erübrigen. Das betrifft den Tenor des gesamten Artikels.
Der authentische Charakter von Weinen liegt natürlich nicht nur in den Hefen, sondern in einer Vielzahl natürlicher und kultureller Faktoren (die Summe ergibt das, was die Franzosen „Terroir“ nennen, ein Wort dessen Konnotation viel näher an der „heimatlichen Scholle“ als an der „Bodenkrume“ im physikalisch-chemischen Sinne liegt) begründet. In Georgien mögen die Amphoren dazugehören, in Bordeaux das Barriquefass, hier mehr die Weinbergshefen (habe da selbst schon schöne Beispiele erlebt) und da mehr die Kellerhefen (genauso unbestreitbar).
Unbestreitbar ist für mich auch, dass naturnahes (biologisches, biodynamisches) und handwerkliches Arbeiten weit mehr von diesen vielen (!) Faktoren zur Geltung, zu Einfluss auf den Weingeschmack verhilft, als dies industriell-standardisiertes Weinmachen mit möglichst viel Technik, Hefen, Enzymen und Bakterienkulturen kann.
Nur, wenn man die Thematik Spontanhefen, Terroir, etc. in diesem breiten Spannungsrahmen betrachtet, wird ein Schuh daraus. Sonst werden daraus Esoterik und Dogmatismus.
Fragt sich nur, warum der Captain ein so umfassendes, komplexes Gebilde so stark verkürzt und auf einen einzelnen Punkt (Spontanhefen) reduziert? Um dann leichter auf diesen Popanz draufschlagen zu können?
Richtig! Diese ganze Sponti-Ideologie ist eine Reaktion auf den globalisierten Geschmack. Es gibt große Winzer, die große Weine erzeugen mit Zuchthefen. Andere verschneiden Partien, die spontan vergoren sind mit solchen, die mit Zuchthefen vergoren. Bei diesen Winzern sind Fassproben besonders interessant. Da kann es nämlich passieren, dass spontan vergorene Partien sehr reintönig, mit Zuchthefen vergorene aber nach Sponti-Stinker schmecken. Wie gesagt: da macht man interessante Erfahrungen.
Zur Ideologie gehört auch, dass der Sponti-Stinker beim jungen Wein, als authentischer Ausdruck des Terroir verstanden wird – ein Riesenblödsinn.
Ich bin kein Sponti-Gegner, ich mag beides. Ich bin nur ein Gegner dieser fundamentalistischen Ideologisiererei.
ich denke, dass ein Großteil der Reinzuchthefen-Ablehnung auch daher kommt, dass den meisten Kunden der Unterschied zwischen Reinzuchthefen und „Aromahefen“ nicht klar ist.
Ansonsten: Ein Lob von mir für den Artikel!
Master at Arms hat recht: Reinzuchthefen manipulieren nicht per se den Weingescmack, das tun Aromahefen – und die Spontanvergärung! Da darf msan auch mal untertänigst dem Captain widersprechen. Das Bild vom Tee ohne und mit Milch und Zucker ist zumindest schief.
Und warum zieht der Captain spontanvergorene Weine immer vor, wenn sie gut (aber nicht besser) sind? Ist das nicht auch Prinzipienreiterei?
Einige interessante Aspekte. Dass die Hefen z.B. aus dem Keller und nicht vom Weinberg stammen, war mir so nicht bewusst. Nichtsdestotrotz will ich mal eine Lanze für die Spontanvergärer brechen und zur Diskussion anregen. Ein Aspekt findet im Artikel nämlich keine richtige Beachtung und den halte ich für das Hauptargument gegen die Reinzuchthefen: Es wird gesagt, dass die Kritiker sich daran stören, dass man den Weingeschmack mit Reinzuchthefen manipulieren kann. Das wird damit abgetan, dass man Tee auch manipuliert, wenn man Milch und Zucker hinein gibt und das war’s. War es das wirklich?
Ich will jetzt gar nicht mal dogmatisch werden, aber ich habe etwas gegen Designerweine. Egal was für Trauben vom Acker geholt werden, der Winzer greift in die Trickkiste und designt sich sein Aprikosen-, Pfirsich- oder Stachelbeeraroma mit dem richtigen Hefestamm. Egal ob es nun Bakterien im Keller, Hefen im Weinberg oder Hefen aus dem Keller sind, die den Geschmack gemacht haben, dann will ich diesen authentischen Geschmack haben und nicht etwas aus der Laborküche. Ich finde, dass ein wichtiger Qualitätsfaktor eines Weines die Authentizität eines Weines ist. Man kann die Sache natürlich in jedwede Richtung übertreiben. Ich bin aber der Meinung, dass ein Wein das hergeben soll, was die Natur ihm mitgegeben hat bzw mitgibt. Und wenn da kein Aprikosenaroma bei ist, finde ich es falsch, wenn man es mit Reinzuchthefen hinein zaubern lässt. Oft wird dann damit argumentiert, dass der Konsument es so will, aber ich glaube mittlerweile, dass der Konsument gar nicht mehr weiß was er will, weil er keine Auswahlmöglichkeit mehr hat.
der winzer der aprikosenaroma zauberer, man nehme einen most rühre ca 500 g pro 2000 l gefriergetrocknete reinzuchthefe hinein warte 2 wochen e voila der wein schmeckt dann nur nach der von der hefe geförderten aromen der einfache weinkonsument ist begeistert , oder und dafür danke herr kapitän der sponti nimmt den most wartet und wartet, bis er zu gären beginnt nach 3 bis 4 wochen tut er es dann auch entwickelt unnachamliche noten des bodens des kellers seine unglaubliche authentizität begeistert weinkenner und kritiker, winzer sein muss der einfachste beruf der welt sein
Der einzige Nachteil von Reinzuchthefen sind deren etwas eindimensionaleres Aroma. Arbeitet man mit verschiedenen Chargen die dann wieder verschnitten werden lässt sich dieses Problem leicht lösen.
Aromahefen wiederstreben auch mir, da man diese Aromen aber sehr leicht erkennt, kann man diesen Weinen einfach aus dem Weg gehen. Das Hefearoma ist außerdem sehr kurzlebig spätestens im nächsten Sommer ist es sowieso futsch.
Der für mich größte Nachteil der Spontangärung ist die unsichere Endvergärung. Wein mit mehr oder weniger Restzucker sind die Folge. Ich habe es halt gerne extratrocken.
Bei guten Weinen ist eine Unterscheidung sowieso nicht möglich.
so – der höhepunkt ist erreicht – captain – sauf dein scheiß zeug selber… schlechte reinzuchtweine? kostet mal kappa…..
Nachdem sie für einen Kommentar an dieser Stelle wohl etwas 😉 zu lang gewesen wären, habe ich mir erlaubt, meine Gedanken zu diesem Beitrag hier zu formulieren:
http://www.bernhard-fiedler.at/weblog/?p=2930
Sagen Sie mal, was ist denn das für eine Mail. Welche Komplexe haben Sie zu verdauen?
Nachdem ich schon am Foto unterm Kirschbaum stehe, aber auch mit Spontangärung seit 15 Jahren arbeite möchte ich als Praktiker einiges klarstellen. Zu meinen Freund Bernhard Fidler, Bernhard ich glaube du hast dich mit Spontangärung noch nicht wirklich beschäftigt, du zitierst wissenschaftliche Thesen die einfach nicht stimmen, die du sicher nicht selber ausprobiert und nachvollzogen hast.
Zur Sache. Seit dem Jahrgang 2003 arbeite ich ausschließlich mit Spont. Aromahefen habe ich nie eingesetzt.
Gärstopp kenne ich nur aus der Zeit als ich mit Reinzuchthefen arbeitete.
Langsame Endgärung mit Zuckerrest, schlecht laut Wissenschaft für Spontangärung. Mir geht meine Spontangärung meistens zu schnell, hätte es lieber etwas langsamer und der Zuckerrest ist meistens unter einem Gramm, also extrem trocken.
Mehr Schwefel bei Spontanvergärung, der größte Blödsinn, wer einmal Spontangärung gemacht hat wird feststellen, dass die Spontangärung teilweise sogar Schwefel erzeugt, (gscheite Natur). Bei einem exakten Versuch Blaufränkisch 2006, gleiche Trauben Spontangärung, Cabernet Reinzuchthefen, Merlot Reinzuchthefen ergab sich folgendes Ergebnis. Die Spontvariante war bis Mai reduktiv, brauchte keinen Schwefel. Im August bei einer Schwefelkontrolle waren die Reinzuchthefevarianten sehr niedrig und mussten nachgeschwefelt werden, die Spontangvariante hielt die 30 freien Schwefelwerte. Bei der Flaschenfüllung lag die Spontanvariante bei 60 gesamt- die beiden Reinzuchthefen bei 100 gesamt, bei gleichem Wert von freiem Schwefel, und trotzdem schmeckt die Spontivariant frischer,
lebendiger, sortentypischer und gebietstypischer. Bei einer Blindverkostung in Weinbauschule Eisenstadt, Theme welcher Wein ist sortentypischer Blaufränkisch, haben sich von 40 Verkostern, 33 für die Spontivariante entschieden. (die Weine gibt es bei mir noch zu verkosten).
Kellerhefen: kann schon sein, glaube ich aber als Praktiker nicht: halte es eher mit Wädeswill, wo man bis 15 HEFESTÄMME AUF DEN Trauben feststellte. Warum haben Trauben welche ich von Vertragswinzern, welche sicher nicht so schonende Mittel im Weingarten einsetzten, bei mir immer viel später, oder sehr langsam mit Spontangärung zum gären begonnen, während meine Trauben sehr rasch und zügig mit der Gärung beginnen. Wenn es von der Kellerhefe käme, warum haben die die zugekauften Weintrauben gemieden und sich nur auf die eigenen Trauben gestürzt? Das war auch ein Grund dafür dass ich keine Trauben mehr zukaufe.
Resümee: Will man viel Wein an die Masse verkaufen und auch Juroren beglücken, verwende man Reinzuchthefe und Tannine, Gummi Arabikum und und und ……..es lebe die moderne Weinwelt, wozu alte Reben und ausdünnen wenn es Vakumverdampfer, Umkehrosmose und Erbslöh gibt.
Will man langlebige Weine, gebietstypische und sortentypische Weine, Weine mit Charakter, dann Sponti.
Franz Weninger
Hallo Herr Weninger,
Na endlich! Sie reden mir aus der Seele.
…im Übrigen kann ich die ganze Aufregung über das Thema „Spontangärung“ in den verschiedenen Foren nicht wirklich verstehen. Ich habe fast das Gefühl, dass die ganze Polemik primär von den Gegnern dieser meiner tiefen Überzeugung nach NATÜRLICHEREN Methode der Weinbereitung ausgeht.
Hat etwa irgendjemand von überzeugten Spontanvergärern wie Egon Müller, Markus Molitor, Manfred Prüm, Michi Moosbrugger, Fred Loimer und natürlich fast sämtlichen Spitzenwinzern Burgunds wie Roumier, Trapet, Coche-Dury oder auch Aubert de Villaine von Romanée Conti oder eben auch von mir je in einer vergleichbaren Aggressivität bzw. mit leicht belustigtem Unterton über dieses Thema sprechen hören?
Lieber Herr Fiedler,
Ihr Engagement in Ehren – leider ist Ihr Beitrag in weiten Teilen fachlich ganz einfach falsch – wahrscheinlich deswegen, weil Sie aus welchen Gründen auch immer noch nie konsequent Versuche mit Spontangärung unternommen haben – was ja auch völlig OK ist. Aber bitte beurteilen Sie dann auch nicht eine Sache, die Sie eben auch nur wissenschaftlich? sicher fundiert von der Theorie her kennen.
Auch stimmt die Sache mit der Kellerflora meiner Erfahrung nach einfach nicht.
Wir haben auf Van Volxem in den letzten Jahren MEHRMALS Trauben aus dem selben Weinberg einmal am Hauptsitz in der Dehenstraße gepreßt und in den dortigen bis zu 80! Jahre alten, jährlich verwendeten FÄSSSERN! in einem alles andere als klinisch reinen, da permanent viel zu feuchten Keller ausgebaut
…und eine andere Partie der Trauben derselben Parzelle der jeweiligen Lage von ersteren GETRENNT! in intensiv gedämpften Erntekisten transportiert, 150 m vom Hauptkeller entfernt mit einer frisch gedämpften und teilweise sterilisierten Korbkelter (die rote von Bucher!) gepresst und anschließend durch frisch gedämpfte Schläuche in frisch gedämpfte Edelstahldanks gefüllt und dort SPONTAN selbstverständlich OHNE Schwefelzusatz und OHNE Überimpfung in einer ebenerdigen, soeben neu errichteten Industriehalle ausgebaut.
…und das Resultat?
Der Wein schmeckte nach ca. 6 Monaten Ausbau völlig identisch zu dem unter gänzlich anderen Bedingungen ausgebauten Wein des Hauptkellers.
…und warum? Eindeutig Terroir und Weinbergsflora. Was denn sonst – Kellergeister? Der Mond? die Heinzelmännchen? ein genialer WINEMAKER!???????
Wenn ich mir nun die deutschen Weinberge anschaue, in denen seit Jahrzehnten u.a. Versuche zur Identifikation möglicher Unterschiede zwischen spontan- und reinzuchtvergorenen Weinen gemacht werden, wenn ich mir also die sorry qualitativ eher belanglosen Flachlagen unserer deutschen „Eliteschmiede“???? Geisenheim so anschaue – ich kenne die Weinberge der Forschungsanstalt nach vielen Besuchen recht gut, dann möchte ich doch mit den Worten ihres ehemaligen Leiters (1876-1890) Prof. Dr. Hermann Müller-Thurgaus sprechend diesen tiefgründigen Lehmboden-Flachlagen ganz einfach einen bedeutenden eigenen „Terroir“-Charakter absprechen – ohne irgend jemanden beleidigen zu wollen. Dort macht der Ausbau mit Spontangärung vielleicht weniger Sinn als in interessanteren? Weinbergslagen reich an strukturgebenden Mineralien, die die den Boden spiegelnde fantastische Wirkung („Mirroir du Terroir“ nach Deiss) des Rieslings oder Pinot Noirs besser reflektieren? Der deutsche Spitzenwinzer Reinhard Löwenstein spricht in diesem Zusammenhang zu Recht vom „Medium“ Riesling!
Der nicht ganz unbekannte Schweizer Prof. Dr. Hermann Müller-Thurgau schrieb zu diesem Thema bereits im Jahre 1896: „Während bei den kleineren und mittleren Weinen, den Massenproduzenten, die Anwendung der gleichen, günstig wirkenden Heferasse auf größeren Gebieten für den Absatz gewisse Vortheile in Aussicht stellt, dürfte bei den Qualitätsweinen eine größere Spezialisierung und Berücksichtigung der lokalen Eigenheiten, soweit diese als Vorzüge erscheinen, mehr berechtigt sein.“
Verstanden?
Er plädiert ganz eindeutig für einen Verzicht auf Verwendung von Reinzuchthefen in dem Fall, in dem die Trauben auf spannenden Böden interessanter Weinbergslagen gewachsen sind. …und genau darum geht es uns Spontangärern. Wir sind weder Zeugen Jehovas noch Amish People, noch medienversessen, noch irgendwelche Möchtegern-Weltverbesserer!
Alles was wir wollen, ist:
Lebendigen, vielschichtigen, lagerfähigen, den individuellen Charakter eine bestimmten, interessanten Weinbergslage widerspiegenden, ja ganz einfach richtig guten Wein erzeugen. Sonst nichts!
Diese Wissenschafts-Hörigkeit nervt fürchterlich!!! Diese dem industriell erzeugten Wein huldigende Denke ist meiner tiefsten Überzeugung nach neben der Demokratie-Hörikeit unserer fatal schlechten wie falschen deutschen Weingesetzgebung im Wesentlichen verantwortlich für den Untergang Deutschlands als einer der international führenden Weinbaunationen. Alles Bekenntnis zum Mittelmaß! Was für eine Schande!
Mir fallen dazu auch noch tausend weitere Aspekte ein, aber irgendwie nervt mich diese Diskussion sehr.
Muss ich denn wirklich einem Liebhaber von Scheibletten-Käse wissenschaftlich fundiert erklären, daß ein 3 Jahre gereifter Höhlen Comté von einem Topbetrieb besser schmeckt als ein 6 Monate gereifter Industie-Comté. Muß ich das?
OK – nichts für ungut, aber das war jetzt polemisch. Bitte nicht persönlich nehmen.
Letztlich ist die Frage der Vergärung eine Frage des angestrebten Stils, des angestrebten Preissegments, der angestrebten Zielgruppe und vor allem eine Frage, die im Anschluss an die intensive Beschäftigung mit dem eigenen Weinbergspotential erfolgen sollte.
Herzliche Grüße,
Roman Niewodniczanski, Weingut Van Volxem, Wiltingen/Saar
Hallo Herr Niewodniczanski,
ich glaube wir können das Thema Spontangärung abhacken.
Was mich aber stört, ich weiß nicht wie es bei euch ist. Ich war vorige Woche im Zuge des Rotweinfestival in einigen Weinkellern, wo mir dann richtig bewusst wurde wie es abläuft. Kein Terroir im Wein zu spüren, sondern nur zugestztes Tannin Kelletechnik mit allen Trickes ect. Haben solche Winzer eigentlich keine Ehrfurcht von dem Produkt Wein sondern wollen nur Kohle machen? Einfach schlecht gemachte Rotweine. Nur wie bekommen solche Winzer 4- 5 Sterne von unseren renommierten Weinpäpsten, schlechthin wenn es so weitergeht kann man den österr. Rotwein abhacken. Da kommt man sich als ehrlicher Hackler und Verfechter der Qualität verarscht vor. Wird bei euch wahrscheinlich ebenso sein.
Lieber Franz!
Ich habe es in meinem Beitrag ausdrücklich vermieden, „wissenschaftliche Thesen“ zu pauschalisieren und weise lediglich auf mögliche (aber eben nicht automatische) Aspekte der Spontangärung hin. Nachdem ich auch manche Weine spontan vergäre, weiß ich natürlich, dass das in der Regel gut funktioniert, aber ich fände es angesichts der „Argumente“ der Sponti-Befürworter unfair, wenn die möglichen Nachteile völlig unter den Tisch gekehrt würden.
Was Deine Angaben betrifft – danke, endlich einmal was Handfestes – so möchte ich Folgendes anfügen: Was das Thema Restzucker betrifft, so ist mein Beitrag insofern unpräzise, als es diesbezüglich natürlich große Unterschiede zwischen Weiß- und (in deinem Fall) Rotwein gibt. Übertreibt man es nicht mit der Gärtemperatur und dem Alkohol gärt Rotwein natürlich auch spontan gut durch, weil mangels Pressung und Vorklärung mehr Nährstoffe und Hefezellen vorhanden sind und die Gärtemperatur der Hefe eher entgegenkommt, als beim Weißwein.
Auch was den SO2-Bedarf betrifft, gilt meine Aussage eher für Weißwein, nicht zuletzt, weil der Rote a) schneller angärt, was weniger Nebenprodukte von anderen Mikroorganismen bedeutet, b) besser durchgärt, was weniger Zwischenprodukte der Gärung, die Schwefel binden bedeutet und c) einen biologischen Säureabbau macht, wobei die Bakterien auch viele der schwefelbindenden Substanzen abbauen.
Zur nötigen Nachschweflung in deinem Beispiel muß man allerdings dazusagen, dass natürlich auch die Sorte (Anthocyan-Tannin-Verhältnis) und der Ausbau (Trübungsgrad, Faßgröße, Belüftung,…) einen Anteil am unterschiedlichen Verhalten haben könnte. Was die Frage des verzögerten Gärbeginns bei zugekauften Trauben betrifft, so habe ich keinen konkreten Erklärungsansatz, aber angesichts der vielen Variablen kann man wohl höchstens von einem Indiz, nicht aber von einem Beweis sprechen.
Abschließend möchte ich Dich bitten, eine pauschale Verunglimpfung von Kollegen wie in deinem Resümee zu unterlassen. Du weißt sehr gut, dass nicht jeder, der Reinzuchthefe verwendet auch automatisch zu hohe Erträge von zu jungen Reben hat, Tannine und Gummi arabikum verwendet, mostkonzentriert und kurzlebige sowie gebiets- und sortenuntypische Weine produziert. Wir können gerne über jeden einzelnen dieser Punkte diskutieren (und werden dabei wohl viele Gemeinsamkeiten finden). Aber nicht so.
Herzliche Grüße
Bernhard