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Ehret die Alten!

Na denn Prost.
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Der Jugendwahn beim Wein verstellt den Blick auf Schönheit und Reichtum des Alters, sagt Christoph Hahn und erzählt, warum ihm gereifter Riesling ganz besonders gut schmeckt.
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Der Kult der glatt polierten Oberfläche blüht. Beim Wein wie bei Mode, Kosmetik und Artverwandtem. Jung und frisch soll alles sein. Im Glas wie auf der Gesichtsoberfläche.

Riesling zum Beispiel. Erst wenn er ein paar Jahre auf dem Buckel hat, packt er so richtig seine Qualitäten aus. Kenner wissen das. Bei vielen Konsumenten und Vermittlern aber muss das Bewusstsein für den Charme des Gereiften noch wachsen. Denn das Alter des Weines kennt wie das des Menschen seine eigene Würde. Die hat Ecken, Kanten und Abgründe, Seiten, die irritieren und nach Geduld und Respekt verlangen.

Es ist Zeit für einen Umbruch in den Köpfen und auf den Zungen.

Von Natur aus gehört der Wein zu den vielschichtigsten Elementen unserer Kultur. Er erfrischt uns, belebt den Geist und den Körper, fordert die Sinne und setzt großen wie kleinen Mahlzeiten ein Glanzlicht auf. Doch er kann noch mehr. Denn Weine, ganz besonders der Riesling von der Mosel, können etwas ausgesprochen Erzählerisches an sich haben und bringen das Kino im Kopf in Gang. Zum Beispiel wenn ein Winzer wie Kilian Franzen aus Bremm am berüchtigt steilen Calmont ihnen poetisch aufgeladene Namen wie „Der Sommer war sehr groß“ und „Zeit“ auf dem Etikett mitgibt.

Wein, der ein schönes Alter erreichen kann, wirkt wie ein Fluss. Auf seinem Weg durch die Zeit nimmt er von diesem Monat und jener Woche etwas mit als wäre es Sediment. Alten Wein zu trinken bedeutet sich seiner ästhetischen und poetischen Qualitäten bewusst zu sein. Damit ein Wein sich dergestalt öffnet, muss er nicht nur lagerungs-, sondern auch entwicklungsfähig sein, was leider nicht immer dasselbe ist. Zucker, Säure (beides verbindet der Riesling in idealer Weise) und Lagerung der Flasche im Keller müssen zusammenspielen, damit aus dem Baby ein Erwachsener wird. Dabei zeigt das Getränk geradezu menschliche Qualitäten. Mit zunehmendem Alter wächst auch die Kompetenz. In diesem Fall die als Speisenbegleiter. Das cremige Trinkgefühl mit Vanille, Karamell und feiner Säure auf der Zunge sorgt für vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Ein Kabinett beispielsweise entfaltet seinen wahren Charakter erst nach zwei bis drei Jahren.

Freilich, mit seinem Wechselspiel zwischen feiner Süße und zitriger Säure ist er bei gleichzeitig niedrigen Alkoholwerten schon früher einen Schluck wert. Doch erst später kommt er mit richtig deftigen Speisen klar. Zum Beispiel mit Döppekooche, der Eifeler Variante des Reibekuchens. Oder mit der fettigen Süße von Matjeshering und Lachstartar.

Diese Möglichkeit, dass ein reintöniger und gefälliger Tropfen eines Tages zu etwas Großem heranreift, das verbindet alle hochwertigen Weine miteinander. Ob sie nun trocken oder fruchtsüß sind. Ein Wein, der nicht reift, ist wie ein Jet, der nicht von Boden loskommt.

Dass die Umsicht des Winzers und seine Genauigkeit bei der Auswahl des Leseguts schon vom Tag eins an und beim ersten Schluck zu spüren sind, daran gibt es keinen Zweifel. Aber der Tanz der Moleküle im Wein und wie sie sich dabei zu immer längeren Ketten verbinden sorgt dafür, dass sich der Saft mit den Jahren aus einer glatten, runden Kugel in einen aufregenden Planeten mit Gebirgen, Meeren, Wüsten und Wäldern verwandelt.

Auf der Suche nach dem perfekten Kabinett

Das Mundgefühl wird voluminöser und zugleich auch karamellig. In meinem Kabi drängen sich Honig und Kandis zwischen Säure und Frucht. Es ist dieses Stück Erotik am Gaumen, diese Wärme, Weichheit und Komplexität auf engstem Raum, diese explodierende Süße, die sich im ganz Mundraum verteilt, welche die Begegnung mit gereiften Weinen so groß und so unvergesslich macht.

 

Datum: 13.3.2020
 

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