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Gerechtigkeit für Schwefel!

Stéphanie und Philippe Peytavy.
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Der Captain trinkt köstlich-weichen und dunkelwürzigen Rotwein aus dem Languedoc, der ohne Schwefelzugabe hergestellt wurde, und beleuchtet ein Reizthema der Weinwelt.
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Nachdem neulich hier von einem schweren Verbrechen die Rede war, kommt der Captain heute zu einem (von manchen) gefühlten Verbrechen: Schwefel im Wein.

Es ist schon merkwürdig, welche Horrorgeschichten über Schwefel im Wein kursieren. An dieser Stelle sollte ich vielleicht kurz erwähnen, dass Schwefel und Wein grundsätzlich keine Todfeinde sind. Im Gegenteil. Solange man als Winzer nicht den Trend um die sogenannten Orange Wines mitmacht,die der Captain im Allgemeinen für eine erfreuliche Bereicherung der Weinwelt hält, schwefelt man seinen Wein.

Die Zugabe von Schwefel ist an verschiedenen Stationen der Weinbereitung und Kellerpflege üblich. Nicht jeder Winzer schwefelt in jedem der dafür vorgesehenen Schritte. Oft beschränkt man sich auf eine möglichst geringe Schwefelzugabe. Aber noch einmal: Schwefel ist nichts Schlimmes. Er wird in der Weinbereitung vollkommen zu Recht verwendet und muss sogar als bisher einziger Zusatzstoff auf dem Flaschenetikett angegeben sein.

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Aber mein (sehr köstlicher) Wein von heute wurde ohne Schwefelzusätze zubereitet, was nicht heißt, dass er schwefelfrei ist. Denn Schwefel ist überall und somit auch in jedem Wein. Schwefel ist in der Luft, im Wasser, im Boden und in Pflanzen. Schwefel ist einfach nicht zu entkommen. Es stimmt, dass Schwefel früher im Weinbau wesentlich häufiger verwendet wurde. Mit früher meine ich: in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als der weltweite Weinbau überall kräftig wuchs. Also vor nicht allzu langer Zeit. Wenn man sich in diversen Weingruppen auf Facebook ansieht, wie ältere Männer stolz ihre gereiften Bordeauxweine wie dickpics herzeigen (komischerweise machen Frauen das nie) und vom Glück spendenden Privileg ihres Verzehrs schwärmen, vergisst man oft, dass diese Weine wahre Schwefelbomben sind. Und? Alle leben noch oder sind inzwischen an einer anderen Ursache verstorben. Leberzirrhose zum Beispiel.

Das war meine Vorrede zum köstlichen und ohne Schwefel zubereiteten Libre – L’Heritage de L’Amandaie von Stéphanie & Philippe Peytavy, denen das Weingut Clos de l’Amandaie gehört. Dieser leichte Rotwein mit nur 13,5% Vol. Alkohol ist ein intensives Trinkerlebnis aus Merlot (75%) und Grenache (25%) und kommt von 40 Jahre alten Rebstöcken. Besonderheit: Die Winzer setzten keinen Schwefel zu. Leider gibt es von jedem Jahrgang nur 2.000 Flaschen. Im Glas tiefdunkel glänzendes Rubinrot. In der Nase eine sehr noble Mischung: feinwürzige Noten vollreifer Brombeeren und Heidelbeeren, dann ledrige Noten fermentierter Assam-Blätter, Räucherspeck, Kakaopulver, erdig nach bengalischem Langpfeffer. Im Mund geht es ähnlich würzig weiter. Ich schmecke konzentrierte dunkle Beeren, geröstete Kräuter, Lakritze, gutdosierte rassige Säure, dunklen Wermut. Was für eine aufregende Würzbombe! Auf der Zunge Rosine, dünner Schmelz von Extraktzucker, der nach Heidelbeere schmeckt, etwas Hustentropfen und salzige Algen. Ein dunkler Abgrund von Wein und großartiges Papillenkino, das zu pikant gewürzten Asia-Speisen mit Sojasoße oder geschmortem Fleisch und Gemüse passt.

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Der 11-Hektar-Betrieb Clos de l’Amandaie liegt 25 km nordwestlich von Montpellier auf Lehm-Kalk-Hängen, also in der Weinregion Languedoc. Seit 2002 machen Stéphanie und Philippe dort ihre Weine. Von diesem Abendwein gibt es jedes Jahr nur rund 2.000 Flaschen, also nicht viel. Er ist eine köstliche und schwefelarme Rarität mit wenig Alkohol und der Preis für seine Qualität ist ein Witz. So leicht kann man beim Captain Karriere machen.

Schwefeldioxid wird seit der Antike im Weinbau als Konservierungsstoff verwendet und hemmt Inhaltsstoffe, welche die Oxidation und eine daraus resultierende Ungenießbarkeit des Weins fördern. Nachdem Schwefeldioxid mit einer Vielzahl von Inhaltsstoffen im Wein reagiert, kommt es durch die Schwefelung auch zu sensorischen Veränderungen. Das geht von vorübergehender Frische bis zu absoluter Verschlossenheit des Weins, bei der er im besten Fall nach nichts, im schlimmsten Fall nach Knoblauch, Kohl oder Eierfurz riecht. Aber auch das Mundgefühl verändert sich. Nach der Schwefelung wirkt Wein druckvoller, kantiger und verschlossener, während ungeschwefelter – oder wenig geschwefelter – Wein sich oft viel weicher präsentiert.

 

Datum: 18.1.2021
 

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