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Frankreichs wertlose Winzer

Im Glas schaut alles gut aus. Aber hat es auch den richtigen Jahrgang?
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Der Captain fuhr durch Frankreich und besuchte einige Keller und Produzenten. Er sah Hochmodernes neben veraltetem Weinbau in einer tiefen Krise. Frankreich: Ein abgehängter Waggon.

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Der Zug rast mit 300 Stundenkilometer durch die Weinberge. Nein, in Sachen Hochtechnologie kann man Frankreich nichts vormachen, die französische Eisenbahn ist die modernste der Welt. Zwar sind die Bahnhöfe oft schäbig, das Service mitunter inferior. Doch die Geschwindigkeit funktioniert: Von Nimes, im Süden Frankreichs, bis nach Paris braucht der TGV nur knapp drei Stunden. Gigantisch. Deutschland hat Ähnliches, trotz ICE-Züge, nicht zu bieten.

Frankreich ist also ein Hochtechnologieland. Und ein Land der Gourmandisen. Hochtechnologie und Gourmandisen können gut zusammenkommen, das beweist Frankreichs eloquente Nahrungsmittelindustrie, die höchst schmackhafte Massenprodukte fertigt. Ob diese gesund sind, steht auf einem anderen Blatt. Auf jeden Fall schmecken sie deutlich besser, als Vergleichbares aus Deutschland oder Österreich.

Neben der guten, aber sicher auch nivellierenden Nahrungsmittelindustrie, gibt es in Frankreich seit jeher eine Szene traditioneller Produzenten (Käse, Würste, Geflügel, Gemüse, etc.), die auf einer von den Franzosen verehrten bäuerlichen Produktion fußen. Das hat immense Vorteile für das Land und die Konsumenten. Man kann die Franzosen nicht laut genug loben, dass sie (gemeinsam mit den Norditalienern) auf die Qualität und die Vielfalt ihrer Nahrungsmittel über alle Maße achten. Ähnliches in Deutschland zu installieren, würde bedeuten, dass der Konsument etwa 20 % mehr für Lebensmittel ausgeben müsste. Freiwillig. Jeder weiß, dass dies nie geschehen wird. Deswegen werden unsere Nahrungsmittel immer die minderwertigeren sein.

Was bei den Nahrungsmitteln klappt, gerät beim Wein zum Nachteil

Was beim Essen möglich ist, sollte auch beim Wein möglich sein. Frankreich ist eine der führenden Weinnationen; Frankreich besitzt die besten und teuersten Weingegenden der Welt. Und die renommiertesten Weingüter. Da kann nicht viel schiefgehen. Denkt man.

Doch Tatsache ist: Alles geht schief. Der Captain besuchte einige Regionen. Und fand eigentlich alles im Argen. Ein Land im Abstieg. Das hat viele Gründe. Hier die Wichtigsten:

  • Frankreich verlässt sich fast ausschließlich auf den Traditionsbegriff.
  • Französische Winzer investieren kaum noch in Technik.
  • Die Moderne des Weinmachens scheint Frankreich nicht gestreift zu haben.
  • Sauberes Arbeiten scheint manchen (auch berühmten) Winzern ein Fremdwort.
  • In alle den Jahren ist es den wichtigsten französischen Winzern nicht gelungen einen weltweit relevanten Markenwein zu kreieren.

Frankreich verlässt sich auf seine Tradition, viele französische Winzer berufen sich auch die Arbeit der Väter und Vorväter. Traditioneller Weinbau hat seinen Wert und ist der Masse vermittelbar. Dieses Traditionelle ist nach wie vor wichtiger Bestandteil des Marketings. Und dieses Traditionelle fehlt nirgendwo, kein Wein wird aus den Zusammenhängen gerissen.

Dieses Traditionelle ist aber ein breites, alles stabilisierendes Rückrat. Die französischen Winzer verlassen sich auf den Effekt des Traditionellen, auf die Wirkung der Tradition beim Konsumenten. Deswegen investieren viele Winzer seit jeher nur das Notwendigste in die Kellertechnik. Der Captain hat etliche Keller im Languedoc, der Burgund, Elsass und der Loire besucht. Und fand überall Verhältnisse vor, wie sie in vergleichbaren Kellern in Deutschland, Österreich, ja sogar Italien nicht denkbar sind. Vergoren wird in altem Beton, Email oder Plastik, in durchgerostetem Metall (kein Witz), ausgebaut in alten, wurmstichigen Holzfässern. Die Keller sind kaum ausreichend gesäubert, Kellerpilze und olfaktorische Belästigungen werden als unwichtig abgetan. Denn die Tradition besorgt den Ausgleich.

Die önologische Moderne ist längst abgebogen

Moderne Keller findet man selten, zahlreich nur im Bordeaux, oder im Burgund. Denn wo man Geld im Überfluss verdient, will man repräsentieren. Und investiert entsprechend.

Auch fehlt immer noch der breit bekannte französische Markenwein. Frankreich hat keinen Tignanello, keinen Solaia, aber auch keinen Vintage Tunina. Nun kann man sagen, das liegt an der französischen Mentalität: Weinbau in Frankreich ist eben chateaugebunden. Das bestätigen ja auch die vielen erfundenen Chateaus im Bordeaux, oder im Südwesten. Doch die jungen Weintrinker greifen gerade deswegen zunehmend zu Produkten aus Italien und Übersee. Der Captain konnte letzte Woche in Bordeaux eine Gruppe junger Leute beobachten, die sich auf einer Terrasse mit einem Rotwein des australischen Hersteller Penfolds vergnügten. Und das in der Weinhauptstadt Frankreichs.

Mache Regionen wie Elsass und Loire scheinen überhaupt von jeder Entwicklung unbeeinflusst zu bleiben. Nichts scheint sich zu bewegen, alles verharrt regungslos. Und man ist vor Ort verwirrt, warum der Konsument Weine aus anderen Ländern kauft.

Der Captain schätzt den französischen Eigensinn, den Nationalismus, der auch im Regionalismus ankert. Aber er sieht nicht, wie der französische Weinbau diese Krise bewältigen wird. Die Italiener haben sich im Regionalismus erneuert. Bei den Franzosen scheint der Zug leicht gebremst, aber immer noch mit hoher Geschwindigkeit an die Wand zu fahren. Schade. Auch für uns Trinker.

Beim Captain kann man auch noch mehr über Weine aus Frankreich erfahren.

 

Datum: 22.6.2010 (Update 1.11.2012)
 

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