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Es lebe die Königin. Sie lebe hoch!

Sie ist die Königin. Und der Captain ihr Fotograf...
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Österreich hat eine der besten Küchen Europas. Und Wien hat das Restaurant Steirereck, der letzte Gourmettempel des Landes. Doch Wien hat auch Birgit Reitbauer. Die schönste Patronin der Welt.

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Das Lokal ist Legende. Heinz Reitbauer senior und seine Frau Margarete haben es gekauft und gebaut. Zuerst weitab vom Schuss, in einer Randlage des Zentralen, in der lauten Weißgerberlände, nahe dem leisen, dem grünen Prater. Vor ein paar Jahren ist man mit Hilfe des Bürgermeisters und der Gemeinde in der Mitte des ruhigen Stadtparks umgezogen. Das Steirereck: Wiens und Österreichs berühmtestes Restaurant.

Was macht das Steirereck zum ersten Restaurant des Landes? Ganz einfach: Es ist dieser unvergleichliche Mix zwischen Tradition und gastronomischer Moderne, der Österreicher und ausländische Gäste in Scharen anzieht.

Das Steirereck ist zudem ein Gourmettempel, bei dem man keine Schwellenangst haben muss. Heinz Reitbauer senior demokratisierte die gastronomische Landschaft Österreichs, indem er das günstigste Mittagsmenü eines Vier-Hauben-Restaurants etablierte. Das konnte sich auch eine Familie der Mittelschicht leisten. Das günstige Menü ist inzwischen leider Vergangenheit, sicherte dem Steirereck seinen Ruf als „“preiswerter“ Gourmettempel. Und verglichen mit Paris oder London ist das auf ewig wahr.

Jahrelang haben Margarete und Heinz Reitbauer sen. das Steirereck geleitet. Doch als absehbar war, dass Heinz junior ein nicht zu bremsender Koch werden wollte, da übergaben die Senioren das neue Haus schlüsselfertig an den Sohn und seine Frau. Alles neu. Für die Stammgäste war das anfangs ungewohnt. Aber sie blieben.

Das letzte richtige Spitzenrestaurant der Stadt

Und nach einer kurzen Phase der wirtschaftlichen und kreativen Stagnation, knapp nach Eröffnung des neuen Steirerecks, nach dieser Phase der Erschöpfung durch Neubeginn und Umzug, wurde das Steirereck das, was es war und ist: Das beste Restaurant der fressverliebten Alpenrepublik. Und inzwischen das einzig verbliebene Spitzenrestaurant internationalem Zuschnitts in Wien.

Dazu gehört viel, doch letztlich nur eine kleine Erkenntnis: Alles muss passen. Was Österreich wie kein zweites anderes europäisches Land kann ist die Zusammenfassung des Wesentlichen, das Destillat des Besten zu verdichten.

Deswegen ist es auch so absurd, in Österreich dauernd einen Gourmettempel a la Paris und London einzufordern. Das würde der Mentalität der Einwohner radikal widersprechen. Keiner hier will einen steifen, herausfordernden Stützpunkt analytischen Essens. Wer einmal im (noch) wichtigsten (und bald geschlossenen) Restaurant der Erde, im El Bulli bei Barcelona essen war, der kapiert, welcher Segen das Steirereck für die österreichische Gourmetszene ist. Nirgendwo sitzen Leute, die in ihrem Essen herumstochern und darüber Reden halten. Im Steirereck wird gegessen, gelacht, getrunken, ja sogar richtig gesoffen. Heinz Reitbauer senior wollte ein gehobenes steirisches Wirtshaus; Birgit Reitbauer will eine europäische Osteria. Der Unterschied ist gering.

Lokal mit Gewaltentrennung

Beachtlich ist die Gewaltentrennung des Steirerecks. Der Mann, Heinz jr., steht am Herd, die Frau, Birgit, im Lokal. Das kommt in der Gastronomie schon mal öfter vor, doch Heinz jr. konzentriert sich ganz auf Produkt und Kreation, er ist ein Laborant, ein Forscher, ein Tüftler. Wer von seinen Selbstzweifeln weiß, die ihn noch vor Jahren ab und an im Griff hatten, der freut sich mit ihm, wenn das ewige Talent die Langstrecke zum tonangebenden Dirigenten läuft. Und letztlich über sich obsiegt.

Birgit Reitbauer kommandiert das Service. Die Brigade hat Witz in der Eile, ist stets perfekt aufgestellt und immer Teil des Ganzen. Was so selbstverständlich klingt, ist wieder Resultat des einzigartig Österreichischen, das den Österreichern so selten bewusst ist. Spontaner Humor, wie Reitbauer und ihre Leute ihn haben, ist entweder angeboren oder Reaktion des Intellekts. Bei Reitbauer und der Brigade wirkt er als Teil eines Denk- und Reaktionsprozesses, also Teil des Intellekts.

Grenzgänge in die Nähe des Persönlichen

Das macht auch die Grenzgänge spannend, die ab und an in die Nähe des Persönlichen gelangen. Auch beim Bankdirektor und Minister. Doch das vertraulich wirkende und gleichzeitig deutlich distanzierte Anmaßende bleibt immer erlaubt und gleichzeitig verziehen, denn das Steirereck und seine Besatzung sind eine Institution. Und als solche in einem gewissen Maße, fast in einem Höchstmaß, unangreifbar, immun.

Das macht ein gutes Lokal zu einem einzigartigen Lokal. Das Steirereck ist unter der Regentschaft von Birgit Reitbauer mehr denn je eine Bühne geworden. Und es hat zusätzliche Akteure gewonnen, jüngere, freiere Menschen. Wenig hier bleibt geheim (und dann doch), jeder hier sieht jeden, viele kennen viele. Es ist eine grobe Verkennung der Lage, wenn diverse Boulevardblätter berichten, im Steirereck würden große Deals geschlossen. Denn mit Geheimhaltung entsteht Schwellenangst. Und die ist hier seit jeher verboten.

Es tut gut, wenn eine Patronin sexy ist. Und Birgit Reitbauer weiß freilich, dass sie sexy ist. Sie lebt ihr Selbstbewusstsein. Doch ist diese Attraktivität wieder ein Produkt von Form und Intellekt, ein Intellekt, der den mitunter scharfen, oft dramatisch schnellen und immer pointierten Sarkasmus zum Teil einer sympathischen, zugleich aber unerreichbaren Persönlichkeit werden lässt. Eine „Fass-mich-nicht-an“-Emanze ist auch darunter. Auch wenn man diese auf den ersten Blick nicht findet.

Alles zusammengeschweißt

Deswegen reden die Gäste hinter dem Rücken der Patronin auch nur gut von ihr. Man zollt ihr Respekt. Sie gilt den Unternehmensleitern und Bankdirektoren als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied einer imaginären Österreich-AG, die in dem Land immer schon alles zusammengeschweißt hat, was anderswo nicht funktioniert.

Man kann sich diesen Vergleich verbitten, doch das Steirereck ist so gesinnungsbildend, wie die Kronen-Zeitung. Hier findet sich Österreich. Im Steirereck der Birgit Reitbauer aber auch ein bisschen was von Welt. Eine Royal, wie sie die ehemalige Monarchie immer sucht. Birgit Reitbauer, die Königin. Der König befiehlt an den Pfannen und Töpfen, sie befiehlt dem Volk Platz zu nehmen. Und zu Essen, was auf den Tisch kommt. Das Volk folgt. Gerne.

Restaurant Steirereck, 1030 Wien, vier Hauben Gault-Millau, zwei Michelin-Sterne. Vier Gänge zwischen 70 und 100 Euro ohne Wein. Exzellente Weinkarte, entspannte Atmosphäre. Im gleichen Haus gibt es auch die günstigere Meierei. Allerdings ohne Birgit Reitbauer.

 

Datum: 5.2.2011
 

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