Heute stellt dir dein Captain einen Wein mit merkwürdigem Namen vor. Das Getränk heißt → Ortolan Cuvée Prestige und kommt von einem marketingstarken österreichischen Weingut namens Dürnberg im Weinviertel. Die Region ist (entgegen der Verheißung seines Namens) noch nicht so lange für gute Weine bekannt, aber reißt sich seit einigen Jahren irre zusammen, um genau das zu sein, was definitiv gelingt.
Als der Captain für das Studium aus einem schattigen Tal der Südalpen ins hell strahlende Wien zog, merkte er bald, dass so eine Metropole bisweilen anstrengend sein kann. Dann zog er sich zur Verwandtschaft ins ruhige Weinviertel zurück, die dort bis heute in einem umgebauten Bauernof aus dem Mittelalter wohnt. Das war Ende der 1980er-Jahre. Das Weinviertel ist für die Wiener, was die Uckermark für die Berliner ist.
Die Weine, die es damals im Weinviertel gab, wurden in sogenannten Dopplern abgefüllt. Man muss kein Genie sein, um zu erraten, warum diese klobigen Flaschen so hießen und immer noch heißen. Der Doppler ist eine Art Bauern-MAGNUM und genauso schmeckte damals sein Inhalt. Wie ich bereits erwähnte, wurde das Weinviertel inzwischen von ehrgeizigen Weinmenschen wachgeküsst.
Zu den Vorreitern dieser Bewegung gehören die drei Quereinsteiger Christoph Körner, Georg Klein und Matthias Marchesani (im Foto unten von links nach rechts), die in der Weingemeinde Falkenstein (im Bild ganz oben siehst du die namensgebende Burgruine) ihre Erfolgsgeschichte schrieben.
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Der Einheimische Christoph erbte in den 1980er-Jahren von seiner Oma eine 0,14 Hektar große Rebpflanzung und verliebte sich in die Idee, ordentlichen Wein zu keltern. 1991 packte er das Projekt gezielt an. Später kamen die Jugendfreunde Georg und Matthias dazu. Keiner der drei Winzer hat Weinbau studiert. Heute verfügt das weinverliebte Trio über rund 60 Hektar eigenes Rebland. Das Weingut Dürnberg kennt in Österreich jeder Weinfreund. Mit viel Schmäh und geschicktem storytelling gelang es den Markennamen zu etablieren. In Deutschland wartet er noch darauf.
Sehr geschicktes Marketing ist auch der prägnante Name des Weins Ortolan. Was ist das? Ein Zugvogel (Emberiza hortulana) aus der Familie der Ammern. Sieht aus wie ein Spatz. Der Ortolan wird von Ornithologen für seinen charakteristischen Gesang geschätzt, der sich sogar regional unterscheidet. Experten können einen fränkischen Ortolan von einem polnischen unterscheiden, wenn sie ihm zuhören. Es geht die Mär, dass Beethoven (damals noch hörig) sich vom Ortolan für seine 5. Symphonie inspirieren ließ: Tatata-Taaa!
Mit dem Ortolan verbinden manche auch die ziemlich abstoßende Zubereitung seiner selbst als Delikatesse, über die ich hier aus Ekel nicht mehr Worte verlieren möchte, sondern auf → Wikipedia verweise.
Zurück zum Wein. Manchmal schweift der Captain ungebührlich ab. Natürlich hätte der Captain jetzt bei einem der drei Genies anrufen können, warum sein Abendwein ausgerechnet nach diesem Vogel benamst wurde. Manchmal jedoch ist es viel schöner, eine Frage unbeantwortet im Raum stehen und die Spekulationen schwingen zu lassen wie ein nachklingendes Weinglas.
Der lasziv-vollmundige Cuvée Ortolan Prestige ist jedenfalls ein spektakuläres Stück Burgunder-Wein, das auf den Kalkklippen von Falkenstein heranreifte und dein Maul ausfüllt wie eine Weinviertler Blaskapelle beim Kirtag die Luft: Wollüstiger Weißwein aus 85% Chardonnay, 10% Weißburgunder und 5% Grauburgunder, der in Eichenfässern fast ein ganzes Jahr auf der Vollhefe reifte. Das lässt die Erwartungen steigen. Und die werden nicht enttäuscht. Im Glas sattes Strohgelb. In der Nase irre schmelzig und würzig nach der dominanten Rebsorte Chardonnay mit Noten von gebratener Banane, Honigmelone, Mango, nassem Heu, Karamell. Im Mund herrlich cremig und dabei kräutrig-frisch mit feiner Säure. Ich schmecke Ananas, Orangenschale, karamellisierten grünen Spargel aus der Pfanne und Salz. Interessanter Wein, der zwischen opulenter Dichte und mineralischer Frische changiert und dabei den Speisebegleiter für alles Mögliche macht: Räucherfisch, Schweinebraten, Tom-Kha-Gai-Suppe.