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Die Psychopathie des Schnäppchens

Das ist ein Rind. Neuestes Modell...
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Der Captain ärgert sich über die Diskussion um Pferdefleisch in Tiefkühlprodukten. Was ist daran skandalös? Der eigentliche Skandal ist die andauernde Schnäppchenjagd der Deutschen. Sie ist Schuld an elenden Billigprodukten. Auch beim Wein.
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Pferdefleisch also! In irgendeiner Tiefkühl-Lasagne. Nun ja, ist einer gestorben? Nein? Warum dann das ganze Getue? Warum regen sich Verbraucherverbände überhaupt auf?

Was wollen die denn? Ist Pferdefleisch etwa ungesund? Nein, ist es nicht. Irgendein Typ im Fernsehen heute morgen sagte sogar, dass es gesünder sei als Rindfleisch. Und dass uns nur ethische Grenzen vor Pferdefleisch zurückschrecken lassen.

Ethische Grenzen? Da lacht das Schiff. Gäbe es ethische Grenzen, dann müsste man die ganzen Steakhäuser verbieten, die Schweinfarmen in Holland, die Shrimpsbecken in Thailand, die Lachszuchten in Norwegen. Und noch vieles mehr.

Ethik? Haha…

Gäbe es ethische Grenzen, dann würde jeder Mensch nur drei Mal wöchentlich Fleisch essen, Lachs und Scampi wären Luxus. Aber heute will ja jeder seinen Kuchen. Den ganzen Kuchen.

„Die Macht der Verbraucher…“ Da lachen ja die Hühner! Der Verbaucher zeigt mit ganzer Macht, was er will: Billiges Essen. Das will er nicht überall auf der Welt. In der Schweiz, in Österreich und in Norditalien ist der Konsument bereit, wesentlich mehr Geld für gute Grundprodukte zu bezahlen. Das kulinarisch so hoch gelobte Frankreich hinkt indess ordentlich hinterher.

Ganz wichtig – es soll hier niemand diskreditiert werden, der sich keine hochwertigen Nahrungsmittel leisten kann. Und das sind nicht wenige. Sie müssen mit dem auskommen, was ihnen fürs Leben bleibt. Und nicht selten – vor allem hier in Berlin – sparen sich allein erziehende Mütter das Letzte vom Mund ab, um ihren Kindern adequate Nahrung zu verschaffen. Damit diese wachsen und gedeihen.

Unsichtbares Elend

Dass diese Art unsichtbares Elend heute noch und wieder vorkommt, haben wir den Nadelstreif-Sozis zu verdanken, die in einem Wahn der Sozialstatsreformen (wobei die Reform nicht in Frage gestellt werden soll) alle Schranken öffneten. Heute geht es vielen armen und einkommensschwachen Menschen deutlich schlechter, als noch vor 20 Jahren. Dafür vor den Vorhang und Applaus.

Doch zurück zur Macht des Konsumenten. Ja, die hat er. Und er übt sie auch aus. So ist es bizarr, dass ein Vertreter der Nahrungsmittelindustrie gestern sagte, man achte lediglich lediglich auf Wunsch der Konsumenten darauf, immer günstigere Lebensmittel zu produzieren.

Eine ganze Industrie ist auf diesen Bedarf getrimmt und verdient an der Deutschen Lust am Schnäppchen. Es muss noch billiger, immer billiger werden. Weil der Konsument es so will. Also darf man nicht die Industrie anklagen, sondern den Konsumenten, der das billgste Essen der Welt essen will. Vor allem in Deutschland. Aber nicht nur hier.

Geisteskrankheit Schnäppchenjagd

Ich erspare mir die Vergleiche mit Ausgaben für Auto und Heimelektronik. Obwohl diese Vergleiche den ganzen Irrsinn verdeutlichen. In den Köpfen der Deutschen kommandiert nebst Verfahrenswegshörigkeit und Alarmismus auch die Schnäppchenjagd das Denken. Das ist eine Geisteskrankheit der besonderen Art.

Als würde das Volk von einer gemeinen Lobby unterjocht sein, nehmen die Deutschen an, sie entgingen jeder Übervorteilung durch konsequentes Preisdumping.

Alles soll, alles muss immer billiger werden. Preisdruck wird bejubelt wie eine Religion. Denn wir wollen die Unternehmer so wenig wie möglich verdienen lassen. Die sind ja allesamt Verbrecher, die nur an unser Geld wollen.

So, jetzt zum Wein

Es ist vom Fleisch her kein weiter Bogen zum Wein. Kostet ein am Schiff beschriebener Wein unter 10 Euro, dann hat er gute Chancen, von vielen Matrosen gekauft zu werden. Kostet er über 10 Euro, mitunter sogar weit mehr, dann kaufen vor allem jene Matrosen, die mit Leidenschaft kaufen. Kostet ein Wein aber rund um die 5 Euro, dann ist er ein absoluter Renner. Immer. Und wir machen mit, indem wir ihn als Schnäppchen titulieren. Ja, auch das Schiff ist infiziert, weil die Leser dann jubeln.

Wenn wir dann hören, dass gute biodynamische Winzer ihre Weine in Deutschland nicht loswerden, weil sie eine gewisse Preisgrenze überschreiten, dann können wir die Forderung nach gutem, reinem und handwerklich gemachtem Wein nicht mehr ernst nehmen.

Die Deutschen sehen gerne Kochshows und lesen gerne über perfekte Weine. Wenn aber das Aneignen von Kultur (und nichts anderes ist Essen und Trinken) ein paar mehr Cent als Betrag X kostet, dann greifen sie lieber zur Lasgane mit Pferdefleisch. Und schauen sich in der Glotze satt.

Uns nicht aus der Schuld nehmen

Nicht aus der Schuld nehmen heißt auch, symphatische Menschen, ihre Geschäftidee und ihre Werke zu überprüfen, etwa den Schnäppchen-Shopper von Cordula Eich, die sich bemüht (und es gelingt) gute Supermarktweine in einen Einkaufsführer zu verpacken. Dieses Büchlein ist aber Teil der negativen Entwicklung. Und auch die Suche nach einem billigen Alltagswein. Muss es einen billigen Alltagswein geben, müssen wir jeden Tag Steak essen?

Ja viele Weine sind überteuert. Das ist eine Folge des Markengeschäfts. Und viele der guten, einfachen, so genannten „ehrlichen“ Weine erreichen den Konsumenten gar nicht. Dagegen haben wir lmmer angeschrieben. Aber Tatsache auch, dass unter 10 Euro immer häufiger nur mehr (sehr gut gemachte) industrielle Ware zu bekommen ist. Der deutsche Konsument soll sich da nichts vormachen.

Was dagenen tun? Ganz einfach. Mehr regional trinken, mehr lokal konsumieren und die kleinen Produzenten stärken, die Nischen besetzen. Und auch mal einen großen Produzenten belohnen, wenn er in die Nische drängt und dies mit Ethik und Gewissen macht. Gerade beim Wein tun das nicht wenige.

Leider nur Minderheit

Aber das wird nur eine Minderheit bewegen. Kann uns egal sein. Hauptsache wir stehen auf der richtigen Seite. Und das Wort Schnäppchen bleibt uns ein Gräuel. Für diesen Text gibt sich der Captain mal 99 Punkte. Und ein Glas von einem Großen Gewächs.

 

Datum: 15.2.2013 (Update 13.1.2015)
 

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