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Die Geheimnisse der „additiven Önologie“

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Gummi arabicum und andere Zusatzstoffe. Ein auf eigenen Wunsch anonym bleibender Weinmacher erzählt dem Captain wie es läuft. Und warum es immer mehr Aussteiger geben wird.

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Der folgende Beitrag ist ein Gastbeitrag eines Weinmachers, der anonym bleiben will. Der Name ist der Redaktion bekannt. Sein Beitrag soll eine Antwort und Ergänzung zum umstrittenen Beitrag über Gummi arabicum von Maat Mally sein. Auch dieser Kommentar erscheint noch in der Kategorie „Weinwissen“. Er gehört aber in eine neu zu schaffende Kategorie „Weinmeinung“. Der Captain bittet also zu beachten, dass dies kein Artikel ist, der objektives Weinwissen vermittelt. Der Inhalt des Artikels stellt auch nicht die Meinung der gesamten Redaktion dar.

Wein hat etwas Unantastbares an sich. Das liegt daran, dass die Arbeit im Weinberg und im Keller Wissen voraussetzt, das für viele Menschen eine Art gutes und geheimes Wissen ist. Viele Schritte des gesamten Weinprozesses bleiben aber für den Konsumenten weiterhin im Dunkeln.

Wein ist kein Lebensmittel. Wein unterliegt nicht dem Lebensmittelrecht, sondern dem Weingesetz, das zwar z. B. in Österreich eines der weltweit strengsten ist, aber banale Dinge wie das Anzeigen von Zusatzstoffen am Etikett ausschließt. Der Winzer muss diese Zusatzstoffe nicht anführen. Sulfite mal ausgenommen.

Die verfügbare Behandlungsmittelliste für das Kellereiwesen ist lang. Es sind die von Weinmachern gerne so genannten „Zauberpulver“ (Gummi arabicum ist nur eines von vielen), die die Winzerschaft in den Bann ziehen. Alle Mittel versprechen einen besseren und vor allem konsumentenfreundlicheren Wein zu keltern. Und manchmal weisen sie auch den Weg zum Spitzenprodukt, zum Spitzenwein. Und das ist unter gewissen Umständen auch möglich. Man muss halt ordentlich in die Trickkiste greifen.

Das Verständnis und der Umgang mit diesen Mitteln ist eine eigene Wissenschaft. Schüler und Studierende in Geisenheim oder auch Klosterneuburg beschäftigen sich lange Semester nur mit diesen Zusatzstoffen. Da der Weinmacher in jedem größeren Betrieb über dem Weingartenmanager steht, wird der Kellerwirtschaft eine um einiges höhere Bedeutung zugesprochen. Ein Blick in die Neue Welt genügt: Der Weinmacher ist dort ein Halbgott zwischen Pulverchen und Tanks. In der Erde wühlen, das tut der eher selten.

In den Hinterköpfen der Winzer und Weinmacher steht festgeschrieben, dass ein gewisser Informationsvorsprung in Sachen Kellerwirtschaft den besseren Wein macht. Die stattlich gefüllten Regale mit Produkten für die Kellerwirtschaft im Fachhandel werden immer breiter und höher. Hochglanzprospekte und Informationsveranstaltungen helfen den Winzern, die schwierige Aufgabe des Einkaufs zu bewältigen. Hier wird mächtig viel Geld umgesetzt. Der Weinbau, insbesondere die Kellerwirtschaft ist eine richtig lukrative Sparte.

Forschung ist teuer. Und deshalb übernehmen immer mehr Konzerne die Forschung, geben Geld aus, geben den Ton an. Schulen und Universitäten sind entweder zu langsam, oder haben nicht das nötige Geld, eventuell in eine andere Richtung zu forschen, andere Wege zu suchen.

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Unabhängige Beratung gehört somit der Vergangenheit an. Und der Winzer? Der steht vor dem Regal und hat den Druck, Dinge zu kaufen, die laut Prospekt den Himmel auf Erden versprechen. Über die Notwendigkeit wird kaum noch diskutiert. Die Beigabe von Mitteln wird weitgehend widerspruchslos akzeptiert.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind in Österreich und Deutschland Weingärten an Orten gepflanzt worden, wo vorher niemals Weingärten waren. Vielfach wurden gute, leider auch schwer bewirtschaftbare Lagen (z.B. Terrassen) aufgelassen, um in die Ebene zu gehen. In der Ebene wird günstig Wein gemacht. Doch mit dem großen Nachteil, dass mittlere und schlechte Weingärten in schlechten Jahren die Anwendung von Verbesserungsmitteln verlangen, da eine volle Reife der Trauben nicht erreicht wird. Hier entsteht nicht perfekte Qualität, hier entsteht lediglich einfacher und meinetwegen auch gut gemachter Wein. Hier entsteht fruchtiger Wein ohne bleibenden Eindruck. Galt früher der Gaumen als Non plus ultra, hat bei Verkostungen nun der Duft, die Nase, an Wertigkeit gewonnen. Aromaintensive Weine werden meist höher bewertet. Auch wenn sie am Gaumen strukturlos bleiben.

In Deutschland beschäftigen sich heute immer noch viele Weinmacher mit präzise angebauten Höchsterträgen von allerhand neu bepflanzten Rübenäckern. Mit Hilfe der „Additiven Önologie“ entstehen weltweit Jahr für Jahr neue und charakterlose Weine, die zwar eine günstige Freude bereiten können, aber dem Wein in Etappen die Natürlichkeit und Wertigkeit nehmen.

In der modernen Weinwirtschaft besteht ein gewisser technischer Zugzwang. Wer nicht mitmacht, so scheint es, hat verloren. Technik beschleunigt und vereinfacht die Produktion. Deshalb ist es heute möglich, trinkbare Weine bereits wenige Wochen nach der Ernte zu füllen. Frühe Füllungen verlangen kellertechnisches Know-how (Schönungsmittel etc.) und hie und da auch ein paar Zusätze, die etwa die fehlende Fülle im Wein ausgleichen.

Manche mögen jetzt vielleicht den Kopf schütteln, doch diese Prozesse sind weit verbreitet. Bis hin zu renommierten Spitzenhäusern. Es gibt aber auch immer mehr Aussteiger, die unbehandelten, oder zumindest größtenteils unbehandelten und bodenständigen Wein erzeugen. Diese Winzer garantieren, dass Weinkulturlandschaften, die von Menschenhand geformt wurden, ihre Berechtigung behalten.“

Der Captain betont, dass alle derzeit bekannten und in Deutschland erlaubten eingesetzten önologischen Mittel getestet und nicht gesundheitsschädlich sind.

 

Datum: 17.2.2011 (Update 11.5.2011)
 

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