Wie kommt es zu diesem Doppelleben? Als Bub sah Christopher seinem Opa zu, wie dieser Wein an- und ausbaute, um Rohstoff für die deutsche Sektindustrie zu liefern. Das faszinierte ihn sehr. Dann kam jedoch das Ende. Großvater verkaufte seine Weinberge und gab den Weinbau auf. Alles weg. Traurig. Es begab sich jedoch, dass im Zuge der sogenannten Flurbereinigung doch noch ein paar Rebzeilen auftauchten, die Opa einst an Kollegen verpachtet und vergessen hatte. Diese Flächen wurden zusammengerechnet und der Familie als zusammenhängende Fläche zugeschrieben: 0,25 Hektar. Hurra!
Flurbereinigung nennt man staatliche oder private Maßnahmen, um verstreute landwirtschaftliche Grundstücke durch Zusammenlegung für die Bewirtschaftung geeigneter zu machen. Die Maßnahmen sind umstritten, da sie schwere Eingriffe in die Ökologie der Böden bewirken.
Christopher, dessen Begeisterung für Weinbau niemandem verborgen geblieben war, bekam mit 15 die Möglichkeit, sich darauf auszuleben und bestockte die Fläche mit Weißburgunder-Reben. Christopher: „Ich gab den Most in einen geborgten Tank, streute Reinzuchthefen darauf und wartete ab.“ So kann man auch Winzer werden.
Heute verkehrt Christopher mit den Weinforschern in Geisenheim und diskutiert über Klone. Seine neuesten Pflanzungen: Merlot und Gewürztraminer, welche fein gesponnene Weine ergeben, die dem Captain auch sehr gut gefielen und ebenfalls nichts kosten, wie man auf Christophers → Preisliste nachlesen kann.
Ich bleibe aber bei Cristopher Wolfs Weißburgunder feinherb, der 1.) gar nicht feinherb schmeckt und 2.) gar kein reinsortiger Weißburgunder ist, sondern mit ca. 3% Riesling 2017 (ebenso wie der Weißburgunder aus dem Barrique) gepimpt wurde, was ihm sehr gut bekam. Für Christopher Wolf war dieser Trick der Schritt in eine neue Dimension: „Man ist ja schon froh, einen ordentlichen Lagenwein hinzubekommen. Aber das Cuvéetieren mit einer anderen Rebsorte ist eine neue Herausforderung und ein großes Abenteuer.“
Und so schmeckt der Weißburgunder Hattenheimer Hassel feinherb: Im Glas durchsichtiges Hellgelb. In der Nase enorm zitrig und mineralisch. Ich rieche Mandarine und nassen Aschenbecher aus Steingut. Im Mund alles andere als die Bezeichnung „feinherb“ vermuten lässt, nämlich sensorisch trocken – mit cremigem Schmelz, der dem Wein Konturen verleiht. Ich schmecke Birne, Apfel und ein wenig Stachelbeere und spüre das Gefühl diskreter Opulenz. Was für ein feiner und frischer Speisewein, perfekt für alles mit heller Soße. Der geringe Preis für diesen guten Wein ist geradezu mitleiderregend. Ich empfehle gleich eine ganze Kiste zu ordern.
Der Winzer betreibt keinen Online-Shop, weshalb man ihm besser eine E-Mail schickt, nämlich an → info@derwolfdasweingut.com (klicken). Ich empfehle dringend, diesen und weitere Weine von Christopher Wolf zu kaufen und werde bald nochmal darauf zurückkommen. Wolf über sein Leben als Familienvater, Arzt und Winzer (1 Frau, 3 Kinder, 1 Hund): „Arzt sein ist anstrengend und die Arbeit im Wingert ein schöner Ausgleich.“