X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Der Fall Sarrazin: Die Linke schafft sich ab

Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Politischer Sonntag mit dem Meldungsportal ZIB21. Thilo Sarrazins Thesen spalten vor allem die Linke. Sie hat sträflich versäumt, die Folgen der Zuwanderung zu diskutieren. Das ist kein Wunder: Der Linken ging es niemals um die Migranten.
Anzeige

Und irgendwann explodiert es dann. Eine bekannte Grafikerin lebt in einem Wiener Problembezirk, hoher Anteil Migranten, bedingt vergleichbar mit Neukölln in Berlin. Sie arbeitet für linksliberale Magazine und unterhält einen Blog, der ihre Einstellung deutlich macht: gesellschaftskritisch, modern, eindeutig links der Mitte. Das Wahlpendel wohl zwischen Grün und Sozialdemokratie ausschlagend. Doch was zu viel ist, ist zu viel.

In einem facebook-Thread über die Thesen Thilo Sarrazins dann spätnachts der Ausbruch: Sie habe es satt, tagtäglich von den Macho-Arschlöchern angemacht zu werden; sie kann mit dem Verhalten mancher Zuwanderer nicht umgehen. Und vor allem: Sie will es nicht; sie will diese Scheiß-Kultur nicht tolerieren. Leckt mich! Steinigt mich!

Und prompt wurde gesteinigt. Bekannte Journalisten und andere Freunde der Grafikerin, alle links und dezidierte Proklamateure einer offenen, liberalen und multikulturellen Gesellschaft, mahnten Besonnenheit an und forderten die Autorin auf, ihren Wutausbruch einem Dialog zu stellen, einer Diskussion. Gleich erhielt die Grafikerin in dem nun schon meterlangen Thread auch Unterstützung anderer Freunde, auch links, aber nicht unbedingt auf der Universität sozialisiert, sondern im Arbeitsleben. Diese ermahnten die mahnende Gruppe sich endlich der Realität zu stellen, also zur Kenntnis zu nehmen, dass es mit der Migration und den Folgen der Migration auch Probleme gibt. Die verlangte Diskussion war auf Schiene.

Doch wer glauben würde, die ermahnenden Verteidiger der mulitkulturellen und zuwanderfreudigen Gesellschaft würden die Diskussion lange mitmachen, der irrte. Mit dem Hinweis „Da steig ich jetzt aus“ verabschiedeten sich die meisten Teilnehmer dieser Gruppe aus dem anwachsenden Thread. Und ausgestiegen wurde schon beim geringstem Zweifel an dem Gesellschaftsmodell der Zuwanderung. Zurück blieb die Gruppe um die Grafikerin. Und ein Riss, der durch die Linke geht.

Deutschland hat keine rechtspopulistische Partei. Das ist eine Chance, die Debatte ohne Hass zu führen

In Österreich gibt es, anders als in Deutschland, seit Jahren eine Partei, die die Zuwanderung kritisiert. Sie tut dies aber nicht mit Argumenten; sie betoniert xenophoben und rechtsradikalen Dreck in das dringliche Thema. Und verhindert derart jegliche Auseinandersetzung. Diese Partei kann man einfach nicht wählen, gegen diese Partei muss man sein. Und natürlich auch gegen alle ihre Argumente. Was aber, wenn diese rechtsradikale Partei den Finger auf gesellschaftliche Wunden legt? Etwa die Wunde Migration und Zuwanderung.

Deutschland blieb eine solche Partei bislang erspart. Das Protestpotential wird hier von Links gebunden, in der Linkspartei, einer immer noch dubiosen Bewegung ewiggestriger Kommunisten und neuer Marxisten. Doch ihre Wähler wählen diese Partei nur aus Gründen des generellen Widerspruchs. Mit Links hat das nichts zu tun.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass fast 29 % der Linkspartei-Wähler nach einer heute veröffentlichten Emnid-Umfrage eine zuwanderungskritische Protestpartei wählen würden. Und auch 17 % der CDU-Wähler. Deutschland ist in der Realität angekommen. Doch die Geschichte Deutschlands, das Aufarbeiten der Vergangenheit und das Fehlen einer rechtsextremen Protestpartei machen eine sinnvolle Auseinandersetzung noch möglich. Leider ist das nicht garantiert. Und daran ist Thilo Sarrazin Schuld.

Sarrazin ist Nahe an den Nazis

Denn Sarrazin hätte sich mit dem Aufzeigen der Fehlentwicklungen begnügen können. Er hätte das in seiner beleidigt-polemischen Art herrlich rübergebracht – das Buch wäre ein gleich großer Erfolg geworden. Auch die etwas dumme These von der Verdummung Deutschlands wäre noch kein Postulat, an dem man groß Anstoß nehmen muss. Das hätte eine engagierte Öffentlichkeit auch leicht widerlegen können. Problematisch jedoch sind Sarrazins herrenmenschliche Gen-Thesen. Und seine Schlussfolgerung, dass die Zuwanderer aus der Türkei und den arabischen Ländern generell zu blöd wären, sich zu integrieren. Dann noch der Sager mit dem Juden-Gen (das Sarrazin übrigens einem Artikel des mir bekannten, eher links einzustufenden Journalisten Sascha Karberg entnommen hat) und der Schwachsinn über das kontrollierte Auswachsen der Zuwanderer, das alles hat Sarrazin erst mal das Kreuz gebrochen. Möchte man meinen.

Irrtum. Die deutschen Bürger, darunter viele SPD-Wähler und auch Parteigänger der Grünen, solidarisieren sich in Briefen und E-Mails mit Sarrazin, der eigentlich eine ganze Bevölkerungsgruppe an den Pranger gestellt, diskreditiert und letztlich auch zum Aussterben freigegeben hat. So dreist waren einst auch Österreichs Rechtsextreme, als sie darüber sprachen, dass man die Türken und Araber mit tausenden Zügen, Bussen und Flugzeugen wieder in ihre Heimatländer zurück transportieren solle. Diejenigen, die das kund taten, sitzen heute noch im österreichischen Parlament. An die Gen-These, an das Postulat der generellen Dummheit, der von Natur aus gegebenen Unfähigkeit, daran aber hat sich nie ein österreichsicher Rechtsextremer gewagt. Und auch kein holländischer oder dänischer. Das wäre zu viel gewesen. Der sicher nicht rechtsextreme Sarrazin aber traut sich das. Und wird von den Leuten durchgewunken. Offenbar sind die Probleme mit der Zuwanderung so groß, dass selbst der größte Schwachsinn die Debatte nicht zum Erliegen bringt. Sarrazin rules.

Die Linke in Deutschland steht mit offenem Mund da. Und greift auf alte Begriffe zurück: Auf „Rechtspopulist“ (das ist Sarrazin mitnichten). Auf „Rassist“ (auch Rassist ist Sarrazin keiner). Auf „Ausländerfeind“ (das ist Sarrazin am wenigsten). Diese Stereotypen und die immer gleiche Reaktion der Linken werden von der Bevölkerung in diesem Falle als Realitätsverweigerung begriffen. Tenor: Von uns verlangt man, was man den anderen zubilligt. Und da ist was dran.

Zuwanderer werden außer Kritik gestellt

Denn seit Jahren schon wird das Verhalten mancher Zuwanderer außer Kritik gestellt. Der Zuwanderer, so der Eindruck der Bevölkerung, könne sich mehr erlauben, als jeder Deutsche. Das gilt natürlich nicht vor dem Gesetz, das alle gleich behandelt. Es gilt aber in der öffentlichen Meinung. Jegliche Kritik an archaischen Sitten und Bräuchen wurde lange Zeit als fremdenfeindlich und rechtsextrem gebrandmarkt. Eine Meinungsclique, die aus Angst vor alten Verhältnissen keine neuen zulässt, wird irgendwann dafür abgestraft werden. Die Höhe der Strafe wird gerade besprochen.

Der große Fehler dabei: Man hat Ehrenmorde, Clanverbrechen, Klitorisbeschneidungen und Ähnliches immer als bedauerliche Einzelfälle einer sonst sehr integrationswilligen Bevölkerungsgruppe dargestellt. Doch das ist schlicht unwahr.

Auch wenn man sich in die Nähe von Sarrazins Pauschalverurteilungen begibt, so muss man feststellen, dass in Kreisen muslimischer Zuwanderer bis auf wenige Einzelfälle ein krudes und starres Weltbild herrscht. Das Frauenrechte verhöhnt, das Stamm, Clan, Sippe und vor allem Religion vor Staat und Gesellschaft stellt. Das sich einer offenen und toleranten Gesellschaft bedient, sich aber keineswegs engagieren und integrieren will, weil es Integration als Assimilation begreift. Und Assimilation kommt nicht in Frage. Auch für die Linken nicht. Denn Assimilation ist der Tod der eigenen Kultur. Und die ist unbedingt zu bewahren. Das Authentische ist das Mitbringsel der Zuwanderung. Das Authentische, das den Deutschen so abgeht, weil es nach dem Krieg und der Nazizeit mit Grauen und Mord verbunden wurde. Hier liegt der Hund begraben.

Die Zuwanderung der Sechziger und Siebziger Jahre geschah aus ökonomischen Gründen und hat Deutschland beim Aufbau geholfen. Die Zuwanderung danach war oft Familiennachzug und Asylbetrug, der von den Linken instrumentalisiert wurde. Den Linken geht es schon seit den späten Achtzigern nicht mehr um die Zuwandernden, der Linken (und damit sind auch die Grünen gemeint), geht es um eine bunte und heimatlose Gesellschaft, die das verhasste und spießige Deutschland der Sechziger- und Siebziger Jahre ablösen soll. Das Gorleben-Brokdorf-Atomstaat-Deutschland. Das Wirtschaftswunder-Exportweltmeister-Deutschland. Das Pfälzer-Saumagen-Deutschland. Das alles war der postmarxistischen deutschen Linken auch ein Begriff für nicht verarbeiteten Nationalsozialismus.

Den Linken ging es nie um die Zuwandernden

Der Linken ging und geht es also nicht um die nach Deutschland kommenden und von ihnen willkommen geheißenen Menschen; der Linken ging und geht es um die Deutschen. Diese sollen sich ändern. Sie sollen multikulturell, offen, tolerant und aufnahmebereit werden. Der Deutsche als neuer Mensch. Ein Volk, auf das man stolz sein kann. Die deutsche Linke wollte eine anderes Deutschland installieren. Doch das hat Deutschland von ganz alleine geschafft.

Denn längst ist das Volk in weiten Teilen, wie es sich die Linke lang ersehnte. Religion ist bedeutungslos, Homosexualität kein „Problem“, Lebenskonstruktionen verhandelbar, Frauen- und Minderheitenrechte selbstverständlich. Der Deutsche hat sich Millionen Kilometer vom dritten Reich entfernt. Ausser Thilo Sarrazin, der wieder, wie einst die Nazis, die Gene bemüht.

Dieses andere Deutschland ist bemerkt worden. Im Ausland. Und von den Deutschen selbst. Sie sind zu Recht stolz auf ihren Pragmatismus, ihrem Trotzen gegen den Alarmismus deutscher Medien, ihre Gelassenheit damit, dass ihr Land auch Projektionsfläche neuer Träume geworden ist. Die Deutschen entdecken Deutschland als Heimat (vor allem in den Regionen). Und den Stolz auf Land und Leute. Das alles in einem liberalen und sogar linken Kontext.

Man muss mit den Zuwanderern Klartext reden

In dieser neuen Verfassung ist es angesagt, über die Probleme der Zuwanderung reden zu dürfen. Von den Zuwandernden auch etwas verlangen zu dürfen. Das sehen inzwischen viele Linke so, etwa Regionalpolitiker, die auf die Leute hören. Und die Leute wollen ein Ende der Lüge.

Etwa die Lüge der Notwendigkeit von Zuwanderung. Weil Deutschland sonst ausstirbt. Weil niemand die Pensionen zahlt, wenn keine Zuwanderung erfolgt. Doch die Bürger sehen tausende junge Zuwanderer und auch die Söhne und Enkel der Zugewanderten, längst deutsche Staatsbürger, beschäftigungslos in den Innenstädten die Zeit totschlagen. Sie fragen sich, was diese Leute zur Pensionssicherung beitragen können. Und so gerät die Diskussion über Zuwanderung erneut auf eine falsche Schiene. Auf jene der ökonomischen Nützlichkeit. Es ist eine weitere Groteske, dass dieses Argument für die Zuwanderung gerade von der Linken als Schwert benutzt wird.

Auch Sarrazin, welch Wunder als Bundesbanker, sieht die Ökonomie im Vordergrund. Ihm kostet die verfehlte Zuwanderung zu viel Geld. Er (und Millionen andere Deutsche) wollen nur mehr qualifizierte Zuwanderung, Zuwanderung, die der deutschen Ökonomie etwas bringt.

Das entbehrt nicht einer gewissen Obszönität. Und wieder ist es die Linke, die hier verzweifelt unterstützend tätig wird. Jedes Argument für Zuwanderung wird heilig gesprochen, denn es geht um eines der letzten Themen der Linken, die sich (bis auf die FDP) nur mehr von Sozialdemokraten (die CDU ist längst keine rechte Partei mehr) umgeben sieht. Erst ein gewisser Prozentsatz Zuwanderer, so die These der Linken, mache Deutschland zu einer lebenswerten und demokratisch sicheren Gesellschaft. Das ist aber ein Irrtum, ist jene Wunde, auf die Sarrazin seinen salzigen Finger legt.

Sprache alleine ist zu wenig

Ein anderer Irrtum ist die Sprachendiskussion. Jeder Zuwandernde soll sehr schnell Deutsch können. Nicht, dass das nicht helfen würde, dass dies nicht sinnvoll ist. Aber die Sprache alleine zeigt nicht die Gesinnung, das Weltbild. Mohammed Atta sprach fließend Deutsch. Als er in einen der Zwilingstürme flog hat er Allah gepriesen. Auf arabisch.

Nein, der Grundfehler war (und ist), dass man Zuwandernden vor ihrer Zuwanderung nicht die Regeln der deutschen (und europäischen) Gesellschaft vermittelt. Man muss den Zuwanderern erklären, wie Demokratie funktioniert, dass der Staat nicht Geld druckt, sondern von Steuereinnahmen lebt, die über Leistung aller Art erwirtschaftet werden. Dass der Staat die Religion achtet, aber es nicht tolerieren kann, dass die Gesetze der Religion über den Gesetzen der Gemeinschaft stehen.

Man muss den Zuwanderern klipp und klar sagen, dass der Staat und die Gesellschaft die Familie achten und auch fördern, dass aber Clan-Stamm und Sippenverhältnisse, die den Staat im Handeln des inneren Kreises ausser Kraft gesetzt sehen, nicht toleriert werden. Man muss den Zuwanderern aus muslimisch dominierten Gesellschaften erklären, dass die Frau unbedingt gleiche Rechte besitzt und diese Rechte jederzeit wahrnehmen kann; dass Homosexuelle hier nicht verachtet und mit dem Tod bestraft werden; dass andere Minderheiten und Religionen die gleichen Rechte besitzen. Und dass in Deutschland Gewaltenteilung herrscht.

Clan, Stamm und Sippe zählen hier nichts

Man muss den Zuwandernden aus muslimischen Ländern und Gesellschaften erklären, dass der Mann als Mann alleine wenig zählt, wenn der Mensch nicht nach Bildung trachtet; dass Bildung und Arbeit den gesellschaftlichen Aufstieg ermöglichen. Und die Erbschaft der Clan- und Sippendominanz außerhalb des inneren Kreises nichts zählt und nichts ermöglicht. Man muss auch den längst Zugewanderten erklären, dass sie ihre Kinder nicht aus dieser Gesellschaft abschotten dürfen, dass Ehre und Ehrverlust überholte Begriffe sind, Blutglauben und Blutrache nicht toleriert werden.

Man muss den Zuwandernden, den Zugewanderten und ihren Kindern und Kindeskindern erklären, dass in Deutschland und weiten Teilen Europas universelle Rechte gelten. Und weil diese Rechte jahrhundertealten linken und liberalen Forderungen entsprechen, muss das die Linke erklären. Das hat sie nicht gemacht, das war ihr Fehler, das stellt sie jetzt vor einem kaum zu kittenden Riss. Das Versagen der Linken in allen Angelegenheiten der Zuwanderung wird die Gesellschaft nachhaltig ändern. Nicht Deutschland schafft sich ab, wie Sarrazin postuliert, die Linke schafft sich ab. Man muss aufpassen, wer nun welches Gesellschaftsmodell präsentiert.

  • Der Captain empfiehlt den international integrierten türkischen Rotwein Corpus aus dem in der Türkei perfekten Jahr 2005, eine Granate und DER Vorzeigewein der Türkei. Für 39,50 Euro.

 

Datum: 5.9.2010 (Update 22.8.2014)
 

Aktuelle Weinempfehlungen