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Der Digital-Trickser von HAWESKO

HAWESKO-Chef und Börsenhallodri: Thorsten Hermelink.
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Der riesige deutsche Weinhandelskonzern HAWESKO schwindelt sich digitaler als er ist. Das ist völlig legal, aber trotzdem fragwürdig.
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[Dieser Artikel erschien im August 2020.] Lieber Wein- und Filmfreund, lass mich zunächst von einem Tropfen für den Schauspieler Til Schweiger erzählen. Er stammt aus einem Projekt, das 2017 im deutschen Weinhandelskonzern HAWESKO ausgetüftelt und gemeinsam mit Schweiger umgesetzt wurde.

In einem Interview aus Anlass der Produktpräsentation erläuterte der Til damals einer Kollegin der BILD-Zeitung, was er unter Weinkultur versteht: „Noten von Pfirsich und Ananas? Glaubt doch kein Mensch. Und dann die ganze Show, die ums Weintrinken gemacht wird. Ich kann es nicht leiden, wenn Wein im Restaurant dekantiert wird.“

Ich glaube, das war Spaß, denn wie man hört, ist der Gutverdiener durchaus ein Connoisseur, der feine Weine zu schätzen weiß. Hier findest du → meinen Artikel darüber.

HAWESKO ist börsennotiert und unterliegt umfassenden Berichtspflichten, die aufwendig geregelt sind. Zum Schutze der Kleinanleger, die der Gesetzgeber vor Übertölpelung bewahren will. So weit die Theorie. Wie die Praxis aussieht, kennt man von WIRECARD, wo von deutschen Behörden und den Aufdeckern der Qualitätspresse ungestört ein gigantischer Betrug stattfand. Von wegen durchregulierter Kapitalmarkt. Warum ich das in einem Beitrag über HAWESKO vorausschicke? Wirst du gleich merken.

Der Captain schaut immer wieder bei HAWESKO rein, weil die dort aufbereiteten Daten interessante Rückschlüsse auf die Entwicklung des Weinmarktes gewähren. Dann scrollt der Captain durch die Geschäftsberichte, beobachtet, wie sich die Tochtergesellschaften entwickeln (WirWinzer machte 2019 rund 1 Mio. Verlust), entdeckt Stoff für Branchenklatsch, mit dem er auf der nächsten Bordeaux-Verkostung auftrumpfen kann, zum Beispiel die Abfindung eines „gegangenen“ Vorstandsmitglieds, für die ein kleiner Winzer 20 Jahre lang im Weinberg den Buckel krumm machen müsste, und andere Info-Schlückchen, die den Wissensdurst des Captain löschen.

Nun steuert der Captain im Vergleich zum Ozeanriesen HAWESKO nur ein winziges Elektroboot, das mit kleiner Bugwelle übers Wasser flitzt und sehnlich auf die Digitalisierung der Weinwirtschaft wartet. Und deshalb ist er neugierig, wie das mit dem Internet bei HAWESKO so läuft. Ganz fantastisch jubelt HAWESKO seit Jahren in einer gegen die Unendlichkeit laufenden Kaskade des Eigenlobs. Die Zahlen scheinen das auch zu belegen. Bei oberflächlicher Betrachtung. Mit geschärftem Sehsinn beäugt, ergibt sich jedoch ein anderes Bild.

HAWESKO schwindelt sich schön, was die Anbindung ans Internet betrifft. Mit einem ganz einfachen Trick. Und zwar seit der ehemalige Schuhketten-Manager Thorsten HermelinkChef ist. Der kam 2016 von GÖRTZ zu HAWESKO und arbeitete zuvor für TCHIBO und LIDL. Die Nähe zwischen Schuh und Wein ist übrigens gar nicht so absurd, wie sie klingt. Im Hamburger Schanzenviertel gibt es seit 40 Jahren einen Laden, der beides verkauft: → Scarpovino. Rück’s endlich raus, Captain, wie geht der Schmäh von Hermelink?

Ganz einfach: HAWESKO weist seit jeher seine Umsätze nach Segmenten aus. 2016 hießen die noch:

  1. Facheinzelhandel
  2. Großhandel/ Distribution
  3. Distanzhandel

Zum dritten Segment Distanzhandel gehört jener Bereich, der HAWESKO bekannt machte: der Verkauf via postalisch zugestellter Kataloge und das Präsentgeschäft, also Weingeschenke, die Firmen zu Weihnachten an ihre Kunden schicken, um sich für ihre Treue zu bedanken. 2017 hieß dieses Segment schon etwas anders, der ursprüngliche Name stand noch in Klammern: Digital (Distanzhandel). 2018: E-Commerce (Distanzhandel). 2019: E-Commerce. Die schleichende Umbenennung des ganzen Segments bei unverändertem Inhalt lässt den flüchtigen Beobachter glauben, das ganze Segment verdiene sein Geld ausschließlich mit dem Onlineverkauf von Wein. Das ist mitnichten der Fall.

Diese Information wird aber gut versteckt und steht nur im Kleingedruckten. Im Konzernanhang 2019 findet sich auf Seite 147 im Kapitel „Segmentberichterstattung“ folgende Auskunft: Zum Geschäftsbereich Distanzhandel zählen die Unternehmen Wine Dock GmbH, Hanseatisches Wein- und Sekt-Kontor HAWESKO GmbH, Wein & Vinos GmbH, Carl Tesdorpf GmbH, The Wine Company Hawesko GmbH und WirWinzer GmbH. Jedoch nichts über die in diesem Segment ausgelösten Weinverkäufe im Internet.

Die erfährt man nur verklausuliert an ganz anderer Stelle, nämlich auf Seite 41 im Kapitel „Geschäftsverlauf der Segmente“: 61,0 % (Vorjahr: 55,0 %) des Gesamtumsatzes wurden online erzielt, der restliche Anteil über klassische Vertriebswege wie Post, Telefon und Fax. Aha: Post, Telefon und Fax sind also bei Hermelink E-Commerce.

Mit einer absoluten Zahl geizt Hermelink an dieser Stelle, er will sich offenbar nicht in die Suppe spöken (Plattdeutsch) lassen. Der Captain springt rüber zu Seite 98 („Erläuterungen zur Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung“) und notiert den Segment-Umsatz jener Abteilung, die Hermelink „E-Commerce“ nennt: 174,018 Mio. Euro. Er greift zum Taschenrechner und tippt. 61% von 174,018 Mio. ergeben gerundet: 106,15 Mio. Das ist der echte E-Commerce-Umsatz des Segments „E-Commerce“. Unterschied zwischen Hermelink-Bluff und Taschenrechner: etwa 68 Mio. Euro. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es noch weitere E-Commerce-Umsätze gibt, welche die eher unbedeutenden Online-Shops von Wein & Co und Jaque’s Weindepot (beide sind dem Segment „Retail“ zugeordnet) einspielen. Sie sind aber kaum der Rede wert.

Betrügt HAWESKO? Natürlich nicht, ist alles legal. Solche Schwindeleien gehören zum guten Ton in Börsenkreisen. Fazit: Bis Ende 2019 fuhr der HAWESKO-Pott zum Großteil mit Schweröl. Der Elektro-Antrieb brachte nur einen kleinen Schubs. Bis Corona kam.

Das Virus wirkt auf Hermelink wie ein Aphrodisiakum. Lustvoll stöhnt er in einem → Interview von 50% Steigerung im E-Commerce-Segment. Zitat: Wir könnten noch mehr verkaufen.

Aber wozu dient das Hütchenspiel, wenn der ganze HAWESKO-Laden sowieso fast nur einem Menschen gehört? Der sogenannte Streubesitz bei HAWESKO ist nämlich lächerlich gering. Noch mehr Kleinaktionäre in die Aktie zu locken, dürfte kaum die Absicht sein.

Eine mögliche Antwort ergibt sich nach einem Blick in den Aufsichtsrat. Dort sitzen neben Großaktionär Detlev Meyer (der dafür sorgen lässt, dass kein Foto von ihm zu finden ist – kluger Mann!) honorige Menschen, darunter die Hamburger Schmuckhändlerin Kim-Eva Wempe, der angesehene Winzer Wilhelm Weil und ein gewisser Thomas R. Fischer, Chef der Reichen-Bank Marcard, Stein & Co., Tochterfirma der Cum-Ex-Bank M.M.Warburg & Co., deren Research-Abteilung mit freundlichen Empfehlungen seit Jahren → zum guten Ruf der HAWESKO HOLDING AG beiträgt und das Lied vom Digital-Boomer gerne verbreitet. Nicht ganz uneigennützig, wie man → unschwer ermitteln kann, wenn man weiß wo.

Denn Warburg wird für seine Analysen bezahlt, berät HAWESKO, ist an HAWESKO beteiligt und spekuliert mit Finanzprodukten, die an den Börsenkurs von HAWESKO gekoppelt sind. Kurz: Sollte ein richtig großer Player die Mehrheit von HAWESKO übernehmen (gehörte schon einmal zum METRO-Konzern), sitzt Warburg mit am Tisch und kassiert.

Aber es kommt noch dicker: HAWESKO ist nämlich auch an Warburg beteiligt. So viel Verflechtung heißt dann schon Filz. Früher bezeichnete man das durchaus negativ konnotiert als → Deutschland AG.

Das Internet-Märchen von Thorsten Hermelink macht nur Sinn, wenn HAWESKO einen neuen Eigentümer sucht, glaubt der Captain, der sich jetzt wieder von seinem Nebenhobby als Börsenschnüffler verabschiedet und zum Wein zurückkehrt – dem milden und süffigen Grauburgunder LUNA aus dem Keller von Erfolgswinzer Jochen Dressigacker, der runtergeht wie nix und Spaß macht.

Diesen Biowein hat Dreissigacker dem Schauspieler und Multi-Unternehmer Til Schweiger auf die Zunge maßgeschneidert. Deshalb heißt er auch LUNA, so wie eine der Töchter von Til.

In der Nase enorm duftig. Ich rieche frische Aprikosen, weißen Pfirsich und Würze. Der erste Schluck. Tolle Saftigkeit, ganz viel Volumen aber kein plumpes Pumpgun-Geballer, sondern ein präziser Blattschuss, der ganz sicher den Nerv der jungen Zielgruppe trifft. Ich schmecke glockenklare Frucht, butterweichen Schmelz und eine Prise Würzigkeit, die den Tropfen zum Universalspeisebegleiter macht. Da geht Pizza, da geht Fleisch und meinetwegen auch Kartoffelpuffer. Die Säure ist auf das Minimum runtergedimmt. Im Abgang noch mal ganz viel Saft und Fruchtgenuss.

Lass dir diesen Wein schmecken und vertraue NIE auf die Empfehlung einer Bank, wenn du Aktien kaufen willst. Oder leg dein Geld in andere liquide Mittel an – zum Beispiel Wein.

 

Datum: 25.8.2020 (Update 12.11.2022)
 

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