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Der 2010er Report von Maat Eschenauer (1)

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Captains Maat Felix Eschenauer fuhr nach Mainz, um an der Weinbörse nach den umstrittenen 2010er Weinen zu schauen. Und er fand widersprüchliches wie auch hervorragendes. Hier der erste Teil seines großen Reports.
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Die Mainzer Weinbörse: Das ist alljährlich eine der ersten Gelegenheiten, um die jungen Weine fast aller deutschen Spitzenwinzer auch in der Breite zu kosten. Und die Großen Gewächse aus dem letzten Jahrgang 2009 sowie die besten Rotweine (2008, 2009), die erst in diesem Jahr auf den Markt kommen. Uns aber interessiert besonders der 2010er, der „halb abgemeldete Arschjahrgang“.

Halb abgemeldet, denn auch nach dem Verkosten von ein paar hundert 2010ern bleiben Zweifel bestehen, ob das Jahr die zuletzt gestreuten Erwartungen erfüllt. Eines ist sicher nicht angebracht: Euphorie. Zu heterogen die Qualität, zu klein die Mengen, zu unübersichtlich das Preisgefüge. Denn der Jahrgang 2010 wird teuer, sehr teuer. Die ersten Anzeichen dafür sieht man auf einige Preislisten, die in den letzten Wochen in die Kojen flatterten.

Aber uns interessiert in erster Linie die Qualität der Weine. Ein auffälliges Zeichen dafür, dass dieser Jahrgang etwas Besonderes ist, war die hohe Zahl an Fassproben, die in Mainz ausgeschenkt wurden. Bei manchen Gütern mag dies eine psychologische Finte sein. Nach dem Motto: da geht noch was, der Wein ist ja noch nicht fertig. Viele Winzer haben aber ihre Weine tatsächlich noch nicht abgefüllt, bzw. noch nicht in den Verkauf gebracht. Schwieriger als die echten Fassproben machen es naturgemäß die ganz frisch gefüllten Weine. Das hat selten Zweck: Hefe, Schwefel und eine noch spitzere Säure machen das Probieren schwer. Da muss man dann die Zukunft rauslesen können wie im Kaffeesatz.

Grundsätzlich lässt sich sagen: es gibt kein einheitliches Bild. Schon innerhalb der Anbaugebiete merkt man große Unterschiede. Und selbst innerhalb einzelner Weingüter sind die Ergebnisse aus 2010 teilweise sehr unterschiedlich. Und auch sehr schwankend.

Eines aber gleich vorweg: neben den restsüßen Rieslingen sind die trockenen Silvaner die großen Gewinner des Jahrgangs 2010. Wenn nicht gefummelt wurde!

Diesen Mann muss man nicht vorstellen. Er ist einer der berühmtesten Winzer Deutschlands. Und er war zum ersten Mal in Mainz. (Foto: dpa)

Pfalz 2010

In der Pfalz zeigten sich die Probleme des Jahrgangs sehr deutlich. Der Großteil der trocken ausgebauten Rieslinge und Burgunder trägt eine derart spitze Säure zur Schau, dass auch das Ausreizen der Restzuckergrenze selten von Erfolg gekrönt war. Im Gegensatz zu Rheinhessen und dem Rheingau wirken die 2010er hier durch die Bank kantig und sind aromatisch, sehr von pflanzlichen Noten geprägt. Das ist keine generelle Absage an eine Region, aber die Problematik ist nicht zu leugnen. Aufgrund der Jugend der Weine muss hier aber das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Im Herbst nachverkosten.

Sehr positiv in der Pfalz: die trockenen Rieslinge von Karl Schaefer, dito von Mosbacher und die schlummernden Riesling-Riesen aus dem Hause von Winning. Die besten Burgunder kamen von Philipp Kuhn.

Rheingau 2010 (mit einer Ausnahme)

Dem langweiligen Rheingau, auf den ich immer gerne schimpfe, scheint der Jahrgang gut bekommen zu sein. Oft sind die Weine sehr konzentriert, animierend, und die guten wurden offenbar auch nur wenig behandelt (entsäuert, etc.). Die größte Überraschung war für mich das Weingut Querbach, das ausschließlich 2009er am Start hatte. Die schmeckten so überzeugend saftig, straff und würzig, dass es eine Freude war. Die besten jungen 2010er im Rheingau:

  1. Peter Jakob Kühn mit einer sensationellen Kollektion. Angefangen beim grandiosen Gutsriesling bis zum sehr feinen Hendelberg. Dieses Jahr schmecken mir auch wieder die restsüßen Rieslinge, die in den letzten Jahren oft sehr opulent ausfielen.
  2. Toll und typisch, die drei trockenen Kabinette Nussbrunnen, Pfaffenberg und Kirchenstück von Schloss Schönborn. Momentan scheint mir Kellermeister Peter Barth einer der wenigen Winzer vor Ort zu sein, der die Lagenunterschiede präzise herausarbeiten kann.
  3. Robert Weils edelsüße Spitzen sind immer groß, seine Gräfenberg Spätlese strahlt 2010 noch heller als sonst.

Dann noch Prinz von Hessen, Flick und die Georg-Müller-Stiftung mit eher kantigen, aber sehr vielversprechenden Basisweinen vom Riesling. Solide altmodisch der Graf von Kanitz; sehr gut, aber nicht spektakulär: Josef Leitz. Die trockenen Weine von Künstler probieren sich sehr verhalten, dafür gibt es einige spannende restsüße Säfte. Dito Schloss Johannisberg und Wegeler.

Mosel (Saar, Ruwer) 2010

An Mosel, Saar und Ruwer scheint der Jahrgang voll zum gewohnten restsüßen bis feinfruchtigen Stil gepasst zu haben. Aber auch die besten trockenen Weine sind mehr als gelungen. War man aus den letzten sechs Jahrgängen gewohnt, eher mit exotischen Fruchtaromen verwöhnt zu werden, schmecken die restsüßen 2010er wieder etwas verhaltener, subtiler. Dafür wirken sie, insbesondere bei Spätlesen, rassiger und trinkfreudiger. Dazu kommt, dass die Säure ungeheure Mengen Restzucker schluckt und die Rieslinge viel trockener wirken, als sie tatsächlich sind.

An der Mosel also die gewohnte Klasse mit einigen Ausreißern nach oben: Geltz-Zilliken mit einer beispielhaften Kollektion schlanker, feingliedriger, aber durchaus konzentrierter Weine. Von Othegraven noch wesentlich verschlossener, jedoch sehr fein. Van Volxem in einem betont schlanken Stil, wie ihn die wenigsten Fans kennen dürften. Und das wird spannend, denn auf die Reaktionen der Konsumenten bin ich da mal gespannt.

Feste, trockene und elegante, erstaunlich offene Rieslinge kommen vom Karthäuserhof. Dr. Wagner – der momentan vielleicht letzte Vertreter des alten, stahligen Saarstils – zeigte sehr schöne Rieslinge aus den Lagen Rausch und Bockstein. Erfreulich seit dem letzten Jahrgang ist das Niveau bei Dr. Loosen: restsüße und trockene Rieslinge kommen der besten Loosen-Zeit in den 90ern qualitativ wieder sehr nahe. Fritz Haag und Schloss Lieser brillierten wie gewohnt; vor allem Fritz Haag scheint der Jahrgang sehr entgegengekommen zu sein. Die Weine schmecken rassiger und weniger auf die Spitze getrieben, als in den letzten Jahren. Letzteres gilt auch für Reinhold Haart, dessen Ohligsberger Spätlese für mich schon jetzt zu den schönsten 2010ern zählt. St. Urbans-Hof: geschlossen und extrem mineralisch – eine Punktlandung.

Morgen Vormittag folgt dann der zweite Teil des großen ersten Annual-Reports von Maat Felix Eschenauer.

 

Datum: 20.4.2011 (Update 1.9.2014)
 

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