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Die Weinmesse ProWein. Das heißt über 9 Stunden Weine verkosten. Über drei Tage. Und verhandeln, quatschen, unterschreiben, handshaken und wieder verkosten. Irgendwann ist genug und der Gaumen dicht. Feierabend. Ausgehen, trinken, mal ganz ohne Wein.
Wenn der Maat mit Winzern und Besuchern über Düsseldorf ins Quatschen kommt, gibt es so einigen Wissensdurst über das Bier dieser Region, dem Altbier. Dieses braune, obergärige Bier, das einst von den Toten Hosen in fieser Bierzeltmanier besungen wurde, gehört zu dieser niederrheinischen Stadt wie die Unfreundlichkeit zu Berlin.
Und trotzdem kann man bei Altbier verdammt viel falsch machen, Stichwort Massenzeug. Nicht umsonst geht der Altbierkonsum, selbst in Düsseldorf, seit Jahren stetig zurück. Besonders bei jüngeren Menschen. Bei denen wurde die Bierschlacht schon längst an das hippe aber schnöde Beck’s Grün verloren.
Dabei kann ein gutes Alt verflucht lecker sein. Man muss halt nur die richtigen, kleinen Brauereien suchen, bei denen Alt mit Herzblut gebraut wird. Und das Schöne ist, dass diese Hausbrauereien alle dicht zusammenliegen und flott erreichbar sind.
Fangen wir an mit der kleinen Altbier-Tour
Das „Gulasch Alt“ ist erst seit 2009 zu haben und stellt die zweitjüngste Bereicherung am Altbierhimmel dar. Es ist am „Alten Bahnhof“ in Oberkassel zu bekommen und wird auch gleich vor Ort gebraut. Dahinter stecken zwei alte Gastro-Hasen, die lange Zeit bei einem anderen Düsseldorfer Brauhaus arbeiteten.
„Gulasch Alt“ ist ein Mittelding. Nicht zu herb, nicht zu leicht. Hat einen recht aromatischen Hopfen und sehr trockenen Biss mit angenehmer Würze. Im Glas zeigt es ein helles Kupfer, weißer Schaum. Guter, herber Abgang. Insgesamt eher schlank. Ein Allrounder-Alt. Sauguter Trinkfluss.
Die Location hier am „Alten Bahnhof“ ist sehr geräumig, wirkt nie zu voll und möchte ich als modern-gutbürgerlich bezeichnen. Ein sehr angenehmes und ruhiges Brauhaus, das etwas abseits von Trubel liegt.
Es geht einige Bahn-Stationen weiter über den Rhein in das Herz Düsseldorfs: in die Altstadt. In der Kurzen Straße ist der jüngste Altbierzuwachs zuhause: das Kürzer Alt, erhältlich seit Herbst 2010. Kürzer-Alt zeigt sich ebenfalls kupferfarben im Glas, in der Nase Rauch, süßlich-würzig wie Herbstlaub, deutlicher Schokoladentouch. Rund und malzbetont mit ebenfalls trockener Hopfennote. Kein übermäßig komplexes Alt. Eher ein Dampfhammer, der irgendwann satt macht.
Altstadt, Tummelplatz der Brauereien
Die Location bei Kürzer ist so ganz anders, als die restlichen gutbürgerlichen Hausbrauereien. Kein Hum-ta-ta, Schweinshaxen und Altherrenmuff. Minimal eingerichtet. Junges Publikum. Ein kleiner Hingucker ist das durchsichtige Fass, aus dem gleich direkt gezapft wird. Ganz hinten darf man einen Blick auf die Bauanlagen aus Edelstahl nehmen. Der leichte Duft von eingekochtem Malz zieht durch den hinteren Teil der Kneipe.
Den Süffigkeitsoskar erhält Jahr für Jahr eine echte Ikone der Altbiere: das Schumacher Alt, auch erhältlich in der berühmten Literflasche mit Bügelverschluss. Im Glas sehr leuchtend hell, ja fast orange, der Schaum hat ebenfalls orangenfarbene Züge. Extrem duftig und blumig in der Nase, leicht im Mund mit wenig Hopfen. Ein Alt, mit sehr eigener Handschrift. Ist sofort aus allen anderen herauszuschmecken. Mit diesem Alt kann man ruhig den ganzen Abend verbringen – es macht nie satt. Erstaunlich.
Allerdings sind die Örtlichkeiten der beiden Brauhäuser von Schumacher in der Altstadt sowie der Oststraße ziemlich gutbürgerlich aufgezogen. Hier herrscht Tradition pur. Das ist nicht jedermanns Sache. Wer auf rheinisch-deftige Küche wert legt, ist hier richtig. Trotzdem sollte man dieses Schumacher-Alt probiert haben.
In der nördlichen Altstadt in der Ratinger Straße ist das Brauhaus „Im Füchschen“ beheimatet. Seit über 160 Jahren. Dieser Ort ist auch weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Von innen dunkel-rustikal eingerichtet und ziemlich gemütlich. Hier trifft man sofort den rheinischen Singsang zusammen mit den ruppigen Kellern, die im Rheinland Köbes genannt werden. Ein fetter Fleischgeruch schlägt einem entgegen.
Doch Vorsicht: meist ist das eher engere Füchschen proppenvoll. Sitzplätze ohne Reservierung sind gegen Abend oft schwer zu finden. An der Theke bei den dicken Holzbierfässern findet sich meist ein Stehplätzchen, aber auch die können knapp werden.
Rustikal und gutbürgerlich, nun ja.
Das Füchschen Alt ist sehr hell, klassisch bernsteinfarben. Und das Alt mit der schönsten und aromatischten Hopfennote. Man möchte drauf rumkauen. Bleibt mit seinem komplexen, hopfigen Abgang lang am Gaumen haften. Wohl das typischste Alt aus Düsseldorf.
Einige Hundert Meter weiter an der Bolker Straße liegt die Hausbrauerei „Zum Schlüssel„, die von der Familie Gatzweiler seit 1990 betrieben wird. Das „Schlüssel-Alt“ ist wohl das mildeste und rundeste Alt. Hat eher wenig Hopfen, ist rund und weich mit leichter Süße. Dem Maat findet auch das sehr lecker, allerdings fehlen ihm hier ein wenig die Kanten. Ein Alt für die Damenwelt wie geschaffen. Aber das ist Geschmackssache, klar.
Nur mit der Location „Zum Schlüssel“ selbst hat der Maat eher so seine Probleme. Von innen weger holzig-rustikal eingerichtet, sondern eher etwas kühl und hallig. Als gemütlich empfindet es der Maat dort nie so recht. Vielleicht ist es auch die Hausbrauerei mit dem höchsten Uff-Ta-Ta Faktor und traditionellem Karnevalsvereins-Gedöns. Nun gut, das haben in der Düsseldorfer Altstadt halt alle Hausbrauereien mehr oder weniger.
Uerige Alt: schwer und hopfenherb
Eine Brauerei sollte man immer bis ganz zuletzt aufschieben: den Besuch beim bekannten „Zum Uerige„. Denn dieses Alt ist schwer, sehr hopfenherb und ziemlich komplex. Eher nichts für Altbier-Anfängerzungen. Nach diesem Alt kann nichts mehr kommen.
Dunkel im Glas, rauchiger Duft. Typisch für das Uerige-Alt ist seine deutliche Salzigkeit, die es für einen wunderbaren Begleiter für die deftige, fleischige Küche der Brauhäuser macht. Belohnt wird man mit einem langen hopfigen Abgang. Es soll schließlich es das Bier mit den höchsten Hopfenbitterwerten aller deutschen Biere sein. Aber Obacht: es macht wegen seiner Schwere ziemlich schnell satt.
Das Uerige (Düsseldorf Platt für „seltsam“) in der Berger Straße ist in Düsseldorf eine echte Institution, da geht nichts drüber. Hier stehen die Putzfrauen neben Manager und leben zusammen den rheinischen Frohsinn und drücken sich Rheinischen Sauerbraten rein. Das „Uerige“ mit den erhabenen Kupferkesseln sollte man mal von innen gesehen haben.
In allen Düsseldorfer Hausbrauereien gilt ein ungeschriebenes Gesetz: niemals nach einem Kölsch fragen! Sonst dürfte das ähnlich enden, wie man es hier sehen kann.
- Gulasch Alt im Brauhaus am Alten Bahnhof, Belsenplatz 2, 40545 Düsseldorf / Oberkassel
- Kürzer Alt in der Brauerei Kürzer, Kurze Straße 18-20, 40213 Düsseldorf / Altstadt
- Schumacher Alt in der Brauerei Schumacher, Oststraße 123, 40210 Düsseldorf / Stadtmitte
- Füchschen Alt in der Brauerei „Im Füchschen“, Ratinger Straße 28, 40213 Düsseldorf / Altstadt
- Schlüssel Alt in der Brauerei „Zum Schlüssel“, Bolkerstraße 41-47, 40213 Düsseldorf / Altstadt
- Uerige Alt in der Brauerei Uerige, Berger Straße 1, 40213 Düsseldorf / Altstadt
Beim Tippen der Buchstaben bleibt der Maat in Düsseldorf und hört die elektrischen Beatles, der wohl bekannteste musikalische Export dieser Stadt: Kraftwerk
vielen dank für die tips, einige brauereien kannte ich gar nicht. viele grüße und viel spaß auf der pro wein.
Hallo,
Mich irritiert die Kritik an der „Gutbuergerlichkeit“. Es handelt sich um originaere deutsche Gastrokultur, die nur ueber Generationen so wachsen kann. Versuche, so etwas zu inszenieren scheitern immer klaeglich. Es waere hoechst bedauerlich und das sichere Ende der Hausbrauereien, die uns mit nicht-industriell-gefertigten unangepassten Bieren versorgen, wenn sie meinten sich modernisieren zu muessen. Ich sehe dort haeufig Gruppen, die es schaffen, Generationen zu vereinen. Ich war als Kind dort, ich bringe meine Kinder dorthin, damit sie etwas Gewachsenes sehen, dass sich gewissen Marktmechanismen entzieht. Ich sehe dort auch nicht nur Rentner. Dieses Abwatschen dieser Kultur ist toericht und widerstrebt obskurerweise in vielem der Geisteshaltung, die auf dieser Seite gegenueber dem Wein gepredigt wird. Und es missfaellt mir, dass der Autor nicht sieht, was es fuer eine selten gewordene Qualitaet, die Generationen und Bildungsschichten verbindet, dort zu findenist. Das bindende Glied ist das Bier und ein Essen, das zugunsten von neuen Einfluessen aus der ueblichen deutschen Gastronomie verschwunden ist. Wenn die Brauhaeuser weg waeren, wuerde hier ein Sirenengeheul ueber die boesen Giganten ansetzen.
Ich hoffe, dass dort auch in 30 Jahren alles noch so ist wie vor 30 Jahren und gestern Abend.
agree totally..
Matrose Firlus,
sie haben natürlich recht, wenn sie über die sog. gutbürgerliche Gastro schreiben. Ja, das ist Tradition pur und seit Jahrhunderten gewachsen. Aus diesem Milieu entstehen die allermeisten Hausbrauereien, die ich beschrieben habe. Allerdings kann ich keine grundsätzlich Kritik an „Gutbürgerlichkeit“ in meinem Aritkel erkennen. Das verbindende Element „Putzfrau trifft Manager“ habe ich eigens erwähnt und trifft natürlich nicht speziell für das Uerige zu.
Und glauben Sie mir ruhig, dass ich hohen Respekt vor dieser bürgerlichen Kultur empfinde, mehr als gegenüber durchgestylten Lokalen, denen nach einigen Jahren eh die Puste ausgeht und wieder schließen müssen.
Allerdings nervt mich diese Gutbürgerlichkeit manchmal in soweit, wie mich der traditionelle Karneval im Rheinland auch nervt. Damit kann ich gut leben.
Doch deswegen spreche ich weder der gutbürgerlichen Gastrokultur, noch dem Karneval ihre Existenzberechtigung ab.
Hallo Herr Golenia,
Zitat: „Die Location bei Kürzer ist so ganz anders, als die restlichen gutbürgerlichen Hausbrauereien. Kein Hum-ta-ta, Schweinshaxen und Altherrenmuff. Minimal eingerichtet. Junges Publikum.“
Allerdings sind die Örtlichkeiten der beiden Brauhäuser von Schumacher in der Altstadt sowie der Oststraße ziemlich gutbürgerlich aufgezogen. Hier herrscht Tradition pur. Das ist nicht jedermanns Sache. Wer auf rheinisch-deftige Küche wert legt, ist hier richtig. Trotzdem sollte man dieses Schumacher-Alt probiert haben.“
Zitat Ende
Hallo, vielleicht habe ich auch zu streng gelesen. Aber die beiden Zitate oben suggerierten mir als Leser, das dem Autoren die Location im Kürzer besser gefallen hat. Moderne Interpretation wird gelobt. Es wird gelobt, in dem es mit einem negativen Bild verschnitten wird. „Altherrenmuff“. Das Schumacher hingegen wird beschrieben mit dem Wort „ziemlich gutbürgerlich“. Jenes „gutbürgerlich“, das in der Beschreibung des Kürzers noch gleichgesetzt wird mit „Hum-ta-ta, Schweinshaxen und Altherrenmuff.“
Allein jedoch das funktional eingesetzte „ziemlich“ lässt mich glauben, der Autor möge die Gutbürgerlichkeit dort nicht. Dazu brauche ich mich noch nicht einmal an die vorigen Ausführungen zu erinnern.
„Das ist nicht jedermanns Sache“ ist ebenfalls eher so zu lesen, dass der Autor es nicht gutheißt. Ich zumindest verwende diese Formulierung so. Die Haltung, die dahinter steckt: Das gefällt anderen, mir nicht. Alternative hätte es ja heißen können: „Hier herrscht Tradition pur. Das ist ein selten gewordenes Kunststück, das man begrüßen und bewundern kann, erinnert es doch daran, was Brauhauskultur ausmacht.“
Zitat: „Wer auf rheinisch-deftige Küche wert legt, ist hier richtig. Trotzdem sollte man…“Zitat Ende
Das „Trotzdem“ wiederum signalisiert, dass die Atmosphäre und die Speisen eigentlich kein Grund sind, dorthin zu gehen, allein das Bier den Aufenthalt rechtfertigt.
So. Vielleicht bin ich zu streng – aber man kann das so lesen und ich denke, die Stellen habe ich nun erläutert. Ich freue mich aber natürlich, wenn der Autor das eigentlich anders sieht und in seinem Innersten auch froh ist, dass von Uerige bis Schumacher alles so ist, wie es war und dass er weiß, wo es eine anständinge Schweinshaxe gibt, wenn er sie denn essen möchte. Denn die Adressen, die diese Speisen in guter Qualität servieren, werden immer weniger.
Wir können das natürlich auch persönlich ausdiskutieren.
Im Uerige oder im Schumacher.
Und nur im Notfall im Vapiano. 😉
Maat Golenia
zwei Korrekturen:
Zum einen gibt´s im Uerige keinen Sauerbraten. Das Uerige ist der Hort des zünftigen Bierhappens, also Bulette, Metthappen, Käsebrötchen, Bretzel, alles mit dem lecker-scharfen Düsseldorfer ABB-Mostert zu verzehren, der auf allen Tischen steht. Warme Speisen gibt es nur auf Vorbestellung.
Und zum Zweiten sei dem Kollegen Maat aus eigener Erfahrung gesagt: Man kann auch die reichhaltigeren Altbiere – also Füchschen oder Uerige- durchaus einen ganzen Abend lang trinken. Auch wenn man nicht den Zustand höchster Kölscher Glückseligkeit erreicht, jedes Bier nach dem Verzehr geschmacklich sofort wieder vergessen zu haben. Aber dat „lecker Dröppke“ trinkt sich durchaus fast wie von alleine.
In diesem Sinne ein freundlich-kollegiales Prosit!