X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Cloudy Bay: Wie schmeckt der Klassiker heute?

Weingutsbesuch in Cloudy Bay.
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Manchmal braucht man etwas, das sich bewährt hat. Weinmacher Dominik Diefenbach trinkt einen weltberühmten Weißwein aus Neuseeland.
Anzeige

Sauvignon Blanc war mal eine echte Trendrebsorte. Ein absoluter Star, an dessen freizügigen Reizen sich die ganze Weinindustrie sabbernd und mit rotierenden Dollarzeichen in den Augen bediente. Es war fast unmöglich, sich dem schwülen Parfüm dieses Weins zu entziehen, der aromatischen Expressivität, dem fruight boost, der einem schier die Nasenflügel verbog, wenn man sich dem Glas nur näherte.

Moden kommen und gehen, aber Stil bleibt. Denn Stil ist immer ein Original. So entstehen mit der Zeit Ikonen. Zu einer solchen Stilikone hat es der Cloudy Bay Sauvignon Blanc aus Marlborough am nördlichen Ende der Südinsel Neuseelands gebracht. Er war es, der den Inselstaat vor 20 Jahren auf die Weltweinkarte katapultierte. Der Cloudy Bay wurde zum ersten Neue-Welt-Modewein.

Anfänglich waren alle schnell angefixt, denn man musste schon einen Gaumen aus Teflon haben, um die neuen Weine aus Sauvignon Blanc nicht zu verstehen. Doch vielen Kennern waren die lauten und mit der Zeit zu konfektioniert wirkenden Sauvignon Blancs schnell zu viel. Es folgte der Liebesentzug. Die Karawane der Weinfreunde zog munter weiter. Als nächstes waren Viognier und Muskateller trendy. Und neuseeländischer Sauvignon Blanc?

Das einstige Starlet verwandelte sich leider allzu oft in ein billiges Flittchen. Zu viele Erzeuger widerstanden nicht der Versuchung des schnellen Geldes. Es wurden Übererträge herausgemolken und man nahm eine schnell verblassende Jugend der Weine in Kauf, wenn das aromatische Blendwerk mit aufwendiger Kellertechnik auftoupiert wurde, wie eine schlecht sitzende Perücke. Nicht so der Cloudy Bay. Das gleichnamige Weingut gehört heute übrigens zum Luxuskonzern LVMH.

Er war nie ein lieblos vinifizierter Massenwein, sondern besaß immer Charisma und eine klassische Ausprägung. Die perfekte Balance zwischen tropischer Frucht und dezent grünlich-vegetabilen Anklängen. Der Archetyp eines Kiwi-Sauvignon Blanc, der unkompliziertes aber anspruchsvolles Trinkvergnügen vermitteln wollte.

Kurz vor dem Probieren ertappe ich mich dabei, wie ich genau das erwarte. Einen soliden aber unaufgeregten Wein. Doch schon bei der ersten Nase merke ich, dass es anders kommt. Eine dermaßen glockenhelle Aromatik mit gebirgsbachklarer Frische und animierender Grasigkeit im Duft ist mir lange nicht begegnet. Maracuja und rosa Grapefruit, Kiwi, Stachelbeeren, Limetten, frisch gemähtes Gras, Holunder und reifer Pfirsich! Als der Wein über die Zunge gleitet, bin ich abermals überrascht. Die Säure ist straff wie ein Klavierdraht und legt die Konturen des Weines so schonungslos offen wie eine fein gemeißelte Skulptur. Kein Restzucker, und vor allem keine grünliche Dominanz im Geschmacksbild. Viel Minze und Eisenkraut, keine Spur von Erbsensuppe, wie sie manchen SBs eigen ist. Einfach nur perfekt austariert und auf den Punkt strahlend und fein gezeichnet.

Es scheint, der Cloudy Bay hat sich zu einem modernen Klassiker gewandelt. Das hier so gut wie keine Mineralität spürbar ist, stört mich übrigens überhaupt nicht. Die bemerkenswerte Präzision dieses Weines ist herrlich.

Verkosten ist anstrengend und macht hungrig. Mir ist nach einer Meeresfrüchteorgie. Zum Glück gibt`s immer frische Austern an Bord. Ein Dutzend Sylter Royal später ist die Welt wieder in Ordnung und die Pulle Cloudy Bay leer.

 

Datum: 21.10.2017 (Update 10.4.2020)
 

Ähnliche Weine

 

Ähnliche Artikel