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Champagner: mach Feierabend!

Graf von Krockow: Ihr Champagner gehört in ein Weißweinglas. Foto:Valéry Kloubert
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Captains Maat Thomas Golenia traf einen Mann, dessen Feierabendleidenschaft der Import von Champagner des Hauses Henri Giraud ist. Kann der Herr nicht anders entspannen?
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Ein echter Graf! Da benimmt man sich etwas straffer als sonst. Christoph Graf von Krockow, vielleicht gerade mal 30 und Unternehmensberater, rückt sein Jackett zurecht. „Glauben Sie mir. Wenn sie 10 Stunden am Tag Exceltabellen und Power Point-Präsentationen umherschieben, dann sind sie einfach durch.“ Und spielt damit gleichzeitig auf seine Feierabendleidenschaft an – den Import von Champagner aus dem Hause Henri Giraud.

Wobei der Maat immer dachte, dass Unternehmensberater niemals Feierabend hätten, immer auf Piste sind oder im Dauer-Meeting hängen. „Warum spielen Sie nach Feierabend nicht einfach Squash – anstatt Champagner zu importieren?“, frage ich flapsig.

Graf von Krockow muss lachen. „Also beim Squash geht es um das Gegeneinander. Bei Champagner geht es um das Miteinander. Man sitzt zusammen und trinkt ihn, vergisst dabei sein Smartphone, sein Facebook und das ganz hektische Drumherum und gibt IHM die Aufmerksamkeit.“

Schwager von Egon Müller.

Der sympathische Graf kann sich diplomatisch ausdrücken. Seine gewählte Sprache zeugt von gutem Hause. Aber nicht nur das, denn das Thema Wein liegt bei ihm in der Familie. Von Krockow ist der Schwager von Egon Müller Superstar – der Mann, dessen Weine vielerorts als Aushängeschild deutscher Weine schlechthin gehandelt werden.

Egon, das ist Coolness in Person. Bei ihm hatte der Graf die Produktpalette von Henri Giraud kennengelernt. Dessen Basis-Champagner ist bei den Müllers sozusagen der Lieblings-Schampus, so Graf von Krockow. So liegt es in der Natur der Sache, dass der Graf auch zu einem begeisterten Anhänger wurde.

Graf von Krockow, übrigens auch Halb-Franzose, lernte den Besitzer Claude Giraud auf dem Gut der Müllers kennen. Das war vor Jahren. Und weil man sich auf Anhieb recht gut verstand, blieb man weiterhin in Kontakt. Es reifte beim jungen Grafen währenddessen die Idee, Girauds Erzeugnisse exklusiv in Deutschland zu vertreiben. Der monetäre Gewinn an der Sache ist ihm nebensächlich. „Wir stehen hauptberuflich fest in Lohn und Brot. Wenn aus der Sache mit dem Import mal ein Urlaub herausspringt, dann ist das schon ok.“

Da ist sie wieder, die ehrliche Leidenschaft, die den Grafen antreibt. Und die Entspannung nach Feierabend. Sie verstehen, kein Squash. Sondern Champagner!

Ohne Marketing-Firlefanz.

Ein wichtiges Anliegen von ihm sei es, so Krockow, diese Champagner von Giraud auf andere Weise anzubieten, wie man gewohnt ist. Erstens weg von diesem Marketinggehabe. Der Graf hat nämlich nicht vor, gastronomische Etablissements mit Sonnenschirmen, Außenschildern und weiteres Interieur werbegerecht auszustatten, wie es einige große Häuser mit zunehmender Penetranz tun. Er spart sich Unnötiges, denn dieses ganze Marketinggedöhns muss letztendlich der Endkunde mitbezahlen. Ob er will oder nicht. Da will Graf von Krockow nicht mitspielen.

Aber was genau importiert der Graf eigentlich? Bitteschön: Henri Giraud, ein kleines familiengeführtes Champagnerhaus, ist im renommierten Aÿ beheimatet. Bei dem Klang dieses Ortsnamens gehen dem Kenner die Augenbrauen hoch; zählen die Grand-Cru-Lagen dieser Kleinstadt bei Épernay doch mit zum den besten, was die Champagne zu bieten hat.

Rund 350 Hektar klassischer Kreideboden lässt hier zum Großteil Pinot Noir für die besten aller Champagner gedeihen. Auch Giraud besitzt an diesen prestigeträchtigen Spitzenlagen rund 10 Hektar und partizipiert.

Girauds „François Hemart Aÿ Grand Cru“ ist so einer aus dieser Spitzenlage. Entstanden aus 70 % Pinot Noir und 30 % Chardonnay. Vor üppiger Aromenvielfalt kann dieser Champagner gar nicht laufen, er offenbart gleich einen ganzen Strauß Düfte.

Nasses Herbstlaub, frischen Rosinenstuten, weiterhin Anklänge von Haselnüssen und ein wenig Mandel-Spekulatius. Und das war erst die Nase. Im Mund ballt er sich zu wahnsinnig komplexen Aromen, bleibt immer auf dem Punkt, hat Körper und Kraft. Orangenschale, Gewürze, wieder Nüsse und Schmelz. Das ist ein kompletter 2-Stunden-Film in einer Flasche. Nur sollte man ihn durchaus wärmer servieren, sonst zeigt er nichts von seiner dritten Dimension, was schade wäre.

Claude Giraud ist heute Besitzer des Hauses in zwölfter Generation. Er fühlt sich als Genussmensch dazu verpflichtet, den traditionellen Stil seiner Väter fortzuführen, die Art wie man Champagner herstellt. Dazu zählt ganz besonders, den Champagner in kleinen Holzfässern auszubauen, um ihm dadurch etwas ganz Spezielles mitzugeben. Heute ist diese Art der Produktion eher out. Bei vielen Champagnern ist der Stahltank erste Wahl, um das Endprodukt schlank und griffig zu machen, und ihn allein zum Appetitanreger zu degradieren.

Monsieur Giraud schmeckt das Holz im Wald.

Um bei den Holzfässern zu bleiben: Der Hausherr nimmt nicht irgendein Holz dafür. Bei ihm kommen nur Eichen aus den Wäldern von Argonne in der Champagne infrage, aus nächster Nachbarschaft. Der klassische Terroirgedanke funktioniert also auch hier, bei der Wahl der Fass-Hölzer. Man kann, so der Graf etwas belustigt, dem Monsieur Giraud dabei zusehen, wie er mitten im Wald konzentriert an geschlagenen Hölzern knabbert, um so die Eignung für seine zukünftigen Fässer festzustellen. Das Holz muss ihm einfach nur schmecken.

Diese Eichenfässer werden unter anderem für Girauds „Code Noir“, einem Rosé-Champagner aus 100 % Pinot Noir, eingesetzt. Meine kaum erklärbare Abneigung gegen roséfarbene Schaumweine hat sich mal wieder als ziemlichen Unfug herausgestellt, denn er ist fantastisch! Zarte Nase nach Kirschen und etwas roten Johannisbeeren. Dazu Hefezopf und etwas Früchtebrot. Im Mund alles andere als belanglos. Er zeigt sich fest und weinig, weiterhin ausgestattet mit pikanter, lebhafter Säure. Ein hochseriöses Getränk. Ich und Roséschaumweine können doch noch Freunde werden.

Es ist etwas absurd: In meiner hausbesetzten Landbude schlürfe ich voller Hingabe edlen Champagner von Henri Giraud. Champagner, dieses ewige Symbol von Luxus, passt so gar nicht zu dem manchmal etwas bräsigen Antikapitalismus der Straße. Nur hört dieser genau vor meiner Wohnungstür auf, zumindest heute. Also Schotten dicht – Champagner auf.

  • Champagner Aÿ Grand Cru von Henri Giraud für 44,63 Euro.
  • Champagner Code Noir rosé von Henri Giraud für 95,20 Euro.
 

Datum: 24.10.2011 (Update 18.9.2014)
 

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