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Captains Provo: Ein kleines Pantscherl*

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*Pantscherl (österreichisch) = unverbindlicher Geschlechtsverkehr. Der Captain rät zur Aufweichung der strengen Verschnitt-Vorschriften. Bei genauer Kontrolle und Nachvollziehbarkeit könnten ein paar aufregende Weine entstehen.

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2009 war ein gutes Jahr. Der Captain begann ein Haarwuchsmittel zu verwenden (das erst 2010 zu wirken begann). Und auch des Captains Wein wuchs gut. In Italien. Ein paar Mengeneinbußen (Hagel), aber der Saft wurde gehaltvoll und kräftig. Kein „Tschapperlwasser“. Leider hat der 2009er etwas mehr Alkohol, als der 2008er oder der 2007er – das Problem des Südens. Alkohol bekommt man mit Säure in die Balance. Doch dazu später.

Der Merlot. Tja, der Merlot. Die früh reifende Merlot zog hoch wie nix. Und hatte am Ende wenig Finesse und viel mehr Alkohol (15,9 %), als die anderen Trauben des Captain. Deswegen flog er fast zur Gänze aus des Captains Cuvée. Was soll man machen? Der Wein muss ja ähnlich gut schmecken, wie die Weine der Vorjahre. Und Captains Kunden dulden keine Experimente. Leider.

Also blieb jede Menge Merlot über, unbrauchbarer Wein, den man verkaufen kann. Doch den Wein will eh keiner. Also ab in den Gully. Ein paar Proben hat der Captain gerettet. Wofür?

Diesen Herbst hat der Captain die Probeflaschen mit nach Österreich genommen. Merlot Jahrgang 2009. Sechs Monate nur im gebrauchten Barrique, dann wurde das Spiel vom Schiedsrichter abgebrochen. Der Captain hat den Merlot im Burgenland mit einem etwas älteren Blaufränkischen vermischt, der alleine stehend – so sagt auch der Winzer – nicht unbedingt Vergnügen bereitet. Deswegen hat ihn der Winzer auch ein Jahr länger im großen Fass gelassen. Mal schauen, was draus wird.

Merlot meets Blaufränkisch

Der Blaufränkische trägt den Jahrgang 2006, ist also 3 Jahre älter als der Merlot. Das Mischverhältnis war 70 % Merlot und 30 % Blaufränkisch. Und was soll der Captain sagen? Aus Bolgheri-Merlot und Burgenland-Blaufränkisch entstand ein erstaunlich guter Rotwein, ein Saft mit elegant-kräftiger Struktur und schöner Aromatik. Er duftete nach Paprika, Himbeere, dunklem Tabak, Nougat und Lakritze. Ganz wichtig jedoch: Der Wein hatte Kraft und Säure ideal in der Balance. Und derart an Trinkfreudigkeit gewonnen, wie man es nicht für möglich gehalten hat.

Doch das wäre zu wenig. Heraus kam ein marktrelevanter Rotwein; etwas, das man so nicht kennt. Gut, nichts daran ist wirklich einzigartig, die Cuvée dieser Trauben hat es in verschiedener Zusammensetzung öfters mal gegeben. Vor allem in Österreich. Doch diesem Wein merkte man an, dass der (erkennbare) Merlot nicht in Mitteleuropa wuchs. Ein Matrose des Captain, der den Wein blind vorgesetzt bekam (blind = er wusste nicht, um welchen Wein es sich hier im Glas handelt), ortete die Reben der Trauben in Australien. Ha, was für ein Spaß!

Ohne Land und Jahr: Das kauft niemand

Und es wäre auch nicht verboten, diesen Wein zu verschneiden. Wäre er eben ein Tafelwein ohne Land und Jahrgang. Die unterste Stufe des Weinbaus. Übel beleumundete Massenware.

Und das ist das eigentliche Problem. Man darf es zwar machen. Doch wer kauft das? Der aufgeklärte, qualitätsbewusste Konsument sicher nicht. Er hat gelernt, dass Massenweine aus richtig fieser Industrieproduktion meistens keinen Jahrgang und nur eine ungenaue Herkunft aufweisen. Die interessante Cuvée des Captain und seines burgenländischen Freundes wäre genau auf dieser Schiene gelandet. Eine Schiene, die ein Abstellgleis ist.

Das ist schade. Denn sicher werden viele interessante Weine nicht cuveétiert, weil die Winzer gar nicht auf die Idee kommen, in manchen Jahren 1 und 1 zu 3 zusammenzuzählen. Wie sollten sie auch? Wird das rabiat Regionale ja immer populärer. Und auch gelobt (unter anderen vom Captain).

Aus den Skandalen gelernt. Schade

Nach den großen Weinskandalen der Siebziger und Achtziger Jahre gilt als ausgemacht, dass Qualitätswein einen Jahrgang und eine Region nachweisen muss. Dann sollten die Rebsorten ersichtlich sein. Und in Folge auch eine eventuell vorhandene Lage, der Boden, die Art der Vinifizierung, die Lagerung, etc.

Der Wein ist besser, wenn er die Gegebenheiten des lokalen Weinbaus annimmt, verbessert und verfeinert. Das ist Credo.

Das war es nicht immer. Früher verschnitten die Händler in London sogar den Bordeaux, der in Fässern aus Aquitanien angeliefert kam. Und auch heute ist es (z.B im Bordeaux) noch erlaubt, 15 % Wein aus einem anderen Jahrgang beizumischen. Hauptsache er kommt aus der Weinregion.

Der Captain hat am eigenen Gaumen erfahren dürfen, welch spannende Weine entstehen könnten, wenn sich gute Winzer zusammentun und der Konsument manch richtig scheinende Regel kurz vergisst. Das erzählt er einem deutschen Kollegen, der wortlos aufsteht und einen deutschen Spätburgunder 2005 mit einem argentinischen Malbec aus 2006 mischt. Und dann noch 10 % Viognier von der Rhone reinrührt. Ein frischer, fruchtiger, erdiger und trinkfreudiger Wein. Der Captain hätte es nicht für möglich gehalten. Man muss wieder mehr pantschen dürfen. Legal natürlich. Und nur die besten Weine. Alles andere macht keinen Sinn.

 

Datum: 20.10.2010 (Update 18.3.2011)
 

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