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Bordeaux: Ende der Subskription

Noch im Fass und schon verkauft. Das hat bald ein Ende...
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Das Bordelais im Wandel. Captains Maat Markus Vahlefeld über das Ende der Subskription, den Jahrgang 2011, der wie Blei in den virtuellen Regalen liegt und über  Teilzeitspekulanten, deren Geschäftsmodell ausläuft.
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Bordeaux im Frühjahr 2012: Die Promotion-Kampagne für den Jahrgang 2011 ist – zumindest was die Preisgestaltung angeht – fast an ihr Ende gekommen. Die meisten namhaften Chateaux haben ihre Preise kommuniziert. Wir können ein kurzes Zwischenfazit zu ziehen.

Eine der Folgen der Globalisierung ist, dass die Reichen immer reicher werden. Das soll kein linker Populismus sein, denn ob die Armen immer ärmer werden, ist noch nicht ausgemacht. Dass die Reichen immer reicher werden ist auch im Bordelais auszumachen. Das gute Dutzend Ikonen-Weine ist mit seinen Preisen in Höhen entflohen, über die ordinäre Weintrinker nur den Kopf schütteln. Innerhalb eines Jahrzehnts haben die Premier Crus wie Mouton oder Lafite ihre Subskriptionspreise mehr als verfünffacht (!!).

Bei den Nicht-Ikonen-Weinen sieht das ganz anders aus. Ihre Preisentwicklung ist organischer und von einem ständigen Auf und Ab geprägt. Sie reagieren auf Weltwirtschaftsentwicklungen und Jahrgangsschwankungen sensibler als ihre großen Brüder. Nur stehen letztere im Fokus und prägen das Meinungsbild, dass Bordeauxweine zu teuer seien.

Kommen wir zum Jahrgang 2011. So dolle soll er ja nun nicht sein. Von Merlotschwäche ist die Rede und Chef-Verkoster Robert Parker hat diesmal auch keinen Punktesegen regnen lassen. Ganz im Gegenteil. Die beiden Vorgängerjahre 2009 und 2010 waren von so exzeptioneller Güte, dass es ein mediokres Jahr wie 2011 dementsprechend schwer hat. Daher blicken Händler wie Käufer zu allererst auf die Preise: wie entwickeln sich die mit dem Jahrgang 2009 in unverschämte Höhen aufgestiegenen Preise der Ikonenweine? Und wie die ihrer kleinen Geschwister?

Preisabschlag zu klein

Für die Ikonenweine lässt sich ganz simpel feststellen, dass zwar die ganz hohen Preise der 2009er/ 2010er nicht mehr aufgerufen werden, der Preisabschlag aber dennoch so klein ausfällt, dass er für den Gesamteindruck zu vernachlässigen ist. Als Referenzjahr zu 2011 kann – sowohl was Wertigkeit als auch Preis angeht – der Jahrgang 2008 herangezogen werden. Und da wird deutlich, wie sehr die Ikonen immer noch zulangen. So haben sich Mouton und Lafite mit 250 % bis 300 % höheren Preisen auf den Markt gebracht. Wohlgemerkt im Vergleich zu 2008. In diesem Vergleich wirken die Preisabschläge fast popelig. Eine Flasche Mouton aus dem Jahrgang 2011 ist momentan für ca. EUR 450,00 Euro im Fachhandel zu subskribieren. Man ist ja schon froh, wenn es nur dreistellig bleibt.

Etwas anders sieht es bei den geringer klassifizierten Gewächsen aus. Exemplarisch könnte das Viertgewächs Branaire-Ducru aus dem St. Julien stehen. Es hat im Vergleich zu 2008 um 35 % zugelegt. Bei den meisten Nicht-Ikonenweinen ist diese Preisentwicklung die Regel. Branaire-Ducru 2011 wird für ca. EUR 45,00 Euro in Deutschland gehandelt. Wer also gehofft hatte, die hohen Preise aus 2009 und 2010 waren der Qualität der Jahrgänge geschuldet und mit 2011 würden die Preise wieder auf das Niveau von 2008 fallen, hat sich getäuscht. Folglich liegt der Jahrgang 2011 in der Subskription wie Blei in den virtuellen Regalen der Negociants und Händler. Und mit ein wenig Verstand ist auch in der Tat von der Subskription abzuraten.

Arsch auf Grundeis

Gerade deswegen dürfteden Händlern daher der Arsch auf Grundeis gehen. Denn mit dem Jahrgang 2011 werden wir Zeuge eines Umwälzungsprozesses, der den Marktplatz Bordeaux völlig verändern wird. Es scheint das Ende der Subskriptionskampagne, wie wir sie die letzten Jahrzehnte kannten, eingeläutet zu sein. Händler, die von diesem Geschäftsmodell lebten, werden untergehen. Eines der berühmtesten Ikonen-Chateaux, Chateau Latour, hat angekündigt, seine Weine fortan nicht mehr in der Subskription anbieten zu wollen. Und wenn ein solches Lokomotiven-Chateau vorprescht, kann man mit gutem Gewissen annehmen, dass viele andere Chateaux als Waggons noch folgen werden. Dass viele Kenner der Szene über gesteigerte Bautätigkeit im Bordelais berichten, ist dann ein weiterer Hinweis darauf, dass die großen Güter sich eigenen Lagerraum schaffen, von dem aus der Verkauf ihrer Weine dann sukzessive und über die Jahre erfolgen wird. Subskription adé!

Diese Entwicklung kommt nicht völlig überraschend. Schon das letzte Jahrzehnt haben die Ikonen-Chateaux ihre Weine nicht mehr komplett über die Sbskription angeboten, sondern sich immer größere Mengen in ihren Kellern bewahrt. Damit unterliefen sie schleichend das Lieblingsgeschäftsmodell des bürgerlichen Bordeaux-Trinkers. Das funktionierte so: er deckte sich zu Subskriptionspreisen mit seinen Lieblingsbordeauxs ein und kaufte zudem noch einen nicht unerheblichen Anteil an Ikonenweinen, die er dann nach einigen Jahren mit einem großen Gewinn verkaufen konnte, um derart seine Lieblingsweine zu finanzieren. Natürlich brauchte es dazu etwas Kapital, viel Kenntnis und ein wenig Geduld. Aber das Spiel lohnte sich fast immer, weil die neuen Millionäre in den Emerging-Markets die Nachfrage nach bereits abgefüllten und gereiften Bordeauxweinen in die Höhe trieben.

So begann vor vielen Jahren ein Spiel der Krokodilstränen. Europäische Weinliebhaber lamentierten über die ständig steigenden Preise der Bordeauxweine und blickten mit Kulturarroganz auf die Amerikaner, Japaner, Russen, Chinesen (die Nationalitäten sind wie bei jedem Chauvinismus austauschbar), hatten aber kein Problem damit, ihre Ikonenweine in eben diese verachteten Märkte zu verscherbeln, um das gute Funktionieren ihres Geschäftsmodells weiterhin zu gewährleisten.

Das Geschäft selber machen

Der Gedanke der Ikonen-Chateaux ist nun ein denkbar einfacher: Warum sollen die vielen Privatleute den Gewinn einstreichen, der nur wenige Jahre später zwischen Subskriptionspreis und Marktpreis liegt, wenn man das als Chateau doch auch kann? Vor allem, weil sich die Emerging-Markets bei Subskriptionen arg zurückhalten und der Kultur gemäß den Wein erst kaufen, wenn er auf der Flasche liegt und ergo trinkbar ist. Da ist der Gedanke naheliegend, aus der Subskription auszusteigen. Die Frage, ob es funktioniert und sich für die Chateaux lohnt, ist allein aus dem Vertrauen in die steigende Anzahl der Millionäre aus den Emerging-Markets zu beantworten. Die Absurdität an der Geschichte: So sind es gerade die bürgerlichen Bordeaux-Liebhaber, die zwar Nutznießer der Globalisierung wurden, deren Weinkaufverhalten, was die Leidenschaft für Bordeauxweine angeht, sich aber drastisch verändern musste. Das Geschrei ist allenthalben groß. Danke Weltgeist!

Die Auswirkungen auf den ordinären Weinliebhaber halten sich jedoch stark in Grenzen. Denn mal ehrlich: wie viele Moutons, Lafites oder Petrus hat der ordinäre Weinliebhaber in seinem Leben getrunken? Die Zahl dürfte gegen Null tendieren. Wer Bordeauxweine als hochwertige Alltagsweine oder für besondere Anlässe zu schätzen wusste, der wird auch weiterhin fündig.

Preise auf dem Teppich

Denn die unbekannteren Nicht-Ikonenweine, für die sich auch in der Subskription nur sehr wenige interessierten, bleiben mit ihren Preisen auf dem Teppich. Müssen auf dem Teppich bleiben, weil bei ihnen die Ikonen-Nachfrage nicht besteht. Dass sich ihre Qualität die letzten Jahre exorbitant gesteigert hat, ist beruhigend und ganz sicher auch der Globalisierung geschuldet. Das ist der gute Teil.

Im Gesamten ist das Bordelais von der Weinanbaufläche her so groß wie ganz Deutschland. Und hier wie dort findet man jederzeit feine und ausdrucksstarke Weine zu angemessenem Preis. Nur wird man in Zukunft auf die Ikonenweine und die, die es werden wollen, verzichten müssen und sich Rat beim Weinhändler seines Vertrauens oder bei seriösen Weinkritikern, die noch den Preis eines Weins berücksichtigen, holen. Und das wiederum könnte für den sinkenden Stern Robert Parker ein ganz neues Betätigungsfeld werden.

Hatte Parker in der 70er Jahren des letzten Jahrhunderts damit angefangen, die korrumpierten englischen Weinkritiken vom Kopf auf die Füße zu stellen, wäre es jetzt an der Zeit, die Ikonenweine mit Missachtung zu bestrafen. Sie sind nicht mehr Teil des Spiels und wollen es auch ganz bewusst nicht mehr sein. Da heißt es dann: noch nicht einmal ignorieren.

 

Datum: 24.5.2012 (Update 7.1.2015)
 

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