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Mit dem Vermeidungsverhalten ist das so ein zweischneidiges Schwert. Vermeidung, also das Neinsagen zu einer bestimmten Sache, wird unterschiedlich gedeutet. So manche schließen daraus nämlich behäbige Faulheit. Und das geht ihnen gegen den Strich. Da werden sie gallig.
Aber aus Vermeidung gleich Faulheit zu schließen, ist mir zu einseitig. Und stimmt so auch nicht. Vermeidung hat auch seine guten und vorteilhaften Seiten.
Nehmen wir den Weinbau: hier kann man den Ausdruck Vermeidung so wunderbar ins Positive umpolen. Beispiele: Ein Winzer vermeidet die Belastungen für den Boden, indem er weniger spritzt. Oder er vermeidet den Botrytisbefall der Trauben, um eine blitzsaubere Stilistik zu bekommen. Oder er vermeidet Überreife, um den Wein straffer zu machen. Oder er vermeidet hohe Alkoholgrade, um schlanke Eleganz zu geben. Ich sehe da in Vermeidung keine Faulheit.
Klimawandel Schuld an hohem Alkohol?
Bleiben wir bei den Alkoholgraden bei Wein. Tendenziell steigen sie Jahr für Jahr, wie oft gesagt wird. Schuld daran, so hört man unisono aus einigen Reihen Winzerschaft, sei der unaufhaltsame Klimawandel. Mehr Sonne, mehr Wärme, mehr Zucker in Beeren, höhere Alkholwerte. Es sei denn, man stoppt die Gärung und lässt Restzucker zu. Aber wer will den schon bei einem Rotwein, der ernst genommen werden will?
Eigentlich möchte man den Winzern Glauben schenken, jetzt wegen Klimawandel und Alkohol und so. Also nimmt man der Winzerschaft ihre Klagen ab, denn sie können ja nichts dafür, denkt man. Der Klimawandel mit seinen Konsequenzen wird hingenommen.
Dann allerdings treffe ich auf Winzer wie Mario Burkhart aus Malterdingen in Baden. Den mächtigen Kaiserstuhl hat er gleich nebenan, ist also ‘ne ziemlich warme Ecke. Und dieser Mario Burkhart füllt Weißweine im Basissegment ab, die maximal 11,5 % vol. haben. Und dennoch knochentrocken sind. Er vermeidet also hohen Alkohol.
Na bitte, es geht doch!
Ich frage mich: Wo ist da der unaufhaltsame Klimawandel geblieben, den viele Winzer predigen? Ich sitze in der Kombüse, trinke Burkharts phänomenalen Weißweine und kann es nicht glauben: 11,0 % aus dem warmen Baden. So wenig. Da möchte man all den anderen Klimawandelwinzern zurufen: Na bitte, es geht doch!
So ganz ist Nebenerwerbswinzer Mario J. Burkhart kein Unbekannter: er war von 1998 bis 2003 Winzermeister beim großen Bernhard Huber, heute einer der Topbetriebe in Baden. Während dieser Zeit fuhren Huber und Burkhart oft ins Burgund um Winzern dort über die Schulter zu schauen. Man hatte sich dort die sog. burgundische Gärführung abgeschaut und dessen Ideen mit nach Hause genommen. Dazu gehörten die Maischegärung und die Kaltmazeration, beides Verfahren, die damals in Deutschland nicht sonderlich weit verbreitet waren, erklärt Burkhart.
War früher bei Bernhard Huber
Selbst macht Burkhart seit 1985 Wein, ist geimpft durch das Weingut der Eltern. Er gründete sein eigenes Weingut im Jahre 2002 und führt die knapp 3 Hektar bis heute im Nebenerwerb. Der Vollerwerb ist ins Auge gefasst, weshalb Burkhart die Flächen erweitern will um die Mengen verkaufen zu können, die ihm morgens die warmen Brötchen auf dem Tisch garantieren.
Es sind seine beiden Einstiegs-Weißweine aus 2010, die wegen ihrer alkoholischen Leichtigkeit erstaunen. Da ist beispielsweise sein Sauvignon Blanc ohne die fiesen, grasigen Noten, die dem Maat oft die Freude an der populären Rebsorte vermiesen.
Nein, bei dem hier ist das anders: beste Anti-Katzenpisse, frische Schlangengurke und Brennessel. Im Mund dann kühle, nasse Kreide. Angenehm zurückhaltende Frucht, abgeschmeckt mit knackiger, aber nie störender Säure. Insgesamt lässt dieser Sauvignon Blanc beileibe nicht den Modewein raushängen. Das bringen die phantastisch niedrigen 11,5 % Alkohol mit sich, die für den filigranen Tanz auf dem Drahtseil sorgen. Alles im knochentrockenen Bereich wohlgemerkt.
So rieslingartige Säure
Zu toppen in alkoholischer Hinsicht ist das mit dem Pinot Blanc 2010 aus selbem Sortiment. Der bringt ähnlich magere 11,0 % Alkohol ins Spiel und gibt sich ohne Maskerade erfreulich trinkanimierend. Mit leichter Spontinase. Ähnlich mineralisch vom Malterdinger Muschelkalboden geprägt wie der Sauvignon Blanc, allerdings wirkt er stiller und leiser. Dann in der Nase Lakritze, etwas Aceto Balsamico-Essig und Granny-Smith-Apfelschale. Im Mund kühle Steine, ja fast rieslingartige Säure. Die Frische macht ihn zu einem perfekten Aperitif, vielleicht auch als Begleiter zu Austernzeugs, bei denen man ja gern alles leichte Loirezeugs nimmt. Die sollte man mal vergessen und diesen Badener dazu nehmen. Das passt.
Ich will von Mario Burkhart wissen wie man es schafft, in eine der wärmsten Ecken Deutschlands solch niedrige Alkoholwerte hinzubekommen. Für ihn sind das zwei Faktoren: der Lesezeitpunkt und der in Deutschland selten anzutreffende französische Cordon-de-Royat-Rebschnitt, einer Variante der verbreiteten Kordon-Erziehung. Burkhart erzielt mit dieser arbeitsintensiven Schnitttechnik eine Verzögerung der Reife von ganzen zwei Wochen.
Auffällig bei Burkharts Sortiment ist die Deklarierung seiner Weine als „Badischer Landwein“, womit er sich von Anfang an die leidige Qualitätsweinprüfung erspart. Warum sollte er sich die Mühe machen, seine Weine dort durchfallen zu sehen, bloß weil sie mit ihrem Stil so ziemlich aus dem gängigen badischen Geschmacksrahmen fallen? Also begnügt er sich mit der weinrechtlichen Abstufung zum Landwein. Sozusagen Landwein für alle. Nur nicht so billig.
Gekonnter Holzeinsatz. Hat Stil.
Und erst die Roten! Seine Pinot Noir beweisen, dass Burkhart ein verdammt gutes Händchen für guten Stil hat. Sein Rarus Noir 2009 aus der Lage Fahrental hatte mir am besten gefallen und wirkte momentan am zugänglichsten. Vielleicht lag meine Freude darüber auch daran, dass dieser Rarus etwas von Bernhard Hubers Roten mit sich trug.
Da waren diese gekonnten Barriquenoten, kaum aufdringlich, sondern schon verdammt gut eingebunden. Im Glas mit zarter würziger Nase, mit Luft verfliegt der junge Erdbeerton innerhalb von 10 Minuten. Dann alter Aschenbecher, zarte Mineralität, trockene Kellerwand, wieder ganz feines Säurespiel, schlank und rank. Und mit einer Stilsicherheit, wie man sie in Baden noch mit der Lupe finden muss.
Ich muss gestehen, dass ich selten so eine durchgängig gute Kollektion getrunken habe, wie die von Mario Burkhart. Es waren keine Ausfälle oder Langeweiler dabei. Blöd nur, dass das Format hier an Bord begrenzt ist, daher habe ich die Rosinchen herausgepickt und nur die besprochen. Asche auf mein Haupt.
- Sauvignon Blanc Muschelkalk (11,5 % vol.), Badischer Landwein für 12,50 €
- Pinot Blanc Muschelkalk (11,0 % vol.), Badischer Landwein für 12,50 €
- Pinot Noir, Rarus Noir, (13,0 % vol.), Badischer Landwein für 33,00 €
Ahoi Gast,
für mich war das heute der Abschluss einer kleinen Badenreihe. Möbitz, Shelter und Burkhart ergeben für mich eine sehr empfehlenswerte Trilogie, die für sich stehen kann.
Heute Abend schlürf ich seit Wochen mal wieder Riesling, da wird der deutsche Chardonnay halt wieder eingemottet…
Auf Wein Plus bei Marcus Hofschuster ist der Burkhart aber nicht gut weggekommen! Seine Roten fallen dort ziemlich ab und der Rest wird dort auch nicht gerade hoch bewertet. Vielleicht hat Burkhart ja einen deutlichen Stilwechsel gemacht oder die Weine sind dermaßen quer, dass Hofschuster damit nichts anfangen konnte. Passiert ihm ja gelegentlich 🙂
Etwas Krittelei: bitte noch einmal das „d“ und das „t“ bei Burkhart und Bernhard überprüfen. Und was ist ein „Winzermeister“? So etwas wie ein Kellermeister?
HABEN GESTERN IM „HIRSCHEN“, SULZBURG ZUM ERSTEN MAL RARUS GRIS VON MARIO J.BURKHART GETRUNKEN UND SIND HINGERISSEN!¨WIR HABEN DAS FISCHMENUE GWÄHLT UND NUR DIESEN WEIN ÜBER 7 GÄNGE G E N O S S E N VON SCHLUCK ZU SCHLUCK. KÖSTLICH!¨WIR WISSEN, WAS ES BRAUCHT, UM SOLCHE SPITZENERZEUGNISSE ZU KREIEREN. DARUM CHAPEAU. WIR WERDEN DEN WEG NICHT SCHEUEN UM AN DEN „TATORT“ ZU GELANGEN….
MIT UNS MUSS MAN(N) RECHNEN.
Diesem Urteil schließe ich mich gerne an, der Rarus Gris hat mich ebenfalls umgehauen – sowohl der 2009er, als auch der 2010er (letzteren vom Faß)