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Nein, niemand muss sich Sorgen machen, dass ich schlagartig in bitterer Armut versunken bin. Auch braucht man nicht befürchten, dass ich vor lauter Gier nach Alkohol jetzt alles in mich reinschütte, was dreht.
Derartige Mutmaßungen könnten nämlich aufkommen, weil es heute am Schiff um einen „Tafelwein“ geht, der künftig nur noch „Wein aus Deutschland“ heißen darf.
Doch allmählich scheren auch immer mehr gute Winzer aus der Qualitätspyramide des deutschen Weinrechtes aus. Wie zum Beispiel Stephan Steinmetz aus Wehr an der Mosel. Der hat nach eigener Aussage „keine Lust auf den bürokratischen Krempel“, der für den Qualitätswein von Nöten ist – und macht lieber tolle Weine. Wie etwa einen 2010er Auxerrois, der von seinem jahrgangstypischen Spiel (langer Regen im Spätsommer) zwischen markanter Säure (eher untypisch für Auxerrois), wenig Restzucker (knapp 3 Gramm pro Liter) stoffigen, fruchtsüßen Extrakten und einer herrlichen Frische lebt. Kein großes Beeren-, Steinobst- oder Kräuterkino, dafür traubig wie der Biss in eine reife Weinbeere.
Und das alles mit sehr schlanken 11,5 Prozent Alkohol. Denn Steinmetz erlag nicht der Versuchung, die im Vergleich zu den Vorgängerjahrgängen geringeren Mostgewichte durch heftige Zuckerzugabe (Chaptalisierung) vor der Vergärung zu kaschieren. Kurz und gut: hier haben wir einen swingenden Spaßwein für unbeschwerte Momente, den man auch einem nicht zu salzigen Hühnerfrikassee zumuten kann. Denn irgendwie klappt das mit den Kapern und den Erbsen ganz hervorragend.
Überhaupt sollten wir froh sein, dass es dieses Weingut überhaupt noch gibt. Stephan Steinmetz wäre schließlich nicht der erste moselfränkische Winzersohn gewesen, der die vom Vater geplante Stilllegung des in 6. Generation familieneigenen Guts mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nimmt. Doch glücklicherweise hat der Junge es 1993 im zarten Alter von 22 Jahren gewagt, den 5,5 Hektar großen Betrieb in eigener Regie zu übernehmen. Für die südliche Mosel zweifellos ein Glücksfall, denn Steinmetz gilt dort mittlerweile als einer der Protagonisten einer neuen Winzergeneration, die das alte Image des Gebiets als Produktionsstätte für billige Fassweine gewaltig aufpoliert haben.
Steinmetz hat die dort vorherrschenden Muschelkalkböden offenbar verstanden und produziert nicht nur einen großartigen Elbling, sondern auch gebietstypische, reinsortige Burgunder, denen die große Wasser-, aber eher geringe Wärmespeicherfähigkeit dieses Bodens sehr zugute kommt.
Wer wie Steinmetz dieses Terroir ernst nimmt und nicht auf fremde Vorbilder schielt, wird zwar keine modernen Muskelprotze á la Baden auf die Flasche bringen, dafür aber – reduktiver Ausbau vorausgesetzt – extrem mineralische, klare und fruchtbetonte Weine mit straffer Frische, wenig Alkohol aber hohen Extrakten.
Letzteres ist auch ein Ergebnis intensiver „grüner Lesen“ im Sommer. Alles wird im Stahltank ausgebaut, mit Ausnahme des Spätburgunders, dem Steinmetz nach 14-tägiger Maischegärung eine recht sanfte Holzkur in hauptsächlich gebrauchten Barriques verschreibt.
Diese gradlinige Produktphilosophie setzt sich beim Angebot fort. Jahr für Jahr stehen vier rebsortenreine trockene Burgunder (Weiß-, Grau-, Rot- und Auxerrois) des aktuellen Jahrgangs im Programm. Dazu kommen ein Elbling im Liter und eine etwas filigranere Abfüllung dieser Rebsorte, sowie zwei bei ihm unter der Bezeichnung Crémant firmierende Sekte; ein reinsortiger Elbling und eine Cuvée.
Schaumschlägereien mit Prädikaten wie Kabinett, Spät- und Auslese oder die Verwendung von wohlklingenden, aber in diesem Fall vollkommen irrelevanten, Lagenbezeichnungen spart sich Steinmetz ebenso wie irgendwelche „Kammerpreismünzen“ oder sonstige „Prämierungen“ dubioser Institutionen. Im Gegenteil: Vor einigen Jahren hat er begonnen, einige seiner Weine nur noch als „Landwein der Mosel“ bzw. neuerdings als „Wein aus Deutschland“, früher „Tafelwein“ genannt, zu deklarieren.
Eine Kategorie, in der laut Weinrecht so ziemlich jeder Mist offeriert werden kann – und auch wird. Doch Steinmetz kann inzwischen auf das Vertrauen seiner vielen Privat- und Gastronomiekunden bauen, die wissen: wo Steinmetz draufsteht, ist Steinmetz drin. Und das ist eigentlich immer ziemlich prima.
Er selbst nennt den Inhalt seiner Flaschen „100 Prozent Leidenschaft“. Doch bestimmt kommt irgendwann ein durchgeknallter Bürokrat auf den Hof geritten, der dem Winzer – ganz gesetzestreu – untersagen will, Rebsorte und Region auf dem Etikett anzugeben. Der Südmoselpionier wird es überleben.
- Den 2010er Auxerrois von Stefan Steinmetz gibt es für 6,20 Euro.
Schaumlägerei ist wenn man Prädikate Schaumschlägerei nennt und Lagenbezeichungen irrelevant (besonders wenn es im Artikel dann doch um Lagen geht)