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Auf dem Weg durch die Bordkombüse stolpere ich fast über ein Paket, das wieder irgend ein Besatzungsmitglied mitten in den Weg gestellt hat.
Zu faul für die paar Stufen in den Schiffsbauch, typisch. Aber es hilft ja alles nichts, die Kiste muss da jetzt weg.
Von wem kommt diese Flaschenpost denn eigentlich? Sack, steht da auf dem Versandetikett. Und ausnahmsweise ist damit mal niemand von der Mannschaft gemeint, denn der Absender heißt tatsächlich so. Und der Sack hat Tradition: Seit 1846 bewirtschaftet die Familie Sack in Hochheim im Rheingau gerade einmal 2,5 Hektar. Eine Winz-Menge. Trotzdem hat man keine großen Expasionspläne. Das Weingut soll klein, der Kundenkontakt direkt bleiben. Sack ist sozusagen der Anti-Schneider.
Mission: Flaschen beseitigen.
Aber Moment mal: Bevor ich den Karton jetzt in den Schiffsbauch wuchte und er da womöglich wieder für Monate in Vergessenheit gerät, könnte ich die Flaschen doch auch einfach direkt beseitigen, oder? Zeit genug habe ich, also nichts wie ran.
Gottseidank sind die sündhaft teuren Versandkartons alle gleich konstruiert. Dadurch fällt unnötiges und zeitintensives Tüfteln beim Öffnen schon mal weg. Aus der Verpackung lachen mich zwei Flaschen besonders an. Die erste davon ist die trockene 2012er Riesling Spätlese Alte Reben aus dem Hochheimer Reichestal.
Kleines Stinkerl.
„Alt“ bedeutet in diesem Fall, dass die ältesten Stöcke dort seit 1957 stehen. Das ist zwar keine Ewigkeit, aber schon lange genug, um dem daraus entstehenden Wein ein gewisse Vielschichtigkeit zu verleihen. Die Trauben für den Riesling aus dem Reichestal werden in mehreren Durchgängen von Hand gelesen und deren Saft auf dem Weg zum Wein so wenig wie möglich beeinflusst. Der moderne Standard also, den wir sicherlich vor allem Junior Stephan Sack und seinem Geisenheim-Studium zu verdanken haben.
Ins Glas fließt der Wein in mittelkräftigem Gelb. In der Nase zunächst ein kleines Stinkerl, dann ein üppiger Fruchtcocktail aus Mirabellen, Mandarinen und Litschi, dazu auch einige Kumquats. Am Gaumen ist er schon jetzt extrem harmonisch mit schöner Balance aus (anwesender) Süße und reifer Säure. Eine druckvolle Mitte und ordentliche Länge machen ihn zum kompromisslosen Lecker-Wein.
Fettes Monster?
Wein Nummer zwei liest sich zunächst etwas seltsam: „Novemberlese trocken“ steht unter den obligatorischen Angaben wie Sorte (Riesling), Jahrgang (2012) und Herkunftsort (Hochheim). Was wird das sein – ein fettes, alkoholschwangeres Monster? Zum Glück nicht.
Ein recht kräftiges Gelb verrät die späte Lese, dazu kommt noch ganz zart wahrnehmbare Gärkohlensäure. In der Nase ist der Wein zunächst sehr verhalten, zeigt dann aber auch ganz leise das von vorhin bereits bekannte Stinkerl. Danach dominieren mineralische und blättrige Noten, mit viel Luft auch getrocknete Aprikose und Mandarinenschale.
Mit den Flaschen zum Bahnhof.
Am Gaumen ist er schon erstaunlich beisammen und schmackhaft, wenn auch insgesamt recht üppig. Eine eventuell aufkommende überbordende Mächtigkeit wird allerdings gut gepuffert durch sehr reife und nicht im Vordergrund stehende Säure. Ordentlich Druck bleibt natürlich trotzdem und das ist auch gut so. Ein langer Nachhall, der niemals auch nur eine Spur alkoholisch wird (13%), komplettiert den Eindruck. Richtig gut!
Zufrieden mit mir, der Welt und meiner spontanen Testaktion packe ich die übrigen Flaschen ins Reisegepäck und mache mich auf den Weg zum Bahnhof.
- Riesling Spätlese „Alte Reben“ 2010.
- Riesling „Novemberlese“ 2012.
Endlich holt mal einer dieses Weingut aus dem Sack! Habe mich schon lange gewundert, dass die kaum jemandem aufgefallen sind. Ich trinke Sackweine seit 1 Jahr und bin begeistert.