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Anti-Toskana: Do Ut Des – darf man das?

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Multikulti-Maat Christian Ortner (zuletzt im kalifornischen Paso Robles am Motorrad gesichtet) steht auf Rebellen. Und widmet sich deshalb einem Wein aus internationalen Sorten (böse!), der in der Toskana gemacht wird.
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Italien, Toskana – wer will da nicht hin? Traumhafte Landschaften, einprägsame Weine. Zum Beispiel Brunello, der Spitzenwein aus Montalcino, der aus Sangiovese gekeltert wird und erst am 1. Januar des sechsten auf die Ernte folgenden Jahres das Weingut verlassen darf. Der lässt vielen Weingenießern den Puls hochgehen.

Oder der Chianti Classico, natürlich und fernab der Weinraffinerien produziert, bringt auch er oft hervorragende Qualitäten hervor. Viele aber schauen nur auf die „Supertuscans“. Das sind Weine aus internationalen Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah. Beispiele dafür gibt es wie Sand am Meer: Ornellaia, Tignanello oder Luce. Lauter Markenweine mit klingenden Namen. Allerdings – trotz überragender Qualität – nicht wirklich typisch für die Toskana, finde ich. Dasselbe Problem plagt Obermaat Mally nicht nur bei österreichischen Rotweinen, siehe Reeh. Kawumm!

Da gibt es ja dann Gott sei Dank Winzer, denen die Anpassung an die moderne Weinwelt nicht so zusagt. Vor kurzem hatte ich zum Beispiel das Glück, wieder einmal einen Wein von Castello di Ama zu trinken, genau gesagt deren Kultwein Bellavista. Ein fast reinsortiger Sangiovese mit 10 % Malvasia Nera beigemengt und gekeltert im Jahr 1995. Der schmeckte mir damals ausgezeichnet und tut das heute noch wie vor 15 Jahren. Scheinbar hat sich mein Geschmack nicht großartig verändert. Toll, denn dieser Wein war Toskana pur und beim Trinken wurde ich sofort in eine andere Zeit zurückversetzt.

Damals füllte man von diesem Wein noch 13.000 Flaschen ab. Mittlerweile hat sich das durch rigorose Ertragsbeschränkung halbiert. Und der Preis mehr als verfünffacht. Warum auch immer.

Die positive Entwicklung dabei ist, dass die aktuellen Jahrgänge ebenso eindeutig Sangiovese als Basis repräsentieren, wie damals. Ohne wenn und aber und auch irgendwie beruhigend.

Aber nicht nur das prominente Weingut „Castello di Ama“ macht dem Modernismus zum Trotz Wein. Es gibt auch andere Winzer, die diesem Beispiel folgen. Besonders beeindruckte mich die Fattoria Carpineta Fontalpino.

Seit 1960 im Besitz der Familie Cresti und im echten Zentrum von Chianti Classico um Greve gelegen, aber auch im Colli Senesi (eine andere Chianti-Appellation mit Weingärten) ist der klassische Stil der Region hier klar definiert. Eindeutig erkennbare, saubere und in manchen Jahrgängen auch begeisternde Chianti sind hier gang und gäbe.

Allerdings wird seit Ende des letzten Jahrtausends ein Wein abgefüllt, der so gar nichts mit den traditionellen Rebsorten der Region zu tun hat. Einer, der mich immer oder gar immer wieder begeistert und mit dem Jahrgang 2007 seinen Höhepunkt erreichte: Der „Do Ut Des“, ein flotter Dreier aus Merlot, Sangiovese und Cabernet Sauvignon.

Bordeaux-Rebsorten wie Cabernet oder Merlot? Das schreit doch förmlich nach einem Modernisten, der seinen Bezug zur Region und damit den Sangiovese verleumdet…

Ebenso die Verwendung von französischen 225 Liter-Fässern, genannt Barrique. Doch halt: maximal ein Drittel der Fässer waren neu. So vermeidet man übertriebene Holzaromatik. Die Trauben wurden vollreif aber straff und nicht minder gesund geerntet. Es gab keine Maischekühlung, keine zusätzlichen Hefen und die Temperatur wurde während der Gärung auch nicht gesteuert.

Der Wein würde auch nicht künstlich konzentriert und Gummiarabiwari – oder wie das Zeug heißt (den genauen Namen kennt Obermaat Mally) – verwendete man auch nicht. Ja, Obermaat. Dieser Wein könnte auch dir gefallen.

Warum aber lange herum reden und Dinge verkomplizieren? Ich mag die Toskana, auch wenn ein Wein so schmeckt wie der Do Ut Des. Trotz der aromatischen Tendenz in Richtung Frankreich, wegen der Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot, die den Sangiovese ergänzen, ruft dieser Wein keine Bordeaux-Assoziationen bei mir hervor.

Diese internationalen Rebsorten passen gut in die Toskana. Manche Weingärten sind sogar perfekt für Cabernet oder Merlot geeignet, weil Sangiovese in ihnen entweder gar nicht oder zu stark ausreift. So kompliziert ist Weinbau. Der Do Ut Des ist mit Cabernet und Merlot stimmig. Ein Wein voll Dunkelheit und Tiefe. Wie die Stimme von Barry White. Nur ganz selten wirkt dieser Wein affektiert oder überambitioniert. In ihm liegt die Idee, gar keine zu haben.

Und wie ich da so sitze und über ihn nachdenke, während ich ihn im Glas beobachte, vergesse ich fast darüber zu berichten, wie der schmeckt:

Der Wein öffnet sich im Glas wie ein zerknittertes Poster aus meiner Jugendzeit. Das klingt melancholisch und theoretisch zugleich. Er wirkt in seiner großen Leichtigkeit fast selbstverständlich. Wie ein hingerotzter Rocksong (Golenia: von Motörhead?) kommen die blutroten Herzkirschen hervor. Der warme Atem der Maulbeere stößt dazu, der klassische Geist eines alten Balsamico-Essigs vollendet die Komposition. Kunstvolle Dekadenz mischt sich mit stilisiertem Schmäh. Dabei dribbelt der Wein dezent zwischen Großmäuligkeit und Ekel – und ist dabei so sexy wie Monica Bellucci. Diesen Wein muss man trinken, um ihn zu begreifen.

  • Do Ut Des 2007 von Carpineta Fontalpino für 32,00 Euro.
 

Datum: 9.8.2011 (Update 5.9.2014)
 

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