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Italien, Toskana – wer will da nicht hin? Traumhafte Landschaften, einprägsame Weine. Zum Beispiel Brunello, der Spitzenwein aus Montalcino, der aus Sangiovese gekeltert wird und erst am 1. Januar des sechsten auf die Ernte folgenden Jahres das Weingut verlassen darf. Der lässt vielen Weingenießern den Puls hochgehen.
Oder der Chianti Classico, natürlich und fernab der Weinraffinerien produziert, bringt auch er oft hervorragende Qualitäten hervor. Viele aber schauen nur auf die „Supertuscans“. Das sind Weine aus internationalen Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah. Beispiele dafür gibt es wie Sand am Meer: Ornellaia, Tignanello oder Luce. Lauter Markenweine mit klingenden Namen. Allerdings – trotz überragender Qualität – nicht wirklich typisch für die Toskana, finde ich. Dasselbe Problem plagt Obermaat Mally nicht nur bei österreichischen Rotweinen, siehe Reeh. Kawumm!
Da gibt es ja dann Gott sei Dank Winzer, denen die Anpassung an die moderne Weinwelt nicht so zusagt. Vor kurzem hatte ich zum Beispiel das Glück, wieder einmal einen Wein von Castello di Ama zu trinken, genau gesagt deren Kultwein Bellavista. Ein fast reinsortiger Sangiovese mit 10 % Malvasia Nera beigemengt und gekeltert im Jahr 1995. Der schmeckte mir damals ausgezeichnet und tut das heute noch wie vor 15 Jahren. Scheinbar hat sich mein Geschmack nicht großartig verändert. Toll, denn dieser Wein war Toskana pur und beim Trinken wurde ich sofort in eine andere Zeit zurückversetzt.
Damals füllte man von diesem Wein noch 13.000 Flaschen ab. Mittlerweile hat sich das durch rigorose Ertragsbeschränkung halbiert. Und der Preis mehr als verfünffacht. Warum auch immer.
Die positive Entwicklung dabei ist, dass die aktuellen Jahrgänge ebenso eindeutig Sangiovese als Basis repräsentieren, wie damals. Ohne wenn und aber und auch irgendwie beruhigend.
Aber nicht nur das prominente Weingut „Castello di Ama“ macht dem Modernismus zum Trotz Wein. Es gibt auch andere Winzer, die diesem Beispiel folgen. Besonders beeindruckte mich die Fattoria Carpineta Fontalpino.
Seit 1960 im Besitz der Familie Cresti und im echten Zentrum von Chianti Classico um Greve gelegen, aber auch im Colli Senesi (eine andere Chianti-Appellation mit Weingärten) ist der klassische Stil der Region hier klar definiert. Eindeutig erkennbare, saubere und in manchen Jahrgängen auch begeisternde Chianti sind hier gang und gäbe.
Allerdings wird seit Ende des letzten Jahrtausends ein Wein abgefüllt, der so gar nichts mit den traditionellen Rebsorten der Region zu tun hat. Einer, der mich immer oder gar immer wieder begeistert und mit dem Jahrgang 2007 seinen Höhepunkt erreichte: Der „Do Ut Des“, ein flotter Dreier aus Merlot, Sangiovese und Cabernet Sauvignon.
Bordeaux-Rebsorten wie Cabernet oder Merlot? Das schreit doch förmlich nach einem Modernisten, der seinen Bezug zur Region und damit den Sangiovese verleumdet…
Ebenso die Verwendung von französischen 225 Liter-Fässern, genannt Barrique. Doch halt: maximal ein Drittel der Fässer waren neu. So vermeidet man übertriebene Holzaromatik. Die Trauben wurden vollreif aber straff und nicht minder gesund geerntet. Es gab keine Maischekühlung, keine zusätzlichen Hefen und die Temperatur wurde während der Gärung auch nicht gesteuert.
Der Wein würde auch nicht künstlich konzentriert und Gummiarabiwari – oder wie das Zeug heißt (den genauen Namen kennt Obermaat Mally) – verwendete man auch nicht. Ja, Obermaat. Dieser Wein könnte auch dir gefallen.
Warum aber lange herum reden und Dinge verkomplizieren? Ich mag die Toskana, auch wenn ein Wein so schmeckt wie der Do Ut Des. Trotz der aromatischen Tendenz in Richtung Frankreich, wegen der Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot, die den Sangiovese ergänzen, ruft dieser Wein keine Bordeaux-Assoziationen bei mir hervor.
Diese internationalen Rebsorten passen gut in die Toskana. Manche Weingärten sind sogar perfekt für Cabernet oder Merlot geeignet, weil Sangiovese in ihnen entweder gar nicht oder zu stark ausreift. So kompliziert ist Weinbau. Der Do Ut Des ist mit Cabernet und Merlot stimmig. Ein Wein voll Dunkelheit und Tiefe. Wie die Stimme von Barry White. Nur ganz selten wirkt dieser Wein affektiert oder überambitioniert. In ihm liegt die Idee, gar keine zu haben.
Und wie ich da so sitze und über ihn nachdenke, während ich ihn im Glas beobachte, vergesse ich fast darüber zu berichten, wie der schmeckt:
Der Wein öffnet sich im Glas wie ein zerknittertes Poster aus meiner Jugendzeit. Das klingt melancholisch und theoretisch zugleich. Er wirkt in seiner großen Leichtigkeit fast selbstverständlich. Wie ein hingerotzter Rocksong (Golenia: von Motörhead?) kommen die blutroten Herzkirschen hervor. Der warme Atem der Maulbeere stößt dazu, der klassische Geist eines alten Balsamico-Essigs vollendet die Komposition. Kunstvolle Dekadenz mischt sich mit stilisiertem Schmäh. Dabei dribbelt der Wein dezent zwischen Großmäuligkeit und Ekel – und ist dabei so sexy wie Monica Bellucci. Diesen Wein muss man trinken, um ihn zu begreifen.
- Do Ut Des 2007 von Carpineta Fontalpino für 32,00 Euro.
schöne geschichte!
trotzdem bleib ich lieber bei einem sangiovese der dort wirklich daheim ist.
klar gibt´s flächen wo sich der Sangiovese nicht gut macht… dafür gibt´s dann Dinge wie Morellino, Canaiolo oder Colorino.
Herr Ortner, glauben Sie nicht, dass der richtige Schritt Regionalität heißt?
Warum? Ein bisschen Multikulti darf schon sein, auch im Wingert. Die internationale Verbreitung um Cabernet, Merlot & Co hat schon einen Grund. Die Sorten ergeben manchmal eben wirklich gute (aromatische) Rotweine auf besonders feine Art.
@ Maat Ortner, mehr solche Tipps. Nur bitte keine glatten Bolgheri, Maremma Supertuscans!
Ich finde auch, dass es einige wirklich schöne Weine aus internationalen Rebsorten in der Toskana gibt. Solange sie qualitativ (und wirtschaftlich) so überzeugend sind, wüsste ich auch nicht, was gegen Cabernet und Co in der Toskana sprechen soll.
Übrigens dominieren in vielen „Supertuscans“ keineswegs die internationalen Rebsorten, sondern Sangiovese. Gerade im Chianti-Classico-Gebiet gibt es immer mehr reinsortige , in Barriques ausgebaute Sangioveses, die als Supertuscans bezeichnet werden. Solange es auch solche Trends gibt, mache ich mir um ein paar Stöcke Cabernet keine Sorgen.
Im Chianti mag das schon passen und richtig sein – was ist allerdings mit Bolgheri und Maremma?
Teure Weine aus einer Gegend, die eigentlich nichts mit Wein zu tun hat.
Ein Ende der Expansion dort ist noch nicht in Sicht. Und billiger werden die Massenweine dort auch nicht!
Im Burgenland kehren die Winzer auf die dort schon seit Jahrzehnten gekelterten Rebsorten wieder zurück.
Die DACs zu nennen, erübrigt sich wohl – ich vertraue auf das Weinwissen der Leser dieser Seite.
Als „das“ Beispiel von vielen nenne ich den Blaufränkisch Mariental 1986 von E.T. und seine „Nachfolger“ (Gesellmann, Pöckl usw.).
Diese reinsortig ausgebauten Weine sind ein Hinweis dafür, dass es nicht bedarf, sich mit „fremden Federn“ zu schmücken.
Ich freue mich, würde ich dazu Meinungen lesen – es gibt vieles, was ích bewusst unbeantwortet im Raum stehen ließ.
Eventuelle Repliken werde ich erst in zwei Wochen beantworten, da ich mir das Privileg zugestehe, ohne Handy, TV, Internet usw. auszukommen.
Und wo ist da das Problem? Ich fände es ja schade, wenn etwa aus dem Bolgheri früher herausragende Sangioveses oder andere traditionelle Tropfen gekommen wären, die es heute aber immer weniger gäbe, weil die Winzer ihre alten Rebstöcke herausgeschlagen und diese durch Bdx-Rebstöcke ersetzt hätten. Eine solche Entwicklung kann ich aber nicht erkennen. Stattdessen sind alle glücklich -die Winzer, die jede Menge Geld mit ihren Bdx-Blends verdienen, und die Konsumenten offensichtlich auch, die sich über teils herausragende Weine freuen.
In der Tat gibt es herausragende DAC-BF aus dem Burgenland mit wenig Holz, viel Mineralität und noch mehr Charakter, die ich gerade für mich entdecke. Ich ziehe diese Weine oft irgendwelchen zugeholzten Bdx-Blends aus dem Burgenland vor.
Andererseits sehe ich weder, dass der BF im Burgenland vom Aussterben bedroht ist, noch dass es einen Trend zu mehr internationalen Blends gibt. Und abgesehen davon gibt es meiner Ansicht nach auch überzeugende CS-BF-Cuvées, etwa von Wellanschitz, die durchaus ihre Daseinsberechtigung haben.
Wo die Reise im Burgenland hingeht, wird letztlich der Markt entscheiden.
endlich gibt es hier wieder jemand der auf verständliche art und weise fragen beantwortet und kommentiert ohne oberlehrerhaft und bei missfallen beleidigt reagiert, danke mittelfinger sie sollten der neue captain werden,
wer von uns reagiert den beleidigt auf missfallen?
Lieber Gast,
vielen Dank für Ihr freundliches Kompliment! Ich freue mich, dass Sie meine Kommentare gerne lesen!
Insoweit Ihr Kommentar als Kritik an den Maaten zu verstehen ist, könnte ich diese allerdings nicht nachvollziehen.
Freundliche Grüße Ihr Mittelflinger (übrigens mit „l“)
ich selber halte es sehr stark mit den jeweilig regional typischen rebsorten und bin seit ende der 80er jahre totaler blaufränkisch fan und kann auch die oben erwähnten 86er mariental (originalzitat et:“kein barrique, das sind 225liter fässer, wir verwenden kleine fässer, die haben 230 liter und dürfen deshalb nicht als barrique bezeichnet werden“) noch immer mein eigen nennen. selber war ich dabei wie aus einem „blaufränkisch ausgebaut in kleinen fässern mit einem kleinen teil cabernet“ (steht so wirklich am etikett) der perwolff wurde. selber kenne ich die ersten versuche 1995 einen blaufränkisch zu machen der seine herkunft spielerisch darzustellen von einem herrn schiefer. aber anfangs gabs halt mehr gute weine aus der toskana weshalb ich halt öfter diese weine trank.
allesamt aber dürfen bei mir schon andere rebsorten enthalten als die authochtonen, und sie dürfen auch in kleinen fässern ausgebaut sein, wenn man es nicht als vorherrschendes element im weingeruch & geschmack wieder findet. tolles, reifes traubenmaterial vorrausgesetzt verträgt der wein auch viel holz ohne übermässig danach zu schmecken.
wie dieser wein hier, der alle nuancen der italienische lebensart mit sich bringt, sensationell dicht und auch ausserordentlich vollmundig ist, keine übermässige holznote trägt, beiweitem nicht so viel kostet wie viele hochgelobte ander toskanische weine. was nützt die beste internationale sorte wenn man damit nicht umgehen kann, und umgekehrt. ich vertraue auf die winzer, es wird immer welche geben denen der qualitätsanspruch wichtiger ist als ein gut gefülltes bankkonto. und wo die reise im burgenland (und auch in den anderen gebieten) hingeht wird dadurch sicherlich nicht nur der markt bestimmen. ich setze auf eine gute entwicklung der geniesser, die sich mehr individualisieren werden.