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Der Italiener Josko Gravner hat damit begonnen. Und bleibt sensationell erfolglos damit. Nun machen es ihm alle nach: Wein aus der Amphore erobert die Vinotheken. Meist ein Irrtum, sagt der Captain.
Das schöne Tongefäß. Einarmig. Man kennt es aus den alten griechischen Zeichnungen im Geschichtsatlas der fünften Klasse (erste Klasse Gymnasium in Österreich). Ein schöne Frau hält den Krug und gießt Wasser in ein Bad. Aus der Amphore. Wein wurde damals auch daraus ausgeschenkt, damals im alten Griechenland. Als es die Flasche noch nicht gab. Und auch nicht das Flaschenpfand.
Demnächst wird dann wohl das Amphorenpfand eingeführt, denn die Amphore kehrt zurück in den Weinbau. Sogar als Flaschenersatz: der österreichische Winzer Ewald Tscheppe füllt seine fertigen Weine in eigene Tonflaschen ab. Alles Amphore oder was?
Die Idee ist gar nicht so neu. Vor zwölf Jahren entschloss sich der friulanische Spitzenwinzer Josko Gravner seine bis dahin hervorragend normalen (frisch, fruchtig, extraktreich, gehaltvoll, sortentypisch und terriorverbunden) Weine in Amphoren auszubauen. Seinem Plan folgten viele andere Winzer der Region, die meisten sind wieder zum „normalen“ Weinbau zurückgekehrt. Aus gutem Grund, dem Konsument schmecken die Amphorenweine nicht, der Captain sieht ihre Positionen auf den Weinkarten verrotten. Kaum ein Gastronom bestellt die (noch dazu teuren) Amphorenweine nach. Weder von Gravner, noch von Edi Kante, oder sonstwem. Das Ganze ist eine Attraktion für Weinfreaks. Aber sicher nicht für den Konsumenten.
Aufschwung trotz Erfolglosigkeit
Trotzdem erlebt die Amphore einen Aufschwung. Die Amphore erlebt ihren Aufschwung in Gleichzeitigkeit mit dem Aufschwung des biodynamischen Weinbaus. Auch dieser ist nicht unproblematisch, doch generell ist die Rückbesinnung oder zumindest die Inanspruchnahme alter Pflanzenschutz- und Anbautechniken zu begrüßen. Wenn sie was bringen.
Während Gravner mitunter riesige Amphoren mit Wein füllt (siehe Bild), fangen andere Winzer klein an. Meist geht das einher mit vergrabenen Kuhhörnern, die Dung beinhalten, meist geschieht es gleichzeitig mit dem Studium der Mondphasen und Sternbilder. Der biodynamische Weinbau wird zunehmend esoterisch. Und meistens schmecken die Weine den Konsumenten nicht, vor allem jene Weine, die total in der Ideologie des Antiken versinken, als wäre die Zeit oxidiernder und fehlerhafter Weine die Blüte des Weinbaus gewesen.
Früher hielt der Captain vor allem Zahnarztgattinnen mittleren Alters für esoterisch anfällig – also für jeden erahnten und nicht bewiesenen Unsinn zu haben. Nun sind es aber viele Winzer, die sich der neuen esoterischen „Kellertechnik“ bedienen. Kellertechnik in Anführungszeichen, weil einige Winzer die Amphoren gleich monatelang im Garten vergraben, Amphoren aus extradünnem Ton, der die Kraft der Erde in den Wein lassen soll. Nun ja, abgesehen davon, dass dies nach Kurpfuscherei klingt, weiß der Captain auch nicht, ob ein Wein dringend noch mehr Terroir braucht, mehr Terroir, als er vielleicht verträgt. Die Traube holte das ja lange genug von der Wurzel im Dunkeln.
Esoterik ist die neue Mode
Wenn der Captain dann in seiner ehemaligen Heimat selbst in guten Restaurants die Kellner von der Kraft der Amphorenweine schwärmen hört, dann wird ihm manchmal ganz blümerant. Der Gast am Nebentisch probiert und findet das leicht verfallen Gehaltvolle jetzt erst mal ganz interessant. Aber dann: „Bittschön ein Glaserl vom normalen Sauvignon“ Aber gerne.
Die Sommeliers sind Freunde der Winzer, man zieht am gleichen Strang. Und Weinmachen hat in den letzten zwanzig Jahren popkulturelle Attribute eingesammelt. Die Sommerliers sind die DJs der Freizeittrinkerei, sie schenken aus, wozu getanzt wird. Deswegen muss es auch immer wieder modisch propagierte Abwechslungen geben. Eine solche Abwechslung ist die Amphore und der kluge Winzer wird seinen Wein eventuell nach dem Pressen dort kurz gären lassen. Damit man es am Etikett erwähnen kann. Dann aber ins Holzfass damit. Bitte. Man sieht, der Captaon sieht das alles skeptisch. Mit Kopfschütteln.
Doch dann hat der Captain unlängst einen Breg 2003 entkorkt, den Parade-Amphorenwein von Gravner. Die weiße Cuveé. Und was soll der Captain sagen? Der Wein war gar nicht so schlecht. Dunkles Gelb, ein paar Schwebeteile, viel Gras, Heu, Kamille, Aprikose, Datteln und andere Trockenfrüchte, dann schöner weißer Pfeffer und eine relativ stabile Säure. Selbstredend oxidativ, ohne Frage ungewöhnlich und erklärungsbedürftig. Aber knapp im grünen Bereich. Dafür aber massiv zu teuer.
Der Amphorenwein muss dem Konsumenten erst erklärt werden
„Solche Weine müssen erklärt werden“, sagt der Sommelier im Wiener Luxusrestaurant. Und er erklärt sie auch, die Amphorenweine. Und er verkauft sie auch. Aber nur einmal, wie er zugibt. Der Captain jedoch meint, dass ein guter Wein nicht erklärt werden muss. Er wird als guter Wein sofort zu erkennen sein. Man kann in die Details gehen, falls das jemanden interessiert. Aber den Leuten einen Wein einreden zu wollen, der ihnen nicht schmeckt. Das kann sich rächen.
Nun wird der Captain am kommenden Wochenende ganz vorurteilsfrei (wer´s glaubt wird selig) bei der VieVinum einige Amphorenweine verkosten. Und sich dann ein drittes Bild dieser Kelterungen machen. Er fürchtet, es wird nicht viel anders gezeichnet sein, als die ersten beiden Bilder.
- Weine von Gravner derzeit nur in der Schweiz bei Caratello
perfektes timing, danke. nach der 5seitigen geschichte im neuen falstaff über bernhard ott´s ersten amphorenwein stand mir das fragezeichen auf der stirn. hier werde ich sicher mehr darüber erfahren …
Als es nur Holzfässer gab und die neuen edelstahltanks aufkammen war die frische, klarheit und intensität der frucht (der edelstahltankweine) das um und auf für alle weininteressierte, als die keller der winzer voll waren mit den neuen tanks wurden die holzfässer wieder envouge weine die weich und harmonisch und deren frucht nicht mehr so hart und differenziert waren und nun die amphore von der man sicher sein kann dass der kollege winzer sie noch nicht im keller hat, alte technik für terroire verliebte, morgen werfe ich meinen computer weg und schreibe statt e-mails nur noch briefe und dann kaufe ich mir ein vinum-heft um beim wein up to date zu sein, und danach den wine advocate
In Georgien hat heute noch jeder Bauer einige Amphoren im Keller und macht darin seinen Hauswein. Der hat mit dem schönen Getränk, das wir unter dem Namen Wein schätzen, meist wenig zu tun.
Nach der traditionellen Metode zubereitet, ergeben sich zwangsweise tanninhaltige, hochfarbene Weissweine oder stichige, nach Pferdestall stinkende Rote.
Nachdem moderne Kellereien in Georgien lange Zeit auf Beton- oder Stahltanks gesetzt hatten, werden jetzt wieder Kvevri-Keller (Amphoren-Keller) angelegt. Die Weine werden nur 4-5 Wochen darin ausgebaut und dann oft weiter in Barriques. Diese Weine kosten umgerechnet 20 bis 30 Euro und sind oft die Top-Weine der Produzenten. Für den europäischen Geschmack fallen sie eher in die Kategorie „interessant“.
Es wird diese traditionellen Weine trotzdem weiter geben: die georgische orthodoxe Kirche schreibt für ihre Messweine den Kvevri-Ausbau vor.
zitat ott:
„Irgendwann hast Du das Gefühl, das kann doch nicht alles sein. Haus, Hof, Keller, die Weinberge alles ist perfekt bestellt….. blab blabala
ach kommt leute, ein sinnvolles wäre zB: projekt idealgewicht!
Von einem Trend oder gar einer Eroberung der Vinotheken kann angesichts einer Handvoll Amphore-Pionieren und der geringen Anzahl von produzierten Flaschen nun wirklich nicht die Rede sein. Aber es ist wichtig, dass sie einige gestandene und namhafte Produzenten daran machen diese uralte Technik wieder zu erlernen und damit Erfahrungen zu sammeln. Das gilt auch für andere alte Techniken: gemischter Satz, Korbpresse, natürliche Stabilisierung des Weins im Fass; unfiltriertes, ungeschöntes Füllen etc. etc.. Fasst man dies alles zusammen ist es vielleicht wirklich ein Trend.
Was die eingegrabenen Kuhhörner betrifft, bin ich ganz Deiner Meinung. Positiv ist allerdings, dass solche Leute sehr viel angestoßen haben und durch diese Bewegung inzwischen insgesamt sensibler mit der Natur, mit der Umwelt umgegangen wird.
Und was die Amphoren betrifft. Du hast Recht, das Zeug schmeckt nicht wirklich, aber woher würden wir das Wissen, wenn es keiner ausprobiert? Auch die ersten Gehversuche mit Barriques in Deutschland und in Italien waren nicht wirklich ein Trinkvergnügen…
na dann freue ich mich, mit dir auf der Vievinum zu verkosten, komme mit Frau zur Amphorenprobe nach Wien. Habe mit Cornelissen Weine mal die und die Erfahrung gemacht, aber letztendlich nicht verkaufbar in unserem Metier
…ein guter beitrag – lob dem captain !
auch mir kommt es des öfteren vor, das die öst. gourmetpresse zurzeit kein anderes thema hat als tonamphoren, betoneier, in hörner gefüllte kuhscheisse und bis 3x am tag bis zur mondphase und wieder zurück.
ich meine, großer respekt vor der biodynamik – sicher eine extrem spannende bewirtschaftung mit potential für die zukunft und auch der richtige ansatz. aber wenn es so weiter geht, zählt bald nicht mehr ob ein wein gut schmeckt oder nicht, sondern es wird nur mehr über weine geschrieben die einfach anders sind als die guten produkte der letzten 15 jahre.
es kann nicht sein, das die eigentliche qualität eines weines in den hintergrund gerückt wird, und ab jetzt nur mehr wichtig ist das die winzer an einem abnehmenden mondtag einen dreibeinigen esel durch den weingarten getrieben haben, dieser neben jeder rebzeile einen riesen eselsfurz gelassen hat und somit die trauben plötzlich herausragende qualität haben und der wein sicher ewig haltbar ist.
oder ist der fachpresse wirklich so langweilig ? – dann sollten sie sich wieder mehr mit den weingütern selbst auseinander setzen. auch wenn diese zum großteil jetzt noch „bösartig“ konventionell arbeiten und überrraschenderweise doch noch hervorragende weine auf den markt bringen !
Wer Amphorenweine so pauschal in die Ecke „schmeckt nicht“ abqualifiziert, macht es sich zu einfach. Ich habe vor einiger Zeit z.B. einen roten Amphorenwein aus Georgien getrunken, den ich zu den besten 100 Weinen zähle, die ich in meinem Leben im Glas hatte.
Die Diskussion wird und muss weitergehen. Auch die Experimente mit traditionellen alten Verfahren. Wir werden eine Renaissance der Manufaktur-Weine erleben.
Hallo, sehen wir uns auf der VieVinum? Und was war das für ein Wein in Georgien?
Grüße
ist das der 2008er Saperavi „NIKA“? (Georgien)
…es liegt wie so oft im Auge des Betrachters, denke ich.
Mir fällt dazu ein Italiener aus der Maremma ein, bewirtschaftet seine Weinberge bio und sehr dynamisch. Auchotone Reben und verdrängtes Wissen gepaart mit viel Spass am Wein-machen.
Dabei ist dann auch ein Amphoren Wein entstanden, 100% Sangiovese … gaanz großes Kino.
So falsch kann ein neuer alter Weg nicht sein, ärgerlich nur wenn man nicht den Raum und die Zeit zugebilligt bekommt um aus einer Idee ein Produkt machen zu können.
Wie sagt der Chinese: jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt…
Wir führen den im Qvevri (Amphore) vergorenen Vinoterra Saperavi von Schuchmann aus Georgien. Könnte es der gewesen sein ?
Ich trinke seit einigen Jahren Weißweine die auf ihren Schalen vergohren wurden. Amphorenweine mal als Thema dahingestellt – ich rede lieber von orange wines.
Momentan gibt es eine Reihe von Produzenten die excellente Weine dieser Art machen und da ist Gravner einer unter vielen. Malden Rozanic (Roxanich), Georgio Clai, Vodopivec wie auch La Stoppa´s Ageno können in guten Jahren eine Offenbarung sein, die man absolut nicht erklären muss. Zugegeben, ist es wirklich von Vorteil, wenn man etwas über die Philosophie der Winzer erfährt. Die Weine haben des öfteren ein robustes Tanningerüst, das viele passionierte Weißweintrinker anfangs verwirrt. Die Aromenvielfalt, die sich aber um dieses Gerüst schart, ist für mich auf jeden Fall immer wieder ein besonderes Weinerlebnis.
Die Winzer, die solche Weine machen, waren stets bescheiden und authentisch und gehörten nicht zu denen mit Weinarchitektur protzenden modern Weinmakern, wo der Mann von Welt gerne mit seinem Porsche vorfährt. Selbstverständlich schätze ich den guten klassischen Weißwein ebenso 😉