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Aligoté: Trinken gegen den Punkte-Wahn!

Weinselfie (Selbstauslöser) von und mit Jungmaat Markus Budai.
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Markus Budai trinkt KEINEN großen Wein aus dem Burgund. Und ist ohne viele Punkte trotzdem glücklich. Sollen doch die anderen auf Facebook eine Top-Flasche nach der anderen öffnen...
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Gestern Abend, 22:00 Uhr. Das Wochenende hatte schon angefangen und ich nichts geplant.

Ich langweile mich ein bisschen, möchte aber noch nicht schlafen gehen. Im Netz öffnen gerade Freunde eine hochbepunktete Burgunderflasche nach der anderen. Raritätenverkostung und so. Ich bin zu Hause.

Für ein größeres Event ist es jetzt zu spät und irgendwie reizt es mich, doch noch ein Fläschchen Wein zu öffnen. Also gehe ich in den Keller und krame einen einfachen Wein heraus. Einen Burgunder, der nicht wirklich einer ist und von dem ich mir auch nicht mehr als einen ordentlichen Absacker erwarte. Das klingt nach Ersatzbefriedigung. Also sowas wie Kochsendung schauen und selber Chips futtern.

Wieso „einfacher“ Wein?

Einfacher Wein, denn ich halte einen Aligoté in der Hand. Jene weiße Rebsorte, die im Burgund unter Pinot Noir und Chardonnay ein trauriges Schattendasein fristet.

Ich öffne die Flasche. Und siehe da – der Abend ist gerettet.

Das lustige ist, wenn ich jetzt entzückt mein Bildchen ins Netz stelle, wird´s keiner verstehen. Aber ich sitze hier und habe einen schönen Abend.

Denn im Glas schwappt ein Wein, der im Punktewahn einfach untergeht. Das hat er einfach nicht verdient.

Ja, wie geht denn das?

Die Rebsorte Aligoté ist das hässliche junge Entlein des Burgund. Die Winzer nutzen ihre guten Lagen hier eher für Chardonnay oder Pinot noir. Beide sind weltweit gefragt, bringen Geld. Und Rebfläche ist hier extrem knapp. Also warum eine Sorte verwenden, für die sich kaum einer interessiert?

Weil nur wenige Winzer die Muße haben, sich wirklich intensiv mit dem Aligoté auseinanderzusetzen. Außer einer, der eigentlich schon alles hat: Aubert de Villaine, Mitbesitzer der Domaine de la Romanée-Conti, Erzeuger der vielleicht besten, aber ganz sicher der teuersten Pinot Noirs der Welt.

Weine, die aus Toplagen so viel kosten wie ein Kleinwagen. Mit Vollausstattung natürlich. Und Winterreifen.

Unbekanntes, zweites Weingut.

Aber Aubert de Villaine hat beinahe unbemerkt Mitte der 1980er Jahre im lediglich 44 Hektar großen Anbaugebiet Bouzeron an der Côte Chalonnaise ein eigenes Weingut hochgezogen. Um sich der Aligoté zu widmen, die anderswo kein Renommee besitzt. Mittlerweile kümmert sich Auberts Neffe Pierre de Benoist um die Weine.

Maat Eschenauer hat vor einiger Zeit bereits hier über dieses Weingut A. et P. de Villaine berichtet.

Benoist hat sich ganz dem Aligoté verschrieben und stellt Chardonnay und Pinot noir hinten an. Von insgesamt 22 Hektar Rebfläche sind ganze 10 Aligoté.

Geriebene Äpfel.

Ich habe diesen Aligoté das erste Mal vor fast exakt einem Jahr verkostet. Damals ist er mir in einer Verkostung unter hochkarätigen Burgundern aufgefallen. Er besaß eine unglaublich anziehende Note von frisch geriebenen Äpfeln und glänzte durch Frische. Eine Frische, die unter den großartigen aber noch kantigen (weil jungen) Burgundern herausstach.

Heute habe ich wieder ein Kribbeln in den Fingern, wenn ich den Wein trinke.

Ne pas servir trop froid!

Der 2012er Aligoté aus dem Dörfchen Bouzeron leuchtet hell goldgelb im Glas, glitzert silbern und riecht wie ein Gang durch Streuobstwiesen. Dicke Apfel- und Birnenschale. Dann noch ein wenig Heu vom Bauern nebenan. Nicht mehr. Das war´s bereits. Denn der Wein ist anziehend aber nicht ausgeprägt komplex.

Ich trinke einen Schluck und bin überrascht über die lebendige Säure. Anders als der 2009er Jahrgang, der sehr milchig und breit ausfällt, fühlt sich der Aligoté aus 2012 hier an, wie mit dem Riesling verwandt. Das ist dann wohl die Jahrgangsdifferenz.

Dieser Wein ist sehr frisch und klar und bleibt lange am Gaumen. Das macht die Säure, von der etwas weniger auch gut wäre. Das könnte ein toller Wein als Aperitif sein, doch ich trinke ihn solo. Und wenn de Benoist aufs Etikett schreibt „Ne pas servir trop froid“ (nicht zu kalt servieren), dann halte ich mich auch daran. Denn nur so blüht der Wein auf.

Zu klein für hohe Punkte – EGAL!

Ich trinke vor dem Schlafengehen noch ein Glas, übrigens ein kleines Chablis-Glas. Das, obwohl ich so gerne aus den großen Mundgeblasenen Wein verkoste. Doch dieser Wein ist nicht so groß und wird nur im kleineren Glas seinem Charakter gerecht. Damit steht er mit Bewertungs-Punkten auch nie ganz vorne und wird somit auch nie vor Luxus strahlen.

Also muss ich lauter schreien, damit der Wein nicht so einfach untergeht. Und ihr? Ihr müsst trinken!

  • Bouzeron Aligoté 2012 von A. und P. de Villaine.
 

Datum: 10.5.2014 (Update 5.2.2015)
 

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