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Tim Raue, Deutschlands wohl umstrittenster Starkoch, verlässt das Adlon. Sein Restaurant Ma wird mit dem Restaurant Uma fusioniert. Ist das das Ende einer außergewöhnlichen Karriere? Aktualisiert!
Während der Captain und sein Erster Offizier gestern noch die Debatte über fette Cabernets führten, trafen sich die Protagonisten einer anderen Welt genau an jenem Ort, an dem diese Weine gerne und oft getrunken werden: im Berliner Restaurant MA, dem kulinarischen Hot-Spot der Hauptstadt.
Tim Raue, Koch des Ma, seine Frau Maire-Anne und ihre Anwälte saßen, so wurde es dem Captain noch in der Nacht berichtet, am späten Vormittag Vertretern der Adlon-Holding gegenüber. Und Anne Maria Jagdfeld, die Tim Raue einst vom Berliner Swissotel in das Adlon geholt hatte, sprach aus, was längst in der Luft lag: Man müsse sich trennen.
Spät, aber doch, ist die Krise auch in der deutschen Restaurantszene angekommen. Und es trifft die Aufsteiger zuerst. In Österreich (der Captain berichtete) schließen seit Monaten schon die Spitzenrestaurants ihre Pforten, eine in Europa wohl einzigartige Entwicklung, die mehr Gründe hat, als die Finanzkrise alleine. Aber die Finanzkrise wurde zum Auslöser.
In Spanien stehen etliche Restaurantschließungen bevor. Das lange Jahre aufregendste Land für Essen und Trinken leidet unter den enormen Auswirkungen der Krise. Zeitgleich gelangte die dort erfundene Molekularküche an ihr kreatives Ende. Nun bleiben die Tische leer, vor allem in den reichen nördlichen Regionen. Dafür, ein Rundgang durch San Sebastian genügt, sind die Kneipen voll mit Geschäftsleuten.
Die gleiche Entwicklung erreicht auch Frankreichs Spitzengastronomie, die bislang mit preisreduzierten Menüs antwortet. Und die Luxusproukte aussortiert. Ähnliches tut sich auch in Belgien und England.
Raues Abgang hat viele Gründe. Und doch nur einen. Und der heißt Tim Raue.
Doch Raues Abgang aus dem Adlon hier mit den Auswirkungen der Finanzkrise alleine in Einklang zu bringen, wirkt wohl etwas zu groß auf das Tischtuch gezeichnet. Die Rechnung wird aus verschiedenen Gründen präsentiert. Die zuletzt sinkende Auslastung der Raue-Restaurants, die sich noch dazu gegenseitig konkurrieren, war nur der Stein, der alles ins Rollen brachte.
So soll es Raues ungenierter Zugriff auf alle ihm zustehend scheinenden Betriebsmittel und Zutaten gewesen sein, die seit Monaten die Aufmerksamkeit und den Ärger der Holding erregt hatten. Anders gesagt: Raue gab aus, was er für richtig hielt; ein Break-Even war nicht auszumachen. Deswegen der finale Break.
Der einstige Darling der Berliner Restaurantszene, ein aus dem Proletariat aufgestiegener Star, der Bushido unter Deutschlands Köchen, war lange Jahre das kulinarische Symbol der Hauptstadt. Während andere Spitzenköche in unmittelbarer Nähe (etwa Michael Hoffmann im Restaurant Margaux) unter Aufmerksamkeitsdefizit litten, wurde Raue zum Superstar der Journaille aufgebaut, etwa vom verblichenen Magazin Vanity-Fair, das zu Raues Hauspostille geriet. Das Ende von Vanity-Fair hätte Raue zu denken geben müssen.
Denn ein lauter Koch, so unbestritten gut er ist, muss immer in den Schlagzeilen bleiben. Raue gelangte zwar beim umstrittenen Restaurantführer Gault-Millau zu höheren Ehren, der weit wichtigere Guide-Michelin versagt ihm jedoch den überlebenswichtigen zweiten Stern. Den hat seit zwei Jahren das Restaurant Fischers Fritz im nahen Regent-Hotel – ein stets mäßig gebuchter Salon, der vom Hotelbetrieb gestützt werden muss. Nichts ist so wenig Berlin, wie das Fischers Fritz.
Offenbar hat auch Raue geglaubt, dass das Adlon ihn unbedingt brauche. Doch das Haus braucht sicher keine fünf Restaurants. Wie es mit Ma und Uma weitergeht steht nach Raues Abgang in den Sternen. Der Österreicher Stephan Zuber ist wohl zum Nachfolger Raues auserkoren worden. Ein Lebensberichtigung muss aber erst noch gefunden werden.
Raue selbst hat wohl längst mit einem eigenen Restaurant spekuliert, das er im späten Sommer aufmachen will. Es soll in der Nähe des Axel-Springer-Verlages in Kreuzberg liegen und vor allem auf die solventen Mitarbeiter des Verlages abzielen. Da kommt zusammen, was zusammen gehört. Wahr ist: In der Gegend gibt es in Fußweite kein gutes Lokal. In seinen eigenen vier Wänden wird Raue wohl auch mit den Betriebsmitteln sparsamer umgehen. Es ist ja dann sein eigenes Geld.
Die Restaurantkrise ist in Berlin angekommen, ihr erstes Opfer wird uns nicht sonderlich abgehen. Denn Hand aufs Herz: Wer war schon Stammgast bei Raue? Bitte aufzeigen. Ah, der Herr dort hinten. Und das Paar links beim Ausgang. Danke, setzen.
Gute Schreibe – und gut beschrieben!
Mist. Wollte seit Monaten da hin. Und jetzt isses zu spät…
Das war zu erwarten. In Berlin und Hamburg werden immer große Konzepte geplant und dicke Dinge gedreht. Aber am Ende bleibt nix über. Da lob ich mir Klaus Erfort hier in Saarbrücken. Der bleibt am Boden der Tatsachen und macht kein chinesisches Restaurant in Deutschland. Deswegne wird die Westgastronomie überleben.
Das lässt allerdings hoffen, Raue bald wieder in weniger großer Umgebung zu sehen. Ein Essen im Restaurant 44 vor ca. 7 Jahren war eins der Top-3 kulinarischen Erlebnisse meines bisherigen Lebens. Auf das MA oder UMA hatte ich hingegen keine Lust, weil das Konzept irgendwie zu konzeptionell war (+ die Weinkarte ja nicht sehr gut gewesen sein soll).
Ich werde Raue auch nicht bei Axel Springer besuchen. Und ich kann auch nicht nachvollziehen, was im 44 so toll gewesen sein soll. Für mich ist das alles nur schlechter Durchschnitt. Verglichen mit Wissler oder Elverfeld ist Raue ein Anfänger.
@captn nix fußläufig beim Checkpoint? doch: das Entrecote, leger, französisch, perfektes Bistro mit entrecote, tatar, plate de boef, austern etc, genial.
@mister spuck – is noch mindestens ein paar wochen offen. jetzt aber!
mehr auf den Wein & Gourmetwelten
Ja, die Kneipen in San Sebastian sind voll, völlig zu Recht.
Die Gerichte schmecken wie die “ledige Sünd” … ein Genuss a la Delicias de … Txalupa de … Milhojas … Brandada de … etc.etc. … gekocht & serviert meist vom Wirt´n persönlich oder dessen Gattin/Tochter oder Sohn, mit einem stolzen Lächeln im Gesicht und einer kleinen Erklärung dazu …
die Entscheidung für den Abend (ohne langwieriges Reser- vierungsszenario) Tapasbar – oder – Restaurant fällt mittlerweile nicht wirklich schwer.
Der Mitteleuropäer neigt noch dazu spätestens um 8 p.m. einzutreffen, somit kommt dieser für kurze Zeit in den Genuss der fast alleinigen Aufmerksamkeit (hat was), er kippt aber ganz schnell in das pulsierende Keipen-Leben hinein … Osasuna!
der artikel ist wirklich großartig geschrieben und fängt im detail meine meinung. danke