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Schmitges: Wie schmeckt Wein aus Granit?

Willste kosten? Fass-Selfie mit Winzer Kilian Schmitges.
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Moselwinzer Kilian Schmitges aus Erden baut einen Teil seiner Ernte im Granitfass aus. Weinkenner Christoph Hahn probierte das Ergebnis.
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Es war die Lust am Experiment, die Vater und Sohn Schmitges inspirierte: „Wir wollten einfach nur wissen, wie das schmeckt.“ Eine gehörige Portion Risikobereitschaft war auch noch im Spiel, denn so ein aus dem Berg gefrästes 1.000-Liter-Fass kostet 15.000 Euro.

Das ist übrigens auch der Grund, warum eine Schweizer Kapitalgesellschaft neuerdings Granitfässer an Winzer verleiht und das Recht für den Ausbau von Weinen (und anderen Getränken) darin vergibt. Ein intelligentes Konzept soll Wein aus Stein weltweit zum Durchbruch verhelfen. Dazu weiter unten mehr.

Die Schmitges waren schon etwas früher dran. Sie mussten zwar eine Menge Geld auf den Tisch blättern, dürfen aber jetzt und in Zukunft ihren Granit-Wein unter eigenem Namen vermarkten.

Das Granitfass der Schmitges wurde aus einem 9 Tonnen schweren Granitblock hergestellt und wiegt mit Deckel zwei Tonnen. Im experimentierfreudigeren Österreich werden Steinfässer schon länger genutzt. Ganz im Gegenteil zu Deutschland. Hier sind sie bisher kaum zu finden.

Angefertigt wird das etwas andere Fass bei Steinmetz Alois Bauer in Passau. Der bezieht den Stein aus vier ausgewählten Brüchen im Bayerischen Wald und bearbeitet ihn. Mehr noch: Bauer ist der Erfinder des Wunderdings.

Mit allerlei Skulpturen und anderem schmückenden Beiwerk für das schöne Heim war er einst zu einer Messe in der burgenländischen Weinbaugemeinde Gols angereist. Nach Feierabend setzte sich der Deutsche damals mit seinen Gastgebern zu einem Umtrunk zusammen. Dabei ließen die Beteiligten ihren Gedanken freien Lauf und dachten darüber nach, was sie mit Granit noch anfangen könnten. In dieser Nacht wurde die Idee zum Wein aus dem Steinfass geboren.

Und wie schmeckt er nun, der Steinwein? Kilian Schmitges nennt seine Kreation aus dem wuchtigen Ding sinngemäß Stone.

Dieser Stone schmeißt sich nicht sofort an seinen Trinker ran. In der Nase ist er zunächst noch relativ verschlossen. Da sind salzige Mineralik, Zitrusfrucht und Aprikose. Aber der Stone ist gekommen, um zu bleiben. Während er auf der Zunge liegt, verändert sich langsam die Frucht. Die Säure zieht sich zurück und das, was bleibt, sind weiche und changierende Noten von Weinbergspfirsich wie der nachklingende Schlussakkord einer Sinfonie. Im lang anhaltenden Abgang mischt sich dann noch etwas Salz ins Geschmacksbild. Ein eleganter Wein.

Es drängt sich die Frage auf, was das Mineral mit dem Wein macht. Kilian Schmitges: „Der Granit ist innen offenporig. Der Wein dringt ein und zieht die Aromen heraus.“

Ja, Schmitges Riesling saugt die Mineralik des Steins aus dessen Poren. Dabei bleibt es nicht bei den salzigen Seiten des Geschmacks. Da der Granit einen hohen Anteil an Kieselsäure aufweist, reichert er den Wein damit an und verändert dessen Geschmack, heißt es. Das liegt vor allem daran, dass das Granitfass innen eine raue, nicht polierte Struktur aufweist. Durch eben jene Oberfläche kommt es nach Herstellerangaben zu einem intensiveren Kontakt zwischen Gestein und Gärmaterial, also dem Most. Ein weiterer Vorteil soll unter anderem darin liegen, dass im Gegensatz zu anderen Methoden der Weinbereitung die Gärung nicht so bald zum Stillstand kommt, sondern vollständig verläuft.

Um die Vorgänge besser zu verstehen, vergor Schmitges junior vom selben Traubenmaterial aus dem Erdener Treppchen noch zwei andere Weine. Einen im Stahltank (Steel) und einen im Holzfass (Wood). Steel, Stone, Wood – das klingt lustig.

Die besten dieser Trauben wurden am 29. Oktober 2016 mit einem Mostgewicht von 93 Grad Öchsle von Hand gelesen, anschließend in der Kelterhalle sechs Stunde auf der Maische stehen gelassen und dann unter 0,4 bar Druck über sechs Stunden hinweg gepresst. Dann natürlich vorgeklärt und zu je 1.000 Liter in die unterschiedlichen Gebinde verteilt.

Der Wein aus dem Stahltank schmeckt am glattesten. Wie sollte es auch anders sein? Diese Technik schaltet alle störende Einflüsse weitgehend aus. Wood, der Wein aus dem Holz, zeigt Ecken und Kanten. Aus der Eiche kommt eine bezwingende Herbheit, ein Geschmack wie von Schwarzen Johannisbeeren, der die Zunge sich leicht zusammenziehen lässt. Das ist ein sehr sinnlicher Wein, für mich der aus dem Trio, in dem sich am ehesten so etwas wie eine Persönlichkeit abzeichnet.

Mit dem 3er-Pack brach in Schmitges moderner Probierstube unweit der Erdener Dorfkirche eine spannende Zeit an. Kilian: „Die Kunden hatten extrem viel Spaß, es gab Diskussionsbedarf und sie waren überrascht, dass die Fässer so viel Einfluss auf den Weinstil ausüben.“

Die Schmitges befragten die Kunden bei Blindverkostungen und online. Heraus kam: 52% Zustimmung für Stein, 31% für Holz und 17% für Stahl. Als vierte Variante gab’s eine Cuvée aus Stein und Holz; die schmeckte den Winzern selbst am besten. Kilian Schmitges: „Die positiven Eigenschaften ergänzen sich.“ Leider ist der Wein nicht mehr verfügbar.

Auch Steel, Stone und Wood gibt es nur aus einem einzigen Jahrgang (2016) und danach nie wieder – ist wohl sehr viel Aufwand. Das Paket gibts für ca. 65 Euro im Internetz. Den Stone als Einzelflaschen liefert Schmitges nur auf Nachfrage.

Das Granitfass bleibt aber weiterhin im Gebrauch. Alles andere wäre ja auch Wahnsinn bei dem Anschaffungspreis. Seit der Lese 2017 werden die hochwertigen Weine des Hauses (Große Gewächse, Alte Reben) darin vergoren und wandern danach ins große Holzfass.

Und so sieht das Granitfass in seiner urigen Pracht aus. Vater und Sohn Schmitges inklusive:

Eigentlich lernte Kilian Dachdenker, erst mit Anfang 20 fand er zum Handwerk des Vaters, studierte Weinbau und Betriebswirtschaft in Heilbronn. Kilian war plötzlich ganz heiß darauf, seinen eigenen Wein zu machen. Aber um Gottes willen keinen Riesling, „denn davon gibt es an der Mosel schon reichlich“.

Es musste etwas anderes her. Wegen der klimatischen Veränderungen an der Mosel boten sich Schmitges die Burgundersorten an.

Grauburgunder lag dem jungen Winzer sowieso schon auf der Zunge, doch da fehlte ihm die Spritzigkeit. Darum kam Weißburgunder ins Spiel. Die Cuvée Quereinsteiger war geboren.

Dieser Quereinsteiger verkaufte sich so rasch, dass der Jungwinzer plötzlich mit leeren Händen dastand. Vorübergehend und bis der nächste Jahrgang fertig ist, gibt’s den Wein dann eben nur als reinsortigen Grauburgunder. Ich glaube, das nennt man dann Pragmatismus.

Zurück zum Wein aus Stein. 2018 lizensierte die Schweizer Granbarrel AG das weltweite Patent für die Vinifizierung im Granitfass (und die Herstellung anderer Getränke) von Steinmetz Alois Bauer. Eine eigene Weinmarke ist im Aufbau, derzeit haben sich 35 Winzer angeschlossen. Unter anderem die weithin bekannte Familie Tement in der Südsteiermark.

Auf die Idee dazu kam Unternehmensberater Klaus Aumayr, der sich für Bauer den Kopf zerbrach, wie man die sauteuren Steinfässer effektiver unter die Winzer bringt. Heraus kam eine komplexe Struktur, bei der die Fässer im Eigentum von Granbarrel bleiben und an die Winzer ausgeliehen werden. Im Gegenzug vermarktet Granbarrel die Granitweine unter der eigenen Marke und organisiert den Vertrieb.

Um das Vorhaben in Schwung zu bringen, gründete Aumayr eine Aktiengesellschaft in St. Gallen und suchte und fand Investoren, die den Aufbau finanzieren. Wer will, kann sich noch an diesem Abenteuer beteiligen und die Ausschüttungen genießen. Die gibt es nämlich schon. Vorerst aber nur im Glas.

 

Datum: 16.1.2019 (Update 26.5.2021)
 

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