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Gestern durfte ich ihn wieder besichtigen. Den bundesdeutschen Trockentrinker. Besonders verbreitet scheint mir diese Spezies bei mittelmäßigen Weinhändlern zu sein. Und genau da lief er mir über den Weg. Was ich an einem derart deprimierenden Ort mache, muss an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.
„Dieser Wein da, ist der auch schön trocken? Ich mag nämlich nur trockene Weine. Wenn er also nicht trocken ist, kaufe ich ihn auch nicht“, krakelt es fröhlich aus der Ecke „Toskana, weiß“. Na bravo. Trocken ist in, süß ist tot. Früher war es umgekehrt.
Meine Kauf- und Trinklust sind schlagartig dahin. Mir kann man leicht den Tag verderben. Dass es auch anders geht, durfte ich erst neulich auf einer intimen Rieslingprobe erleben. Eigentlich, das konnte man spüren, waren viele Teilnehmer in erster Linie wegen der Großen Gewächse da, den trockenen Spitzenweinen so renommierter Betriebe wie von Winning, Klaus-Peter Keller oder Emrich-Schönleber.
Die Süßen grüßen
Und natürlich waren darunter einige sehr gute, bisweilen große Weine. Doch lag kollektives Aufatmen im Raum, als anschließend einige restsüße Spät- und Auslesen – viele davon gereift – auf den Tisch gestellt wurden. Die ausgeschenkten Weine waren allesamt so genial, dass keiner die Analysewerte wissen wollte. Mehr noch. Einige der dort verkosteten Weine sind bestens geeignet, eingeschworene Trockentrinker von ihrem selbstgewählten Pfad der Tugend abzubringen. Vor allem zwei Weine, die entweder überhaupt nicht oder gerade noch nicht trocken sind. Und deshalb so richtig überzeugen.
Der erste der beiden kommt vom Weingut A. J. Adam aus Neumagen-Dhron an der Mosel. Andreas Adam küsste während seines Geisenheim-Studiums das winzige und stillgelegte Weingut seines Großvaters wach. Seither wird fleißig expandiert, die ursprünglich minimale Anbaufläche wurde immerhin auf 3,7 Hektar vergrößert. Adams Rieslingreben sind zum Teil extrem alt und mitunter noch wurzelecht. Im Keller arbeitet der Winzer fast extremistisch, also so natürlich wie möglich, spontanvergoren, kaum filtriert, keine Klärhilfen, Enzyme oder Stabilisatoren. Entsäuern, konzentrieren oder aufzuckern sollen andere.
Im problematischen Jahrgang 2010 experimentierte Adam mit längeren Maischestandzeiten, anstatt die hohe Säure bloß mit etwas Restzucker abzupuffern. Ein riskanter Weg. Doch wir reden heute über seinen Piesporter Riesling aus 2011, der gerade noch als „trocken“ durchgeht. In der Nase subtil und fein, mit floralen Noten und etwas überreifer Honigmelone. Dazu etwas Menthol und eine würzige Mineralik. Im Mund dann gleich sehr präsent, mit gutem Druck ohne aber fett und aufdringlich zu werden. Zudem mit einer überzeugenden Würze, dem Geschmack leicher Kräuter und guter Länge. Das ganze derart trinkfreudig, dass man nicht aufhören kann zu trinken. Suchtgefahr.
Der zweite Freudenspender ist der 2010 Bockenauer Felseneck Riesling Spätlese Goldkapsel von Schäfer-Fröhlich. Hier brauche ich eigentlich keine großen Worte zu verlieren. Das Weingut selbst, die Lage Felseneck, wie auch die Spätlese Goldkapsel sind seit Jahren eine sichere Bank in Sachen Top-Riesling. Blauschiefer und Quarzit sorgen für eine legendäre Mineralität und Lagerfähigkeit der Felseneck-Gewächse. Tim Fröhlichs Version aus 2010 glänzt mit einem komplexen Aroma aus Rauch, frisch gehäuteten Süßmandeln und einem makellosen weißfleischigem Pfirsich.
Einmal volltanken bitte…
Mit etwas Luft schaut eine Balkan-Tankstelle auf eine kurze Stippvisite vorbei, zieht sich mit noch mehr Luft allerdings schnell wieder zurück. Im Mund ist das ganze harmonisch und hochfein, extrem elegant und schlicht köstlich. Der Nachhall ist dramatisch lang und zeigt einen Hauch Kokos und Krokant. Halenberg GG hin oder her, Schäfer-Fröhlich geht nicht größer, als mit diesem Wein. Wie viel Gramm Restzucker? Keine Ahnung. Mir egal.
- 2011 Piesporter Riesling, A. J. Adam für 16,90.
- 2010 Bockenauer Felseneck Riesling Spätlese Goldkapsel, Schäfer-Fröhlich für 26,90 Euro.
„Anschliessend die restsüßen Rieslinge“ ist schon ein Fehler, denn es sind meist keine Süß- oder Dessertweine sondern etwas ganz anderes. Sie schmecken wach, nüchtern und solo am besten. Sonst kann man auch die besseren nicht von Limonade unterscheiden.
felseneck http://weinlagen-info.de/#lage_id=575
„Irgendwas von Tesch würde jetzt noch gut in die Reihe der letzten Tage passen. ;-)“
Bitte um Gnade, hab guten Willens eine Probierauswahl bei Tesch bestellt und beim besten Willen nicht gemocht und weg geschüttet. :o) Was mir schmeckt, den Gutswein von Klaus Peter Keller mag ich lieber als den gut trinkbaren Kabinettswein von Van Volxem.
war das schiff mal wieder im hafen, neue worthuelsen laden? was fuer ein schwurbelkram ist den “ balkan-tankstelle“? wann kommt der andalusische gartencenter, die island-baeckerei als neue geschmacksrichtung fuer wein?
Andalusisches Gartencenter ist eine gute Idee, die ich demnächst aufnehmen werde. Dafür Danke..
Statt Balkan-Tanke kommt mir Nürburgring in den Sinn. Zumindest sage ich mir das immer in solchen Fällen. Flughafenterasse Frankfurt passt auch.
Tesch ist heavy, hardcore, medizinale Töne, schwer verständlich, menschlich unangenehm.
Adam ist ambitioniert, habe noch kein klares Urteil (woanders an der Mosel gibt es wohl mehr Wein fürs Geld)
Tim Fröhlich hebt ab – preislich, nicht qualitativ. Offenbar sehr sehr testosterorngesteuert. Typ Musterschüler mit Minderwertigkeitskomplex.
Anmerkungen entstammen meinen Beobachtungen der letzen Jahre.
wo ist den bitte längere maischestandzeit so wahnsinnig riskant??