↓ Ähnliche Weine
↓ Ähnliche Artikel
↓
Trends in der Weinszene – ein ewiges Reizthema. Besonders in Deutschland. Was dem einen zu progressiv, ist dem anderen zu altbacken. Was diesem zu populär, ist jenem zu intellektuell. Neben der leidigen Korkstreiterei (hier an Bord komischerweise immer noch Stahl gegen Beton) ist momentan unter Weinenthusiasten das Thema „Kopf gegen Bauch“ sehr beliebt. Unter Weintrinkern – das angemerkt – eher selten.
Die meisten werden mittlerweile wissen, worauf ich hinaus will. Es geht um die Weinsprache. Zu altbacken, zu versnobt, übercodiert und zudem realitätsfern – so lautet der mehrheitsfähige Tenor zum Weinsprech im deutschsprachigen Raum. Weinsprache sei überflüssig, schließlich könne man wesentlich einfacher sagen, was Sache ist: Schmeckt mir oder schmeckt mir nicht soll das Kriterium der Sekunde sein, in der die Entscheidung fällt, ob der Wein gut oder schlecht ist. Dabei wird allerdings eine ganze Reihe Faktoren untergewichtet, werden jede Menge Ideale über Bord geworfen.
Zuerst wäre da die Kommunikativität. Natürlich ist Weinsprache ein Code, den nicht jeder versteht. So wie jede andere Fach- oder Gruppensprache auch. Der Sinn solcher „Sprachen“ liegt eben in der Abschirmung nach außen und Vergemeinschaftung nach innen. Warum muss man nun plötzlich Gruppenzusammenhalt und Kommunikationspotential schwächen, indem man die Sprecher seiner eigenen Sprache anfeindet?
Binär ist Mist
Nun kann man einwenden, auch die „neue“ Weinsprache, die binäre Beurteilung „schmeckt/schmeckt nicht“, sei eine Gruppensprache. Richtig. Nur ist diese gegenüber des bisherigen Codes defizient, weil sie nicht jene Feinheiten symbolisieren kann, wie es für das verhasste „Weinsprech“ ein leichtes war.
Ein gern vorgebrachtes Argument der neuen, simpel ausführenden „Weinschmecker“ ist, dass ihre Sprache (sie sagen ja nicht nur schmeckt oder schmeckt nicht) massentauglich sei, weil ihre Art zu urteilen allgemein verständlich wäre. Das ist bei genauer Betrachtung natürlich haarsträubender Unfug.
Massentauglich ist der neue Beurteilungsmaßstab höchstens, weil ihn mehr Sprecher unüberlegt benutzen können. Statt der Masse der Kritiker, biedert sich der Weinschmecker eben der Masse der Kritiklosen an. Was aber ist dadurch gewonnen? Wenn ein Gelegenheitstrinker „schmeckt mir“ sagt, ist fraglich, ob ein erfahrener Verkoster zum gleichen Urteil käme. Bei abweichender Meinung kann man sich höchsten noch darüber einig sein, dass man sich maximal uneinig ist.
Was für ein Fortschritt! Wer heute mehr als ein lobendes oder tadelndes Grunzen über einen Wein verliert, muss sich dagegen unweigerlich verkopft oder weltfremd schimpfen lassen. Wehe aber, man wagt es, diese einfach zu durchschauende Militarisierung, die schlicht von einem Mangel an Sprache herrührt, umzukehren. Versuchen Sie mal, einen der neuen Weinschmecker „plump“ oder „sensorisch verkrüppelt“ zu nennen. Oder besser: versuchen Sie es nicht, der Abend könnte schlimm enden.
„Wie findest Du diesen Wein?“ – „Schmeckt mir“. Punkt. Alles gesagt. Alles gesagt? Ich glaube nicht. Ich denke, jedem vernünftigen Menschen muss unmittelbar einleuchten, dass man über Wein mehr sagen kann, als das. Und selbst wenn – um Ralph Waldo Emerson zu zitieren – das Zeichen höchster Bildung eine möglichst einfache Ausdrucksweise ist, dann sollten wir nicht suggerieren, jeder, der sich einer einfachen Ausdrucksweise bedient, sei besonders gebildet.
Genug Raum für Geschwätz
Es gibt Raum genug in der Weinwelt für verschiedene Schattierungen von Weinsprache. Sei sie einfach, vermeintlich einfach oder hochkomplex. Keine davon ist notwendigerweise besser, als die andere. Und dennoch sind sie nicht beliebig austauschbar. Wer das versucht, hat schon verloren. Alles, was dann bliebe, ist Potential für Grabenkämpfe. Aber sicher keine Verständlichkeit.
Man muss dabei unterscheiden, ob der Konsument für sich feststellt »Schmeckt/Schmeckt nicht« oder ob man einen Wein nachvollziehbar für andere beschreiben möchte.
Wenn ein Gast in der Verkostung sagt: »Ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll … darf ich sagen, er schmeckt mir?« (klar darf er das sagen) So ist es etwas anderes, wenn z.B. der Händler auf Nachfrage des Kunden sagt »Kaufen sie den ruhig, der schmeckt gut.« Dann ist absolut kontraproduktiv. Geschmack ist einerseits subjektiv und abhängig von unterschiedlichen Geschmackserfahrungen, aber man kann ihn auch heraus- und weiterbilden.
Doch gleichzeitig muss man dabei den Menschen vor einem sehen, was bringt es von Sandelholz-Nuacen zu reden, wenn der Gast/Kunde nicht den Unterschied von Sandelholz und anderen Hölzern kennt. Nicht auf das Niveau herunter gehen, sondern dort abholen und den Kunden/Gast weiterbringen, das denke ist die Aufgabe von Händlern und Sommeliers in dieser Frage.
Wenn viele Weintrinker sich davor scheuen, zu sagen, dass der Wein Ihnen schmeckt oder vor allem nicht schmeckt, dann ist doch auch was falsch gelaufen.
Endlich mal einer, der sagt, dass Sprache Sinn macht! Die Sprache dient der Kommunikation und auch eine Weinbeschreibung sollte zu einer Diskussion anregen. So sehe ich es wenigstens…
Und ob nun einer oder 10 sagen „schmeckt mir“, hilft mir nicht weiter. Wenn nur 3 der 10 den Wein beschreiben und sei es in einfachen Worten, dann können wir uns darüber unterhalten, wer den Wein am besten charakterisiert hat. Daraus kann ein interessanter Abend entstehen…
Weinaromen entstehen nicht zufällig, jede Traubensorte hat typische Aromen die man nicht wegreden kann. Die Vergärung von Wein lässt weitere Aromen entstehen, auch nicht zufällig und schlussendlich der Ausbau, auch da kommen weitere Aromen hinzu, auch nicht zufällig. Von der Flaschenreife ganz zu schweigen. Mineralität spreche ich beswusst nicht an, da es immer noch nicht bewiesen ist, dass der Boden Aromen abgibt, die als mineralische Komponente wahrgenommen werden.
Ist jemand in der Lage Weine blind zu erkennen, muss er zwangsläufig auf sortentypische, sowie Vergärungs- und Ausbauaromen zurückgreifen oder er hat so ein unendliches Speichervolumen, dass er sich jeden Wein merken kann, was ich eher bezweifle.
Dagen ist die legitimste Weinauswahl immer noch – er scmeckt mir oder er schmeckt mir nicht. Für einen Sommelier ist es enorm wichtig zu wissen, was seine Gäste mögen und entscheidend die Weinsprache der Gäste zu verstehen. Ganz gewagt gesagt: „Wenn jemand einen leichten Wein will, will er einen günstigen Wein oder einen Rotwein mit wenig Tanninen oder bei Weissweinen einen ohne Holzeinsatz, mit dem Alkoholgehalt hat das wenig zu tun. Florale Weine werden als fruchtig wahrgenommen, auch wenn in der Profisprache das nicht stimmt.“
Ich stimme zu es gibt mehr zu sagen als schmeckt oder schmeckt mir nicht, jedoch möchten die meisten Weintrinker sich nicht näher damit beschäftigen.
Ja richtig. Es sind meistens die sogenannten „Weinprofis“ die sich zu weit aus dem Fenster lehnen und einen richtigen Mist erzählen. Die darunter leiden sind die Weinliebhaber, die etwas mehr über Wein lernen möchten und das fängt bei der Sprache an. Wie schon erwähnt, „normale“ Weintrinker können sich nicht blamieren, denn sie sind ja der Weinsprache nicht mächtig, sondern drücken nur aus was sie in dem Moment empfinden. Hingegen arbeiten viel zu viele in der Weinbranche, die gerde so gut Traubensaft verkaufen könnten.
Mir ist lieber jemand der nichts von Wein versteht alls einer der glaubt etwas etwas über Wein zu verstehen.
Jeder noch so komplexe Wein kann einem Laien erklärt werden und er wird es auch verstehen, mit der Zeit.
Alle Weinprofis sollten sich mehr Mühe geben, mindestens dem Wein zuliebe.
Diese Art von Weinsprache versteht hingegen wieder jeder, weil sie nichts mit Wein zu tun hat.
Wo der Küblböck Recht hat, hat er Recht!
Genau , W. Elflein, es muss ja nicht Ihre oberlehrerhaft-besserwisserische „auto-motor und sport“-Sprache sein, die einem jede Ihrer Weinbeschreibungen vergällen kann ….
Rechtschreibfehler, Herr Elferlein…
„Ah, dieser Wein schmeckt etwas rhombenförmig. Seine Aussaht ist gut. Schaut, wie er sich neigt! Ein edler Tropfen, etwas hart im Ansatz, aber er ragt weit in den Hals hinein.“ (Helge Schneider)
Eine Frage blieb bisher völlig außen vor. Kann man einen Wein aus seinem Zusammenhang reißen? Den Mouton Rothschild 1989 finde ich lecker, aber beim Picknick am See, vielleicht noch aus dem Pappbecher schmeckt er fad und langweilig…
Angeregt durch diesen Artikel, hab ich mal die Weine der letzten Wochen sortiert. Was passt zum Grillen, was passt auf die Terrasse oder doch lieber eine Meditationswein? http://michael-liebert.de/weintipps/der-richtige-wein-zum/
Gelobt sei das Fach, die Disziplin, in diesem Fall die Linguistik.
Die Militarisierung der Weinsprech-Gegner ist das Problem, nicht die Dualität der Weinsprache(n) an sich. Es ist OK, Wein nur mit „schmeckt/schmeckt nicht“ zu beurteilen (und ja, es gibt für diese Ansicht reichlich Vertreter) — für bestimmte Nutzerkreise. Es ist aber Unsinn, diese Vereinfachung jedem aufzwingen zu wollen, der mehr über Wein sagen will.
Geschmack zu beschreiben ist ganz sicher eine linguistische Herausforderung. Wobei es in der Sensorik generell gilt, reproduzierbare Ergebnisse zu liefern (nicht nur beim Wein).
In der Schweiz wird seit einigen Jahren ein interessantes Projekt zu diesem Thema an verschiedenen Hochschulen durchgeführt. Infos hier:
http://sensorysemantics.ch/
Mir persönlich ist eine gestelzte Beschreibung eines Weines jedenfalls tausendmal lieber als ein nichtssagendes „lecker“. Da rollen sich bei mir die Fußnägel auf. „Lecker“ passt zum Wein ungefähr so gut wie zu Malerfarbe. Dann lieber noch „schmeckt mir“…